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Westkust

Julia Foster

In Gedanken am Strand

Der Song zum Sonntag: Westkust - „Swebeach“

Von Christoph Sepin

Es ist eine seltsame Entwicklung, die der als Shoegaze bezeichneten Musik zugrunde liegt: In den 90er Jahren gab es um Aushängeschilder des verwaschen-verträumten Gitarrengenres wie Slowdive, Ride oder My Bloody Valentine gerade mal ein kurzes Aufblitzen in der breiteren Öffentlichkeit, heute werden die Gruppen als Visionäre gefeiert und von jungen Bands emuliert.

Für Slowdive und Co. bedeutet das, dass sie plötzlich, Jahrzehnte nach ihrem Entstehen, auf größeren Bühnen als je zuvor spielen, für uns bedeutet das eine musikalische Welt voller neuer Bands wie den Schweden Westkust und ihrer Version des Shoegaze.

Anders als noch bei anderen, aktuelleren Gruppen, die sich dem Genre rund um Walls of Sound widmen, orientieren sich Westkust mit „Swebeach“ so nah wie möglich am 90er-Original. Das ist hier nicht das, was von Bands und Musikmedien noch als „Nugaze“ bezeichnet wurde, eine verjüngte, kontemporäre Version des Shoegaze-Sounds. Nein, das klingt hier eher so, als ob uns die Gruppe Ride höchstpersönlich mit einer unveröffentlichten B-Side ihres 1990er-Albums „Nowhere“ beehrt.

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Vielleicht ist auch einfach endgültig genug Zeit vergangen, seit den 90er Jahren, dass sich das länger angekündigte Revival der Dekade lauter - und immer weniger mit neueren Einflüssen vermischt - in der Musik junger Bands hören lässt. Gruppen wie Westkust spielen sich mit dem Sound der Vergangenheit und geben ihn ironiefrei, dafür aber authentisch wieder.

Westkust kommen aus Göteborg und machen seit 2010 Musik. „Westkust“ wird auch das zweite Album der Schweden heißen, das am 1. März erscheinen wird. „Swebeach“ ist der erste Track auf dem Album und auch die erste Single, die jetzt von der Platte veröffentlicht worden ist.

Eine Wortschöpfung aus Sweden und Beach könnte das sein, so möchte man vermuten, wenn man versucht, den Songtitel online zu suchen und kaum Resultate zurückbekommt. Der Strand und das Meer also die Themen, von einer Band direkt von der Westküste Schwedens stammend. Das passt auch gut zum hier praktizierten Shoegaze-Sound, der sich gerne mit Gedanken über das Abtauchen, das Schwimmen, die Wellen und das Wasser beschäftigt.

Dabei kommt der Strand in den Lyrics zu „Swebeach“ gar nicht vor, man kann sich aber gut vorstellen, dass hier jemand durch den nassen Sand spaziert, irgendwann zwischen Herbst und Winter die Textzeilen erdenkt: „They’re holding on, and it’s getting old“, singt Vokalistin Julia Bjernelind. „Waiting for the day, tangled up in space“.

Wird hier eine Beziehung kurz vor dem Ende besungen? Eine Freundschaft, kurz bevor sie aufhört platonisch zu sein? Auf jeden Fall wird hier weder Trübsal geblasen noch über die Komplexitäten des Lebens gejammert: Bjernelinds Vocals werden selbstbewusst und direkt performt, im Gegensatz zu der vagen Emotionswelt, die damit umschrieben wird.

Es wird aus Erfahrung gesprochen („I found it once, you’ll do it twice“) und ohne viel Fantasien auf den Punkt gebracht („This is all we’ve got, you know it’s not a lot“), bevor am Ende des Songs doch noch einmal der Einfluss der Shoegaze-Vorbilder durchklingt: „Was it all in your mind?“, lautet die finale Frage. Die Frage nach dem Träumen, den Vorstellungen und der verwaschenen Gedankenwelt, die sich Bands wie Slowdive und Ride schon seit den 90ern stellen. Und auf die auch Westkust hier, Jahrzehnte später, keine Antwort haben.

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