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Szene aus Serie Sex Education

Netflix

Die Serie „Sex Education“ macht große Gesten und große Freude

Ausgerechnet Otis soll seinen SchulkollegInnen in der Pause Sextherapie geben. Dabei ist er selbst noch Jungfrau. Die Coming-of-Age-Serie „Sex Education“ macht Lust auf mehr.

Von Jan Hestmann

Netflix scheint den modernen Titelhelden perfektioniert zu haben: Es ist der blasse, dünne und stets verunsicherte Teenage Boy, vorzugsweise aus Großbritannien. Hinter einer schwer durchdringbaren Wand an aufgestauten Gefühlen und Komplexen befindet sich allerdings ein blitzgescheiter Geist. Mit diesem Typus is der Streaming-Anbieter schon im letzten Jahr mit „The End of the F***ing World“ richtig gelegen. Und wir begegnen ihm auch im neuen Streaming-Hit „Sex Education“.

Diesmal heißt er Otis (Asa Butterfield kennen wir schon als kleinen Buben auf der Kinoleinwand, als Hugo Cabret in „Hugo“). Er ist 16 Jahre alt und der schüchterne Außenseiter an seiner Schule. Dort findet gerade ein hormonelles Erwachen statt und alle scheinen nur mehr an Sex zu denken, über Sex zu reden oder Sex zu haben. Alle außer Otis, der kann sich dafür irgendwie so gar nicht erwärmen - ein Zustand, der ihm großes Kopfzerbrechen bereitet. Erschwerend dazu kommt, dass seine Mutter Jean (Gillian Anderson) Sextherapeutin ist, und das aus Leib und Seele. Ihr glaubt er vortäuschen zu müssen, dass er bereits masturbiert, um nicht als komisch zu gelten.

Das Blatt wendet sich, als das verwegene Punk-Mädchen Maeve eines Tages auf ihn zukommt und ihm ein ungewöhnliches Geschäft vorschlägt. Die Schüler und Schülerinnen bräuchten gerade in diesen Zeiten dringend einen Sexberater - und ausgerechnet Otis sei dazu berufen.

Szene aus Serie Sex Education

Netflix

Otis und seine Numero Uno Eric

„I also have a Vagina!“

Die Serie scheut nicht davor zurück, sämtliche Highschool-Klischees voll auszuschöpfen - den sensiblen Außenseiter, den quirligen Schwulen, den Jausenbrot stehlenden Bully, das Riot Girl mit der kaputten Familie - bis hin zum Schulball-Showdown ist alles dabei. Die britische Serie lässt ihre Figuren dann aber auch spannende und zum Teil unerwartete Entwicklungen durchmachen. Egal ob Titelheldin oder Fiesling - im Lauf der acht Folgen entstehen durch die Bank liebenswert fragile Figuren. Die Serie ist kitschig und übertrieben, aber auch bunt, schrill und queer. Und auf den zweiten Blick voller emanzipatorischer Botschaften. Sexuelle Selbstbestimmung ist das Ziel. Und auf dem Weg dorthin hat man einfach großen Spaß mit „Sex Education“. Eine Feelgood-Serie, durchaus mit Tiefgang.

So kommt es dann im Lauf der Serie auch immer wieder zu großen Momenten, etwa dann, als ein Foto der Vagina einer Schülerin rumgeschickt wird. Die gemeine Mobbing-Aktion endet in einer großen Solidaritätsaktion, bei der alle behaupten, die Vagina auf dem Foto gehöre ihnen (sogar Schulsprecher und Everyone’s Darling Jackson stimmt in den Kanon ein). Eine Schülerin ruft schließlich „I also have a vagina!“ Das ist schlussendlich der Kern der Sache: zu seinem Körper stehen und andere dabei unterstützen, das auch zu können. Botschaften wie diese kommen in „Sex Education“ so leichtfüßig daher, dass man sie schnell mit Blödel-Comedy verwechseln könnte. Genau das ist aber die Stärke der Serie.

80s Style und Smartphones

„Sex Education“ glänzt, wie es zurzeit für Serien über Jugendliche so populär ist, im Retro Chic und könnte, was Kleidung und Musikgeschmack der ProtagonistInnen betrifft, auch locker in den Achzigern spielen (wie eben auch Serien wie „Stranger Things“, „Everything Sucks!“ oder „The End of the F***ing World“). Gleichzeitig ist hier die Generation Smartphone am Werken, womit sich die Serie nicht zeitlich einordnen lässt. Sie spielt sozusagen losgelöst von Raum und Zeit in einer Art Paralleluniversum.

Szene aus Serie Sex Education

Netflix

Die Coolen an der Schule: Ruby, Olivia, Anwar & Aimee

Ezra Furman liefert den Soundtrack

Das Sahnehäubchen der Serie ist definitiv die Musik, die zusätzlich zum 80s-Look bewusst auf die Nostalgie-Drüse drückt, mit Songs von Bikini Kill, Sum 41, Generation X oder auch Schnulzen wie „Love Really Hurts without you“ von Billy Ocean (herrliche Schnulz-Szene!). Songs wie diese surren noch tagelang, nachdem man die Serie in einem durch gebingewatched hat, im Kopf herum. Und dazu kommt noch ein breite Palette von alten und neuen Ezra Furman-Songs, der den Soundtrack für „Sex Education“ geschrieben hat. Dem nicht genug, hat er mit seiner Band auch einen Gastauftritt in der Serie - nämlich als Schulball-Band.

Staffel 2

Da die erste Staffel mit einem Cliffhanger endet und auch die Streamingzahlen klar dafür sprechen, kann man von einer 2. Staffel ausgehen. Tatsächlich wird auch bereits daran geschrieben.

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