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Banitza

Wikimedia Commons / Apostoloff / CC BY-SA 3.0

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Nostalgie

Todor und M. sind auf der Suche nach einer echten bulgarischen Banitza in Wien.

Von Todor Ovtcharov

Das Wort „Nostalgie“ stammt aus dem Griechischen - νόστος – zurückkehren und άλγος – Schmerz, Sehnsucht. Jahrhundertelang wurde Nostalgie als eine Krankheit wahrgenommen. Dabei hat Jede/r von uns schon einmal vergangene Ereignisse idealisiert. Es gibt sogar das sogenannte „Nostalgieparadoxon“, wonach Menschen dazu neigen, sich nach furchtbaren, vergangenen Ereignissen zu sehnen.

Ein Bekannter von mir, der seit 25 Jahren alleine wohnt, sehnt sich hingegen danach, dass seine Mutter seine Unterwäsche wäscht. Er wohnt in Wien, sie in Israel. Deshalb schickt er jede Woche verlässlich ein Päckchen mit schmutziger Wäsche nach Israel. Er hat ausgerechnet, dass seine Wäsche in den ganzen Jahren die Entfernung von der Erde bis zur Venus zurückgelegt hat.

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Meine liebe M. hingegen meinte neulich, dass sie sich nostalgisch nach einer Banitza sehnt. Die Banitza ist ein Teigkuchen, den man aus ausgerollten Teigblättern und einer Mischung aus Eiern und Fetakäse zubereitet. M. erzählte mir mit nassen Augen, wie ihre Oma die Blätter ausgerollt hätte, während sie selbst die Füllung umrührte.

Wir hatten keine Wahl – wir machten uns auf den Weg zu der verlorenen Banitza. Wir waren wie Odysseus, der nach Ithaka sucht.

Auf Türkisch heißt die bulgarische Banitza Börek und auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch Burek. Wir gingen zuerst zu den modernen, schönen Hipster-Börek-Läden. Dort ist der Börek glutenfrei, gesund und Bio. Er schmeckte scheiße. Wir waren auf der Suche nach der guten, alten, ungesunden, fettigen Banitza. Wir gingen von einem Laden zum Nächsten. „Das ist sie nicht!“, sagte M. und wir zogen weiter.

Eine Bäckerei am Brunnenmarkt, die ganz unhygienisch und schön aussah, war unsere letzte Hoffnung. Dort war der Börek gut, aber auch nicht so gut wie der von M.s Oma.

Ich mache jetzt Banitza selber. Ich habe mir ein großes Rollholz gekauft, um die Teigblätter auszurollen. M. rührt die Eier und den Käse. Was tut man bloß, um die Nostalgie zu bekämpfen.

Zum Glück hat M. zu wenig im Realsozialismus gelebt, als dass sie sich nostalgisch nach ihm sehnen würde. Aber falls doch, dann werde ich mir eine Bart wachsen lassen müssen, um wie der junge Karl Marx auszuschauen. Der Kampf mit der Nostalgie ist hart.

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