Das Warten hat ein Dende
Von Stefan „Trishes“ Trischler
Neun Jahre sind eine verdammt lange Zeit - gerade im schnelllebigen HipHop-Spiel. In Deutschland war 2010 etwa das Jahr, in dem zukünftige Alphas wie Haftbefehl und Kollegah mit frühen Releases anklopften, in dem Die Atzen Rap auf den Ballermann brachten und am ganz anderen Ende Die Beleidiger, Audio88 & Yassin oder Dexter & Maniac untergrundige Soundentwürfe auf die Welt losließen. Irgendwo zwischen all dem stand damals auch eine lebende Legende namens Dende!
In den 90er Jahren mit seiner Crew Arme Ritter oder an der Seite von Fettes Brot erstmals aufgetaucht, war er spätestens als Hälfte von Eins Zwo in den Deutschrap-Olymp eingezogen. Auf „Vom Vintage verweht“ huldigte er 2010 dem Sound der 80er - was trotz der wie immer brillant wortwitzigen Texte irgendwie nicht so ganz aufging.
Nils Müller
Danach hörte die Welt ziemlich lange gar nichts von Dende - bis er 2015 in Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale die Rolle des Zeremonienmeisters übernahm und dort Woche für Woche neue Raps kickte. Die machten Freude, egal ob sie nostalgisch oder brandaktuell angelegt waren, wie etwa nach den Attentaten von Paris. Die Arbeiten an einem neuen Dendemann-Album, die damals schon wieder im Gang waren, wurden dadurch natürlich verlangsamt. Aber der Druck, jede Woche neue Texte zum Zeitgeschehen zu schreiben, entpuppte sich auch als Katalysator für eine direktere Sprache.
Der Meister der Wortspiele und Metaphern fand einen für ihn passenden Duktus, um ohne erhobenen Zeigefinger gesellschaftliche Probleme anzusprechen. Denn Dende war müde von den „Rechten, den Faschos, den Nazi-Parteien“ und fand, es sei endgültig Zeit, um Stellung zu beziehen. Den Anstoß zum neuen Aktivismus gab dabei ausgerechnet „Keine Parolen“, wo Dendemann in erster Linie sich selbst, aber auch uns alle, für Teilnahmslosigkeit und Politikverdrossenheit geißelt. „Die Ironie ist 100 Pro nicht weit“ - auch angesichts der Verbeugungen vor den Hamburger Punk-Helden Slime (via den Beginnern) und Die Goldenen Zitronen.
Der Song führte uns auch deshalb perfekt an „Da nich für“ heran, weil er mit seinen zwei Teilen sehr schön den musikalischen Brückenschlag der Platte illustriert: Einerseits die klassische HipHop-Herangehensweise mit hohem (Sample-)Nerd-Faktor, die mit hunderten zwischen Dendemann und seinem alten Homie I.L.L. Will hin- und hergeschickten Loops das Fundament der Platte bildete. Das alleine hätte dem Rapper aber nicht gereicht, deshalb war das Berliner Produktionsduo The Krauts (Moabeat, Seeed, Peter Fox, Marteria...) für den Auf- und Ausbau in Richtung Höhe der Zeit zuständig. Man kann davon ausgehen, dass der Perfektionismus auf allen Seiten die Nerven zeitweise an den Rand der Belastbarkeit dehnte, aber das Resultat steht eindeutig dafür.
...nie was anderes gemacht als teilzeit fm4 moderator gewesen.. oder @nuTrishes pic.twitter.com/yKi9SRk8Md
— dende (@dendemann) 8. Januar 2019
Dabei bilden Samples von deutschen Entertainment-Größen wie Hildegard Knef, Rio Reiser aber auch Su Kramer oder Mia. die Ausgangspunkte für sehr detailverliebt umgesetzte und vielschichtige Songs. Das hat mehrere Vorteile: Die deutschsprachigen Textpassagen geben oft direkt oder indirekt die Themen vor, sie garantieren Einzigartigkeit und minimieren das Risiko, während neun Jahren Produktionszeit ein Sample weggeschnappt zu bekommen. Und obwohl er gelobt, es wird bis zum nächsten Album nicht wieder so lange dauern, kann man als Fan gut gereifter Rapmusik über so eine Platte ja nur froh sein.
Ich so: Danke!
Er so: Da nich für.
Publiziert am 29.01.2019