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Glass

Disney / Universal

„Glass“ ist das Finale der unheimlichsten Superhelden-Trilogie

In „Glass“ lässt M. Night Shyamalan Figuren aus seinen beiden Mysterythrillern „Unbreakable“ und „Split“ aufeinandertreffen. Das Ergebnis ist einer der ungewöhnlichsten und unheimlichsten Superheldenfilme.

Von Christian Fuchs

„Eigentlich waren immer schon drei Filme von Anfang an geplant“, erklärt M. Night Shyamalan dieser Tage in etlichen Interviews. Der US-Regisseur spricht über eine Trilogie, wie es sie in der Filmgeschichte wohl noch nie gegeben hat.

Begonnen hat alles mit „Unbreakable“ im Jahr 2000 und - wie so oft im Schaffen von Shyamalan - mit einem Geheimnis. Millionen Kinogeher in aller Welt können es damals nicht erwarten zu erfahren, warum Bruce Willis als einziger in dem geschickt beworbenen Thriller ein katastrophales Zugunglück überlebt. Nur ein von Samuel L. Jackson gespielter Comicspezialist, der an einer unheilbaren Knochenkrankheit leidet, scheint mehr über den Unfall zu wissen.

Am Schluss sind manche Zuseher, die M. Night Shyamalans gespenstischen Erfolgsfilm „The Sixth Sense“ zuvor verehrten, etwas enttäuscht oder verstört. „Unbreakable“ entpuppt sich nämlich als düstere Hommage an die Superheldenhefte, die in der Kindheit des Regisseurs zentraler Lesestoff waren. Denn der Wachmann David Dunn alias Bruce Willis scheint wirklich Kräfte zu haben, die das Menschliche übersteigen. Und Jacksons Mr. Glass sieht sich selbst in der Tradition diabolischer Supergangster. Das Problem dieser Pointe: Eine ernsthafte Reflexion über Superhelden will anno 2000, zwei Jahre bevor „Spider-Man“ die Blockbuster-Landschaft verändert, niemand so wirklich sehen. Der Film ist der Zeit einfach zu sehr voraus.

Unbreakable

Disney

Aufstieg, Absturz und gruseliges Comeback

Pech für Shyamalan, der eigentlich weitere Filme mit seinen beiden außergewöhnlichen Antihelden im Kopf hat, aber an deren Finanzierung scheitert. Erst etliche Jahre später beginnen die alten Ideen den Regisseur wieder zu verfolgen. M. Night Shyamalan durchlebt in der Zwischenzeit turbulente Phasen, wird mit Meisterwerken wie „The Village“ zum Innovator des modernen Gänsehautkinos hochgejazzt und verschwindet, ebenso berechtigt, mit Big-Budget-Abstürzen wie „The Last Airbender“ oder „After Earth“ wieder in Versenkung.

Als Shyamalan 2015 mit Hilfe des Produzentengurus Jason Blum ein künstlerisches und kommerzielles Comeback schafft - der Low-Budget-Schocker „The Visit“ ist für den abgebrühten Autor dieser Zeilen einer der gruseligsten Filme der letzten Jahre - wagt er danach etwas Besonderes. Er dreht einen gefinkelten Psychothriller namens „Split“ und erzählt nur einem winzigen Kreis Eingeweihter, dass es sich dabei um ein (un-)heimliches Sequel zu „Unbreakable“ handelt. Erst in den letzten Minuten des cleveren Schockers erfahren wir, durch einen typischen Shyamalan-Twist, die Verbindung zu dem mittlerweile kultisch verehrten Frühwerk des Regisseurs.

Split

Universal

Ein Marvelmovie von Alfred Hitchcock

Und jetzt treffen in „Glass“ in einem Sanatorium drei ganz besondere Patienten aufeinander. Bruce Willis schlüpft erneut in die Rolle von David Dunn, der als Vigilant durch die Straßen streift, bis ihn die Polizei bei einem Duell mit Kevin Wendell Crumb aufgreift. Der von James McAvoy im wahrsten Sinn des Wortes verkörperte Kidnapper und Killer sorgte in „Split“ mit seiner multiplen Persönlichkeitsstörung für Angst, Schrecken und schwarzhumorige Momente. Während Crumb sich in einen Furor redet, starrt daneben ein anderer Insasse apathisch ins Leere. Samuel Jackson ist als Mr. Glass aka Elijah Price eigentlich der Titelheld des Films, obwohl er vorerst noch im Rollstuhl dahindämmert.

Die höchst unterschiedlichen Männer erhalten alle dieselbe Diagnose: Sie leiden an Wahnvorstellungen, sagt ihnen die Chefärztin der Klinik. Die übermenschlichen Kräfte von Dunn lassen sich ebenso wissenschaftlich erklären wie die Verwandlungen von Crumb in ein tierartiges Wesen. Superhelden, meint Dr. Staple (Sarah Paulson aus „American Horror Story“) gäbe es nur auf dem Papier - und statt einem diabolischen Fädenzieher sei Price doch bloß ein simpler Psychopath, mit Medikamenten ruhiggestellt.

Glass

Disney / Universal

Wir als Zuseher wissen natürlich, dass die Superhelden längst die Comicshops verlassen haben und das Gegenwartskino dominieren. „Glass“ ist ein kluger Kommentar zu diesem Trend, ein Meta-Superhero-Film, der gleichzeitig als düsterer und emotionaler Genrebeitrag funktioniert. Dass es dem Regisseur manchmal schwer fällt, all die losen Enden und Charaktere zu verknüpfen (die Autoren von „Avengers: Infinity War“ haben diesbezüglich bessere Arbeit geleistet) kann man verschmerzen. Viel wichtiger ist, dass sich M. Night Shyamalan die Bumm-Zack-Ästhetik von Marvel & Co. nicht aufzwingen lässt.

Er steht zu seinem speziellen, eher zurückhaltenden Stil der Spannungserzeugung, über den man eigentlich nicht genug schwärmen kann. Wie Shyamalan in „Signs“, „The Village“, „The Visit“ oder „Split“ das Übernatürliche mit dem Alltäglichen mischt, ist eine subtile, bedrohliche Klasse für sich. „Glass“ wirkt nun stellenweise, als ob Suspense-Altmeister Alfred Hitchcock ein Marvelmovie inszeniert hätte. Schön, dass diese Trilogie doch noch Wirklichkeit wurde.

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