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Album: Convertible "Holst Gate"

Kurt Prinz

soundpark

Von Moll zu Dur zum Glück

Der österreichische Musiker und Autor Hans Platzgumer alias Convertible hat sein Versprechen gebrochen, nie mehr Musik zu machen. Gott sei Dank! Denn mit „Holst Gate“ hat er endlich das Album gemacht, das er immer schreiben wollte. Mit der Hilfe einer Kunstfigur.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Es ist knapp ein Jahr her, dass der österreichische Schriftsteller und Musiker Hans Platzgumer sein Buch „Drei Sekunden jetzt“ veröffentlicht und im Interview gemeint hat, seine Musik endgültig an den Nagel zu hängen. Doch plötzlich flattert da ein neuer Song seines Projekts Convertible herein, der einen ganz anderen Groove, eine ungewöhnlich intensive und wundervolle Atmosphäre besitzt, wie man sie von Hans Platzgumer bisher noch nicht gehört hat. Was ist da passiert und warum hat der sympathische Künstler sein Verprechen doch gebrochen?

Die neue Welt der skandinavischen Fiktion

Der Titel „Final Call“ eröffnet das neue Convertible-Album. Die melancholischen Klavierakkorde und der satte, reduzierte Schlagzeugbeat saugen einen sofort in die neue Soundwelt des österreichischen Musikers. Alles wirkt etwas mystisch, geheimnisvoll und trotzdem strahlend schön, mit einer gewissen Leichtigkeit, auch wenn der Grundton hier noch immer ein etwas schwermütiger zu sein scheint.

Es war der erste Song, der für dieses neue Werk entstanden ist, das der arbeitswütige Schriftsteller und bis dato Ex-Musiker eigentlich nie geplant hat.

Tipp:

Ein langes Interview mit Hans Platzgumer zu dem neuen Convertible-Album „Holst Gate“ und viele der Songs gibt es heute, Sonntagnacht, im FM4 Soundpark ab 01:00 Uhr zu hören. Und danach sieben Tage im FM4 Player.

Hans: “Das Album ist mir passiert. Ich setze mich ja jeden Tag meist am Abend ans Klavier und spiele für mich selbst und da sind plötzlich sehr schöne Akkorde herausgekommen und tolle Gesangslinien. Also habe ich das aufgenommen und meinem Bassisten Chris Laine geschickt. Mit ihm hatte ich ja ausgemacht, keine Musik mehr zu machen. Und er hat mir ein paar Inspirationen geschickt und gemeint: Tausche doch die Moll- mit Dur-Akkorden aus und mach einen einfachen, straighten Beat. Das habe ich gemacht und plötzlich ist eine ganze Welt für mich aufgegangen, die jetzt auf dieser Platte zu hören ist. Das ist eigentlich in einer Sekunde passiert.“

Wenn Hans Platzgumer erst einmal eine gute Idee hat und die weiterverfolgen will, dann geht er diesen Weg „wie vom Teufel geritten“ und erlebt eine sehr intensive Zeit. Innerhalb weniger Wochen waren dann weitere Songs geschrieben. Es hat halt so sein müssen. Und als Hans sich an sein Versprechen erinnert hat, nie mehr Alben zu machen, ist die Idee mit dem fiktiven Musiker entstanden.

Hans: „Wir haben uns überlegt, wer so eine Musik schreiben könnte und sind geographisch auf Norwegen gekommen. Und dann hat wohl der Schriftsteller in mir überhandgenommen und diese Figur des Colin Holst erschaffen. Ein junger Musiker, der in der Einöde von Kongsberg in seinem Studio sitzt und für sich allein solche Songs schreibt. Mit dem Auferstehen dieser Kunstfigur hat es sich für mich nämlich so angefühlt, als würde nicht ich das Album schreiben, sondern eben Colin Holst. Ich hatte mehr Distanz, so als würde ich nur zuschauen, und jetzt kann ich mich richtig darüber freuen, dass das Ergebnis so gut geworden ist, ohne eitel zu sein. Es ist das Album geworden, das ich immer schreiben wollte.“

Der Mut, einen Schritt weiter zu gehen

So sind hier die Erfahrungen des Schriftstellers und die des Musikers ineinander verschmolzen und haben ein Eigenleben entwickelt. Dadurch konnten Songs und Sounds entstehen, die Hans Platzgumer selbst nie so gemacht hätte. Zum Beispiel die klangliche Ästhetik, mehr auf Bläser und Klavier zu setzen. Oder, dass die permanent im Kopf vorhandene norwegische Weite dann Colin Holst mit reduziertem und doch druckvollem Schlagzeug umgesetzt hat. So hat auch der fiktive Musiker darauf bestanden, die E-Gitarre in die Hand zu nehmen. Das Instrument ist bei Hans Platzgumer die letzten fünfzehn Jahren unberührt in der Ecke gestanden. Daher finden sich auf „Holst Gate“ auch die von Colin und Hans geliebten Walls-of-Sounds.

Albumcover Convertible Holst Gate

Convertible/Noise Appeal Records

Das neue Album „Holst Gate“ von Convertible ist auf Noise Appeal Records erschienen.

