So war die Verleihung des Österreichischen Filmpreises 2019
Von Christian Pausch
Das schöne, altmodische Wort „Blitzlichtgewitter“ drängt sich auf beim Betreten des Wiener Rathauses am Mittwochabend. Wenn man selbst nicht zu den Fotografierten gehört, muss man ständig einer Kamera ausweichen und geschickt Manöver entwickeln, um nicht im Bild zu sein, wenn man gerade in ein Brötchen beißt oder sich den Schweiß abtupft.
In der ersten Reihe des Festsaales, in dem die Verleihung des Österreichischen Filmpreises stattfindet, sitzen große Stars wie Erni Mangold, Birgit Minichmayr oder die Präsidentin der österreichischen Filmakademie, Ursula Strauss. Vierhundert stimmberechtigte Mitglieder dieser Akademie haben die Gewinner*innen in 16 Kategorien gewählt.
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Die beiden Burgschauspielerinnen Caroline Peters und Nicholas Ofczarek führen durch den Abend und Ofczarek möge sich doch bei „Schauspielerinnen“ mitgemeint fühlen, immerhin hat er es den ganzen Abend lang nicht geschafft, das -innen ohne beschwichtigendes Kommentar („Ich weiß, ich weiß: typisch Mann!“) auszusprechen. Erst Zwischenrufe aus dem Publikum scheinen ihn darauf zu bringen, dass hier Frauen anwesend sind und vielleicht auch in der Filmbranche arbeiten. Ich denke an den Bericht über die Veranstaltung von Kollegin Laggner aus dem Jahr 2015 zurück und hoffe, dass man in den letzten vier Jahren etwas dazu gelernt hat.
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig betritt die Bühne und geht auf die dramatischen Meldungen aus der Wiener Kulturpolitik ein, was die Förderung der Wiener Filmfestivals betrifft. Er verspricht, weiterhin Filme zu fördern, ermahnt aber auch den ORF, dies weiterhin zu tun. Außerdem schlägt er vor, den Abspann langsamer zu machen, damit die vielen Leute, die an einem Film arbeiten, auch gewürdigt werden. Das alles erntet viel Applaus. Am Ende verabschiedet sich der Bürgermeister aber mit „Glück auf!“ und es scheint, als sei die Filmindustrie doch wieder auf sich alleine gestellt.
„Vom Heim zum Häusl“
Es kommt zu den Preisvergaben. Der junge Filmemacher Bernhard Wenger gewinnt in der Kategorie Bester Kurzfilm für den Film: „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“, über einen Beziehungsstreit eines jungen Paares im Setting eines österreichischen Wellness-Hotels. Der Film kommt gänzlich ohne Tagespolitik aus, die Rede von Bernhard Wenger aber nicht, und seine Rede ist nur der erste von vielen Appellen an die Zivilgesellschaft.
Die schwarz-blaue Regierung wird in fast jeder Dankesrede erwähnt - und kritisiert. Regisseurin Ruth Beckermann, die in der Kategorie Bester Dokumentarfilm für „Waldheims Walzer“ gewinnt, zieht eindeutige Parallelen zwischen ihrem Film und der Realpolitik: „Die ÖVP ist von Waldheim auf Waldhäusl gekommen - vom Heim zum Häusl“.
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Für den schönsten Moment des Abends sorgt Inge Maux, die für ihre Rolle in „Murer - Anatomie eines Prozesses“ mit dem Preis für die beste weibliche Nebenrolle ausgezeichnet wird: Sie singt ein jiddisches Lied und schafft einen Moment der kollektiven Emotion. „Murer“ staubt auch den Preis für Bester Spielfilm ab. Im Film geht es um den aufsehenerregenden Prozess um Franz Murer, den „Schlächter von Wilna“, der im Jahr 1963 in Graz trotz erdrückender Beweise von seinen NS-Verbrechen freigesprochen wurde. Regisseur Christian Frosch bedankt sich augenzwinkernd bei der Regierung, da sein Film nun dank ihrer Politik tagesaktuelle Relevanz habe. So stark zwinkern kann man aber gar nicht, das Publikum ist sichtlich verwirrt über diese seltsam missglückte Aussage.
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Beste Regie gewinnt Wolfgang Fischer für den Film „Styx“, und zusammen mit Ika Künzel gewinnt er auch Bestes Drehbuch. Die beiden bedanken sich per Videobotschaft aus L.A. und bringen so ein wenig Oscar-Flair ins Wiener Rathaus. Auch Bester Schnitt geht an „Styx“. Cutterin Monika Willi erzählt, dass sie bei der Arbeit am Film nicht nur viel über Koordinaten und die Farben von Segeltauen gelernt hat, sondern auch darüber, wozu wir als Menschen verpflichtet sind, nämlich zu helfen.
