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Szenenbild "The Favourite"

Centfox

Let’s shoot something!

God save the Queen - vor den zwei Frauen, die um ihre Liebe und Freundschaft rivalisieren und dabei zu Lügen, Intrigen und Gift greifen. „The Favourite“ ist eine atemberaubende, stellenweise surreale und satirische Abhandlung über Macht und Rache.

Von Pia Reiser

Einen Hit von Cindy-Lauper antizipierend spricht Lady Sarah (Rachel Weisz) die Worte: „Sometimes a lady likes to have some fun“ und man kann sie gut verstehen. Denn am Hof von Queen Anne im England des beginnenden 18. Jahrhunderts ist man verzweifelt auf der Suche nach ein bisschen fun. Während die Männer sich mit Unfug wie Entenrennen oder dem Bewerfen eines nackten Tories mit Granatäpfeln (könnte dieser Tage wieder populär werden) versuchen, die Mühsal und Langeweile mancher Tage zu bezwingen, sind die drei Frauen, die im Zentrum von „The Favourite“ stehen, meistens mit ernsteren wenn nicht gar sinistren Dingen beschäftigt.

Im Mittelpunkt des irrwitzigen, mit zehn Oscarnominierungen bedachten Kostümfilms, in dem mehr Dinge auf Fakten beruhen, als man nach dem Kinobesuch annehmen würde, steht Queen Anne (Olivia Coleman). Eine Regentin ohne Wissen um oder Interesse für das, was in ihrem Land vor sich geht, eine Frau schwer gezeichnet von Krankheiten, den vielen Fehlgeburten und dem Tod mehrerer Kinder kurze Zeit nach der Geburt. Olivia Coleman gelingt das Unglaubliche, einer Figur, die zunächst wie eine Karikatur des Konzepts „Monarchie“ unbeholfen und inkompetent durch ihre Gemäuer stapft, in dem Moment, in dem sie von dem großen Schmerz dieser Verluste erzählt, einen Moment der Wahrhaftigkeit zuzugestehen.

Filmstill "The Favourite"

Yorgos Lanthimos

Wer ist die wahre Herrscherin?

Queen Anne sitzt zwar auf dem Thron, doch sie ist eine Marionette von Lady Sarah (Rachel Weisz), die als beste Freundin und Liebhaberin der Königin Einfluss auf alle wichtigen Entscheidungen nimmt. Steuern, Kriege, finanzielle Regelungen bei Hof, alles liegt in ihren Händen. Lady Sarahs durchkalkuliertes Schattenregiment bekommt Konkurrenz als die junge Abigail (Emma Stone) am Hof auftaucht. Zwischen den beiden Cousinen wird es ganz und gar nicht zärtlich, wenn sie darum kämpfen, wer die Liebste, die Favoritin der Königin ist. As it turns out, I’m capable of much unpleasantness, so Abigail. Es beginnt mit eleganten und schlagfertigen Wortgefechten, Drohungen werden hübsch verpackt, Warnschüsse abgegeben und es endet bei Gift, Erpressung, Lügen und Intrigen. Und großem Schmerz bei allen Beteiligten.

Szenenbild "The Favourite"

Centfox

„The Favourite“ erzählt von einem Machtkampf zweier Frauen, vom Klassensystem am Hof und wie ganz nebenbei das Schicksal eines Landes davon beeinflusst wird, wer von beiden gerade höher in der Gunst der Königin steht. Vom Krieg mit Frankreich ist die Rede und vom Hunger der Bevölkerung, doch der Film verlässt fast nie die Palastgemäuer. Was in dem Land, das sie regiert, vor sich geht, kennt Queen Anne - und das Filmpublikum - nur vom Hörensagen. Und so sitzt die Königin in ihrem Elfenbeinturm in Palastform, erfreut sich an ihren 17 Kaninchen und isst opulente Tortenkunstwerke, bis sie erbricht. Lady Sarah und Abigail ist auch eine Szene des Sich-Übergebens vergönnt und keine der drei Frauen tut das aber aus dem Grund, der üblicherweise der einzige Grund ist, der Frauen in Filmen kotzen lässt: Morgenübelkeit.

Unterwanderung von Genderrollen und Konventionen

Das mag nur ein winziges Detail sein, doch es ist ein Mosaik-Baustein in der kunst- wie effektvollen Unterwanderung von Genderrollen und Konventionen des Kostümfilms. Nicht nur stehen drei Frauen im Zentrum, die sich über Macht definieren, sie stehen auch im Widerspruch dazu, wie Frauen sonst im Kostümfilm aussehen. „Normally films are filled with men and the women are the decoration in the background, [...] so it was quite nice for it to be reversed this time where the women are the center of the film and the men are the decoration in the background“, so Kostümdesignerin Sandy Powell hier. Irgendwann trägt Lady Sarah eine Augenklappe aus Spitzenstoff und stößt Alain Delon in „Der Leopard“ vom Thron der „schönsten Filmfigur mit Augenklappe“. Und auch wenn hier eine der drei Frauen zeitweise nur durch ein Auge blickt, der male gaze hat hier durchgehend Pause.

Szenenbild "The Favourite"

Centfox

„The Favourite“ startet am 25. Jänner 2019 in den österreichischen Kinos.

Auch wenn so einiges in „The Favourite“ tatsächlich stattgefunden hat, so ist es Regisseur Lanthimos Spaß am Anachronismus, der aus „The Favourite“ endgültig ein Arthaus-Meisterstück macht. Mehrmals wirft die Kamera durch ein Fischauge einen verzerrenden Blick auf Wälder und Palastgänge, eine Ästhetik, die im Historiendrama so ungewohnt ist, dass sie beinahe so wirkt, als wolle uns der Film daran erinnern, dass wir gerade einen Film schauen. Und noch eine Meta-Ebene weiter, dass das, was wir sehen eben verzerrt, verzogen ist, wörtlich und metaphorisch. Für die Kostüme der Diener wurde Jeans-Stoff verwendet und auch die ausladenden, monochromen Kleider der drei Frauen im Zentrum sind historisch nicht korrekt und wohl auch nicht die Sprache, die oft mit Screwball-Comedy-Tempo angefeuerten Dialoge und die häufige Verwendung des Wortes cunt.

„The Favourite“ ist stellenweise surreal und durchgehend atemberaubend, eine satirische Neukonstruktion des Historienfilmgenres, das aber bei aller Liebe zur Farce auch die Nuancen der menschlichen Tragödie abzubilden weiss. Und Lanthimos, der Schelm, schafft es auch noch, Referenzen auf zwei seiner Filme einzubauen, in „The Favourite“ finden sich sowohl ein lobster als auch ein deer.

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