Das passt auch gut zu der musikalischen Sozialisation des jungen Norwegers. Er kennt sich sehr gut mit dem Pop der 1960er Jahre aus. Lennon und die Beatles stehen da ebenso auf seiner Liste wie der Rock der 1970er und Led Zeppelin bis hin zu Grunge, Punk und Noise der 1990er Jahre, den er eingesogen hat, um daraus seine eigene Melange zu machen. Auch wenn das Hanz Platzgumer sehr entgegenkommt, hat Colin doch auch einen starken Pop-Aspekt hereingebracht. Da wäre das wunderschöne, reduzierte und sehr beschwingte „Sandy Beaches“ mit seinen wundervollen Bläsersätzen, dem flockigen Gitarrenriff, dem swingenden Ohrwurm-Refrain, der eine wunderschöne harmonische Wendung aufweist und dem Wechsel zwischen reduziertem Popsong und breiter Hymne. Ein Song, den Hans Platzgumer wahrscheinlich nie geschrieben hätte.

Hans: “Es war so ähnlich wie in der Schriftstellerei. Denn da kann ich ja die fiktiven Figuren genau die Sachen machen lassen, die ich mich nicht trauen würde. Oder sie können eben genau diesen einen Schritt weiter gehen, der mich zwar reizt, für den ich aber im wirklichen Leben vielleicht nicht den Mut habe. Und dadurch beginnt dann dieses Abenteuer. So sind auf den Album Gesangspassagen drauf, die ich so noch nie aufgenommen habe.“

Ein gutes Beispiel dafür ist balladenhafte, fast schon jazzige Stück „Shadow Scene“, bei dem Hans ungewöhnlich hoch singt, seine Stimme teils angezerrt wird und die eine unglaubliche Eindrücklichkeit erhält. Oder da wäre auch noch Hans Platzgumers Lieblingsstück „You is me“, ein intensiver Song mit langsamen Beat, sich übereinander schichtenden Bläser- und Soundflächen, der zwischen bedrohlich wirkenden Akkordfolgen und hoffnungsvoller Klangwelt hin und her pendelt.

Durch das Holst Gate zur hoffnungsvollen Utopie

Ebenso neu bei Convertible ist die positivere Grundausrichtung von „Holst Gate“. Bis auf den stampfenden, lautesten Song „The March“, in dem die Texterin des Albums, die Amerikanerin Hannah McKennah, ihrem Zorn gegen den damals neu gewählten Donald Trump freien Lauf lässt, blickt das Album mit Hoffnung in die Zukunft. Während rundherum die Dystopien sich zu ausgewachsenen Schlafstörungen und Albträumen auswachsen, ist das „Holst Gate“ eine Türe zu einer möglichen, besseren Welt. Dahinter liegt vielleicht der „Better Day“, wie es der gleichnamige Song nahelegt. Die sanften Piano-Klänge mischen sich hier mit verschnörkelten Gitarrenlinien, die zu den traurigen Bläser-Melodien den locker-leicht wirkenden und mit viel Spielfreude umgesetzten Kontrapunkt darstellen.

Album: Convertible "Holst Gate"

Kurt Prinz

Nicht nur der Wechsel von Moll- zu Dur-Akkorden hat zu dieser neuen Ausrichtung geführt. Die Arbeit an der eigenen, inneren Welt, die Erfahrung mit dem Leben und der bewusste Umgang mit sich selbst haben Hans Platzgumer ermöglicht, mit seinen Problemen und seelischen Abgründen besser umgehen zu können und aus ihm einen weitaus glücklicheren und gelasseneren Menschen gemacht. Er nimmt Unwegsamkeiten und unvorhergesehene Probleme nicht mehr so schwer. Genau das hat diese berührenden und locker wirkenden Songs von „Holst Gate“ und deren Message erst möglich gemacht.

Hans: „Ich glaube. wir leben in einer Zeit, in der wir unseren Horizont erweitern müssen. Wir müssen neue Visionen und neue Ideen entwickeln. Der Song ‚Imagine‘ von John Lennon wäre jetzt eigentlich wieder angesagt. Wir müssen über diesen kleinen, tristen, grauen Weltrahmen hinausschauen, den wir alle im Kopf haben. Den bekommen wir leider jeden Tag von Neuem in unser Gehirn gestopft, dass die Welt so sein muss. Da spielt natürlich der Kapitalismus eine große Rolle, der fast alles andere unmöglich macht. Aber das Andere ist ja noch immer da draußen. Das mag vielleicht noch fantastisch oder utopisch klingen, aber es muss nicht unmöglich sein. Ich finde, jetzt ist es an der Zeit, wieder träumen zu können und dass wir Gedanken weiterspinnen können, die vielleicht auch als Spinnerei gelten, aber die uns eine gute Alternative bieten können. Man kann vielleicht positiver denken, als es die Realität derzeit erlaubt, weil die erlaubt im Moment fast gar nichts. Das passt ganz gut zu gebrochenen Versprechen. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir Altes aufbrechen und dann schauen, was dahinter ist, hinter diesem ‚Holst Gate‘. Vielleicht ja ein ‚Better Day‘.“

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