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Junius Meyvant

Sigga Ella

Die Vergangenheit ist schön und gefährlich

Júníus Meyvant wurde vor zwei Jahren in seiner Heimat Island zum „Newcomer Of The Year“ gewählt. Jetzt ist sein zweites Album „Across The Borders“ erschienen.

von Lisa Schneider

Das erste Mal habe ich Júníus Meyvant vor drei Jahren getroffen, im Wiener WUK, vor seinem Auftritt am Ja Ja Ja Festival für skandinavische Musik. Die Anreise war lang, Unnar Gisli Sigurmundsson, wie er im bühnenfernen Leben heißt, kommt von den Westmännerinseln. Sie gehören zu Island.

Er, teils wortkarg, dann wieder sehr lustig, hat mir mit knackendem Akzent selbstironische Anekdoten über sein Leben erzählt. Mit einer rauen, fast heiseren Sprechstimme, die man anfangs nur schwer mit seiner Singstimme zusammenbringen kann. Im Gespräch wirkt er sehr bedacht, wie jemand, der seine Musik bis auf die Essenz zerdenkt. Dabei ist der Output so zugänglich. „Maybe the typical Icelandic sound is Sigur Rós’, is Björk’s music. I don’t really fit in there, I guess.

Cover "Across The Borders" von Junius Meyvant

Record Records

„Across The Borders“ heißt das zweite Album von Júníus Meyvant und erscheint via Record Records.

Am 6. März spielt Júníus Meyvant im WUK Wien.

Vorschuss-Lorbeeren und Bescheidenheit

Das beweist sein erstes Album „Floating Harmonies“. Im Bereich Folkpop war die Single „Color Decay“ eine der besten 2016 - KEXP hat sie nicht umsonst zum Song des Jahres gewählt, und auch in Island ist sie als „Best Single“, Júníus Meyvant selbst als „Newcomer Of The Year“ ausgezeichnet worden.

Der Erfolg führt ihn das erste Mal um die Welt, auf Tour durch Europa und bis nach New York. Dabei war es dem Musiker am Anfang seiner Karriere noch mehr oder weniger unangenehm, auf der Bühne zu stehen.

Zwei Jahre später dann haben wir via Skype telefoniert - ich im Studio, den Wind im Ohr, der Júníus Meyvant auf seiner abgelegenen Farm in Island da gerade um die Ohren gepfiffen ist. Auch da, nach dem Erfolg seines ersten Albums, bleibt er sehr bescheiden. Etwa, wenn es ums Songschreiben geht. Dass er eigentlich gar kein Instrument so richtig beherrscht, hat er damals lachend gesagt, aber wenn er sich entscheiden müsste, wäre es die Gitarre.

Die Scheu vor der Bühne hat er mittlerweile abgelegt, bevorzugterweise steht er aber nicht allein - sondern zu fünft oder gar zu acht auf der Bühne. So etwa auch bei seinen beiden folgenden Wien-Stops, einem ausverkauften Chelsea oder einem ebenfalls ausverkauften Jazzclub Porgy & Bess.

Soeben ist das zweite Album von Júníus Meyvant erschienen, es heißt „Across The Borders“. Den Titel kann man einerseits als den Ausdruck seiner Liveerfahrungen und seiner damit einhergegangenen Entwicklung als Musiker sehen; „Across The Borders“ bezeichnet aber auch einen musikgeschichtlichen Über- bzw. Rückblick.

Es ein „reich instrumentiertes“ Album zu nennen, wäre eine leichte Untertreibung. Im Ansatz schon am ersten Album zu hören, sind die Arrangements jetzt noch detailreicher, die Streicher und Bläser prominenter, die Vielstimmigkeit vor allem in den Refrains intensiver. Selbst produziert von Júníus Meyvant und gemischt von Guðmundur Kristinn Jónsson (der auch schon mit Ásgeir, Erlend Oye oder Hjálmar zusammengearbeitet hat) wurde es im renommierten Hljóðriti Studio in Reykjavík aufgenommen.

Inspiration und Imitation

„Lay Your Head“ eröffnet das Album, ein Song wie ein musikgewordenes Mary-Poppins-Remake, irgendwo zwischen Frank Sinatra und Dean Martin. Good, old Big Apple. Auch mit „Let It Pass“ oder „New Waves“ geht es nostalgisch weiter. Für ein FM4 Gästezimmer hat Júníus Meyvant vor zwei Jahren eine Playlist seiner aktuellen Lieblingssongs angelegt, die im Nachhinein wie eine kleine Prophezeihung aussieht: Howlin’ Wolf, Muddy Waters, The Staple Singers.

Beim Song „High Alert“ muss man zweimal mit den Augen zwinkern, um sicherzugehen, dass man nicht auch körperlich in den 70er Jahren, etwa mitten drin in den Motown-Studios, gelandet ist.

Schwelgerisch schön, und gleichzeitig schräg: Songs aus dem gegenwärtigen Island, die die amerikanische Musikkultur eines vorigen Jahrhunderts nachahmen. Auch das Transportieren des Inhalts funktioniert ähnlich. Ein nachdenklicher Text, der im Fall von „High Alert“ von Verzweiflung und Selbstmitleid handelt, kommt in einer dazu konträr stehenden, optimistischen Verpackung daher. Vielgehörte Zeilen wie „You got me on my knees / oh baby please“ runden das Bild noch zusätzlich ab.

„Across The Borders“ von Júníus Meyvant ist ein hervorragend arrangiertes Album. Es scheitert lediglich etwas am Anspruch, die musikalischen Vorbilder längst vergangener Jahrzehnte zu getreu wiederzugeben. Am Ende vermisst man nicht nur die Aktualität, sondern vor allem auch Eigenständigkeit.

„Alright“, höre ich ihn fast schon trocken, aber nicht uncharmant lachen, wenn wir uns am 6. März im WUK Wien wieder zum Interview treffen. Das ist es nun Mal, wo er sich am wohlsten fühlt: Zwischen den 60er- und 70er-Jahre Platten seines Vaters.

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