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TC Boyle Das Licht

Hanser Verlag

Auf Trip – Der neue T. C. Boyle

Weltpremiere! Es gibt einen neuen Roman von T. C. Boyle. Er erscheint heute auf Deutsch, knapp drei Monate vor dem englischen Original. In „Das Licht“ erzählt der amerikanische Kultautor von LSD-Experimenten Anfang der Sechziger Jahre.

Von Barbara Köppel

Es ist ein Boyle nach bewährtem Rezept: T. C. serviert eine illustre Episode aus der jüngeren Geschichte, garniert sie mit ein paar fiktiven Figuren und schreibt sie in einem Schwung nieder, dem man beim Umblättern kaum nachkommt. Die Lektüre ein Flow - wie immer souverän übersetzt von Dirk van Gunsteren.

Im aktuellen Fall handelt es sich um die LSD-Experimente rund um Timothy Leary. Der Harvard-Professor schart Anfang der 1960er-Jahre eine Runde von Studenten um sich, mit und an denen er die Auswirkungen von LSD auf die menschliche Psyche erforschen will. Bald wird deutlich, dass es ihm dabei weniger um wissenschaftliche Erkenntnisse geht, als darum, akademische und gesellschaftliche Konventionen zu brechen und eine neue, von allen Zwängen befreite Daseinsform zu etablieren.

TC Boyle Das Licht

Hanser Verlag

„Das Licht“ von T. C. Boyle ist in einer Übersetzung aus dem Englischen von Dirk Gunsteren im Hanser Verlag erschienen.

Das englische Original „Outside Looking In“ erscheint im April.

Erzählt wird alles aus der Perspektive des jungen Studienassistenten Fitz, der die Drogen-Sessions bei seinem Professor zunächst noch skeptisch sieht:

„Das Ganze war bloß ein Vorwand, um eine Party zu feiern, und wo war da die Wissenschaft? Aber sogleich kam er sich scheinheilig vor, denn warum war er denn hier? Beim letzten Mal war es um Sex gegangen, nicht? Ja, sein Bewusstsein – und das von Joanie – hatte sich in Regionen erweitert, von deren Existenz er bis dahin nicht mal geträumt hatte, aber letztlich waren sie auf ihrem Trip beim elementarsten Akt gelandet, den es gab, dem Akt, den alle Tiere vollzogen, ob ihr Bewusstsein nun erweitert war oder nicht.“

Mit der Häufung der LSD-Trips verwandeln sich die Bedenken gegenüber Learys Methoden in blind ergebene Abhängigkeit. Nach den ersten Experimenten an der Uni folgen zwei berauschte Sommer in Mexiko und schließlich schließt sich Fitz mitsamt Frau und Kind Learys berüchtigter LSD-Kommune in Millbrook, New York an. Auf einmal geht alles nur mehr ums Gruppenbewusstsein, das Einswerden mit dem Universum und um die Suche nach dem Licht, der ultimativen spirituellen Erfahrung, mag man sie Gott nennen oder auch nicht. Natürlich wird alles ziemlich orgiastisch. Natürlich wird alles ziemlich kompliziert.

Die Welt des Timothy Leary

Timothy Leary war eine der schillerndsten Figuren der psychedelischen Gegenkultur. Als Psychologieprofessor bestand sein Forschungsinteresse im therapeutischen Nutzen von LSD und anderen psychoaktiven Substanzen. Bis zu seinem Ausschluss aus Harvard führte er Studien mit Alkoholikern und Kriminellen durch. Danach entwickelte er eine regelrechte Philosophie rund um die chemische Verbindung, die aus einem Pilz gewonnen wird.

Seine Ideen zur drogeninduzierten Bewusstseinserweiterung trafen einen Nerv, dazu kam sein auch im Buch gut beschriebenes Charisma und sein rhetorisches Talent, die ihm stets halfen, Gönner für seine Projekte zu finden.

Er wurde zum LSD-Guru und propagierte den Massenkonsum von psychedelischen Drogen auf Lecture Tours, Konzerten, in Interviews und sogar auf einem Spoken-Word-Album, das nach dem ihm zugeschriebenen Slogan „Turn on, tune in, drop out“ benannt ist.

Überhaupt hat Timothy Leary zahlreiche Spuren in der Popkultur hinterlassen. Er wurde von den Beatles, The Who und anderen besungen, ist in mehreren Filmen verewigt (u.a. Hair, Fear And Loathing In Las Vegas, The Men Who Stare at Goats) und erst 2015 wurde ein Teil seiner Asche beim Burning-Man-Festival in Nevada verbrannt.

In Boyles Version von Leary kommt er nicht so gut weg. Im Roman übt er Druck aus, ist berechnend und manipulativ, und von sich selbst so eingenommen, dass er sich an einer Stelle als Ganter bezeichnet, dem seine LSD-Jünger wie Konrad Lorenz’ Gänseküken überall hin folgen. Seine schönen Worte, seine kleinen weißen Pillen und bunten Mandalas kommen gegen das Spießertum jedenfalls nicht an. Wollen es auch gar nicht. Kochen, Putzen und Kinderversorgen bleibt in Learys Kommune Aufgabe der Frauen, die Männer hacken Holz, lesen und „forschen“.

Dabei sind es nicht zuletzt zwei Frauenfiguren, die in „Das Licht“ den Ton angeben. Zum einen Fräulein Ramstein, eine Laborassistentin, die dem Chemiker Albert Hofmann im Jahr 1943 hilft, LSD herzustellen und zu testen. Ein Prolog, der als wunderbare Kurzgeschichte funktioniert. Zum anderen ist da Joanie, Fitz’ Ehefrau, die trotz etlicher Trips nie den Bezug zur Realität verliert.

T. C. Boyle in Innsbruck

Am 12. Februar liest T. C. Boyle im Treibhaus in Innsbruck aus seinem Roman „Licht“.

Boyle zeichnet sie mit menschlichen Schwächen, trotzig und neidisch, aber sie durchschaut die Dynamiken in der Gruppe und lässt sich von Leary weniger blenden, als die meisten anderen. Der spirituelle Hokuspokus ist für sie eher nebensächlich, ihr geht es um reinen Hedonismus. Joanies Perspektive beleuchtet auch das, was gemeinhin sexuelle Revolution genannt wird.

„Das Licht“ ist damit auch die Geschichte einer Ehe, von Eifersucht und körperlichen Besitzansprüchen, die sich bei weitem nicht so leicht lösen lassen wie der Geist.

Fans von T. C. Boyle können sich jedenfalls freuen. Nach „Hart auf Hart“ und „Die Terranauten“, in denen Boyle allzu redundant und ausführlich geworden ist, ist „Das Licht“ wieder rasant und auf den Punkt geschrieben. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, niemand außer Boyle hätte diese Geschichte so gut festhalten können. Thema und Hauptfigur haben ja geradezu nach T. C. geschrien. Der neue Roman gehört eindeutig zu seinen besten.

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