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Lukas Rietzschel

Ullstein | Gerald von Foris

buch

Über Fremdenhass in Ostdeutschland

„Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist der Versuch zu verstehen, wie rechte Gewalt in Ostdeutschland entsteht. Lukas Rietzschel erzählt vom Frust in Ostdeutschland nach der Wende.

Von David Riegler

Die Geschichte beginnt Anfang der 2000er Jahre, als die Eltern von Philipp und Tobias ein Haus in einem kleinen sächsischen Dorf bauen. In dem neuen Haus steckt auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, doch die Region rund um die Familie scheint langsam, aber sicher einzubrechen.

Buchcover mit Landschaft

Ullstein

Lukas Rietzschel, „Mit der Faust in die Welt schlagen“, erschienen bei Ullstein

Es liest sich wie die Realität, denn was in der Geschichte passiert, lässt sich auf viele ostdeutsche Orte ummünzen. Banken schließen, Gemeinden werden zusammengelegt und die alten Fabriken der DDR verfallen. In dem Dorf kann man nicht mehr viel machen, außer einmal im Jahr auf den Rummelplatz zu gehen oder im künstlichen Baggersee zu schwimmen. Es gibt zu wenig Arbeit und viele Menschen versuchen ihr Glück im Westen.

Am Anfang richtet sich der Hass gegen Politiker und gegen die im Westen. Doch nach und nach entsteht ein neues Feindbild. Die Ausländer. Besonders Philipp findet im Fremdenhass ein Ventil für seine Wut. Er freundet sich mit Jungs an, die Nazi-Rock hören und Hasstiraden gegen Flüchtlinge halten. Um endlich etwas zu ändern, beschließen sie das Haus einer türkischen Einwandererfamilie mit Teilen eines toten Schweins zu bewerfen.

„Schweine waren für die unreine Tiere. Philipp griff hinein. Auch er im T-Shirt. Keine Handschuhe. Am schlimmsten aber das Kondenswasser an seinem Unterarm. Er erwischte ein wesentlich kürzeres Bein. Warf es zeitgleich mit Menzel. Ramon und Robert direkt hinterher. Kurz aus der Deckung raus. Menzel kam bis zum Dach, dort rollte das Bein zum Schneefanggitter, wo es hängen blieb. Genau so, wie er es geplant hatte.“

Die Situation eskaliert, als ihr Dorf Flüchtlinge aufnehmen soll und zeitgleich in Dresden die rechten Aufmärsche starten.

Der Autor Lukas Rietzschel ist selbst in Ostdeutschland aufgewachsen und hat im eigenen Umfeld erlebt, wie die rechte Gewalt entsteht. „Der Anreiz, die Geschichte zu erzählen, waren mehr oder weniger die Ereignisse 2014, 2015 mit der ganzen Situation um die aufzunehmenden Flüchtlinge und dieser sogenannten Willkommenskultur, aber auch der Fremdenfeindlichkeit, die wir vor allem in den ostdeutschen Bundesländern gesehen haben“, sagt der Autor in einem Interview. Freunde aus seiner Jugendzeit haben an den rechten Protesten vor den Flüchtlingsheimen teilgenommen.

Das Buch ist hochaktuell, denn erst im August letzten Jahres eskalierte die rechte Gewalt mit den Ausschreitungen in Chemnitz. Der Autor stellt sich der Frage, wie der Fremdenhass in den jungen Menschen entsteht und wie er sich entlädt. Dazwischen findet man immer wieder Erinnerungen an eine ostdeutsche Kindheit. Mit einer schlichten Sprache erzählt der Autor eine Coming-of-Age-Geschichte, die sich über 15 Jahre zieht. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist ein Versuch zu verstehen, wie es zu der aktuellen Situation in Ostdeutschland kommen konnte.

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