So weit, so gut. Auf der Bühne erscheinen dann aber die vielen Produzent*innen des Films, die den Preis entgegennehmen und auch alle eine eigene Rede halten. Im fantastischen Film „Styx“ geht es um eine Frau, die bei einem Solo-Segeltrip auf ein sinkendes Flüchtlings-Boot trifft. Produzentin Bady Minck erzählt, dass der Film schon vor über neun Jahren in Planung war, nur konnten damals die Financiers noch nicht überzeugt werden, dass diese Geschichte Relevanz habe. Dann sagt sie sinngemäß etwas, was vielen den Magen verdirbt: Als die Flüchtlingsboote aber mehr wurden, grinst sie ins Publikum, habe es endlich auch mit den Geldern geklappt. Diese Aussage bleibt so im Raum stehen.
Brötchen und Rollen
Nicholas Ofzcarek sagt nach jedem Preis: „Das könnte man doch im ORF zeigen.“ Caroline Peters mokiert sich ein paar Mal zu oft über das Wort „Rolle“ in den Kategorien „Nebenrolle“ und „Hauptrolle“: „Wird denn nun die Rolle ausgezeichnet oder der Mensch?“ Ansonsten, gibt es nur einen einzigen, aber leider durchgehenden „Witz“ der beiden: Nämlich über den schwierig auszusprechenden Namen des Brötchen-Herstellers, der hier das Catering macht. Anscheinend haben die beiden Hosts aber erst zwölf Stunden zuvor erfahren, dass sie durch den Abend führen werden, also wollen wir mal nicht zu streng sein.
Beste Maske, Bestes Kostümbild und Bestes Szenenbild gehen alle an den Film „Angelo“. Hier gibt es kurz die einzigen Tränen des Abends, nämlich bei Szenebildner Martin Reiter, als er seiner Frau dankt, weil sie daheim „alles managed“, während er 86 Tage im Jahr in Luxemburg ist.
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Beste Kamera gewinnt Kameramann Klemens Hufnagl für „Die Einsiedler“. Er übergibt das Mikrofon aber an Gerald Kerkletz, den Initiator von #KlappeAuf. Der hält eine eindringliche Rede, in der er die Regierung bezichtigt, eine „totale Ignoranz gegenüber Zahlen, Fakten und Argumenten“ an den Tag zu legen. Kerkletz erntet damit die einzigen Standing Ovations des Abends, ohne nominiert oder unter den Gewinner*innen zu sein. „Tun wir was, machen wir die Klappe auf!“, sind seine Abschlussworte.
„A woarmes Bod“
Schauspielerin Ingrid Burkhard gewinnt für ihre Rolle in „Die Einsiedler“ den Preis für die Beste weibliche Hauptrolle und tut alles, was Ofczarek heute gesagt hat, in ihrer Rede als „Gewinsel“ ab. Dafür gibt es Applaus. Sie warnt aber auch vor Selbstbeweihräucherung aller Anwesenden: Der Abend fühle sich an wie „a woarmes Bod“, weil hier alle der gleichen Meinung wären. Man müsse aber mit denen reden, die anderer Meinung sind, so Burkhard.
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Beste männliche Hauptrolle gewinnt Laurence Rupp für „Cops“. Der freut sich, dass seine Frau ihn immer daran erinnert, welche Nüsse die meisten Kalorien haben, deshalb sei es ein Glück, sie an seiner Seite zu haben. Als er selbst merkt, wie seltsam diese Aussage war, wird er ganz rot und ruft: „Auf zum Bier!“, was immerhin besser ankommt als des Bürgermeisters „Glück auf!“ am Ende seiner Eröffnungsrede.
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Nach circa drei Stunden ist die Verleihung vorbei und die Gewinner*innen, die sich nach ihren Reden nicht mehr hinsetzen durften, werden vom Stehen neben der Bühne erlöst. Trotz all der politischen Redebeiträge kommt die schärfste Kritik an diesem Abend von einer, die nicht anwesend ist: Musiker Bernhard Fleischmann, der Beste Musik für „L’Animale“ gewinnt, zitiert bei seiner Dankesrede seine Tochter, die er gefragt habe, ob er hier auf dieser Bühne etwas ausrichten solle: „Ich sehe immer die selben weißen Gesichter,“ habe sie ihm geantwortet.
Publiziert am 31.01.2019