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Bulgarische Männer tanzen im Eiswasser

NIKOLAY DOYCHINOV / AFP

mit akzent

Überall Patrioten

„Make America great again!“, sagte Trump und gewann die Wahlen. Vom „Einheitlichen Russland“ bis zur „Alternative für Deutschland“ spricht man lautstark über Patriotismus.

Von Todor Ovtcharov

“Patriotism is the last refuge of a scoundrel”, also „Patriotismus ist die letzte Zuflucht des Halunken“, sagte mal im 18. Jahrhundert der englische Schriftsteller Samuel Johnson. Das wurde danach viel zitiert und unterschiedlichen Klassikern zugeschrieben - von Franklin bis Tolstoi. Manche tauschen „patriotism“ mit „nationalism“.

Der Satz wurde schon so oft wiederholt, dass er langsam an Sinn verloren hat. Trotzdem lohnt es sich immer wieder daran zu erinnern. Denn unsere Zeit wird zunehmend patriotischer. „Make America great again!“, sagte Trump und gewann die Wahlen. Vom „Einheitlichen Russland“ bis zur „Alternative für Deutschland“ spricht man lautstark über Patriotismus.

Die Gesellschaft fühlt sich von außen bedroht und es herrscht offenbar so etwas wie das Gefühl der Höhlenmenschen, die sich von einem anderen Stamm bedroht fühlten, der auf sie zukommt um ihre Häuser zu verbrennen und die Frauen zu vergewaltigen.

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Ein Patriot trägt oft eine Volkstracht: ein Cowboykostüm, Lederhosen oder ein Kalpak aus Schafsfell. Jeder Patriot glaubt, dass seine Tracht besonders schön ist und seine Traditionen besonders wertvoll sind. Wenn unsere Nachbarn Trachten tragen, dann sind sie lächerlich, wenn wir Trachten tragen, dann ist das patriotisch. Das sieht oft ziemlich absurd aus.

In meinem Geburtsland Bulgarien ist es seit einigen Jahren modern, dass Männer in Volkstrachten im Städtchen Kalofer im Jänner im eisigen Wasser eines Flusses tanzen. Auf ihren Schultern tragen sie oft kleine Kinder. Auch in einer Tracht. Dieser Brauch ist zu einer Touristenattraktion geworden, es ist mittlerweile gar nicht leicht, als Zuseher einen Platz um den Fluss herum zu ergattern. Der Bürgermeister der Stadt hat sogar einen Antrag gestellt, dass der Tanz im eisigen Fluss ins Weltkulturerbe von UNESCO aufgenommen wird.

Deshalb ist das Tanzen in allen möglichen Gewässern zur Mode geworden: letztes Jahr wurde in einem See im Rila-Gebirge getanzt. Das ist ein Naturschutzgebiet und das Betreten strengstens verboten. Heuer wurden in den Medien Fotos verbreitet, von Bulgaren in Tracht, die mit einer Fahne in der Hand im Lake Michigan tanzen.

Und noch weitere Fotos: Kinder in einem Kindergarten, angezogen in Volkstrachten, tanzen in einem Swimmingpool. Ihre Mütter, die Lehrerinnen, ein orthodoxer Priester und der stellvertretende Bürgermeister der Stadt stehen um den Pool herum und freuen sich.

Der Patriotismus wurde zum Kitsch. Solcher Kitsch kann lustig sein, aber wenn es zur offiziellen Staatspolitik wird, ist es schon nicht mehr so lustig. Und von diesem Patriotismus zum Faschismus ist es nur ein einziger, kleiner Schritt.

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