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Autorin Barbara Zeman

Judith Stehlik

„Immerjahn“ ist ein Meisterwerk von einem Debütroman

Barbara Zemans Debütroman handelt von einem Milliardär namens Gotthold Immerjahn. Der Roman über die Maßlosigkeit des gegenwärtigen Kapitalismus samt durchgeknalltem Kunstmarkt berührt, seine Größe liegt aber auch im Komischen.

Von Fritz Ostermayer

Ein Milliardär mit dem nicht unschrulligen Namen Gotthold Immerjahn, der mehr Kunstschätze als der Vatikan und sämtliche russischen Oligarchen zusammen angehäuft hat, beschließt in einem Anfall philanthropischer Sentimentalität, seine Monstersammlung der Öffentlichkeit zugänglich und also zu einem Museum zu machen. Doch nicht nur die Planung des Projekts läuft bald aus dem Ruder, Immerjahn zerrinnt bei der Umsetzung auch gleich sein ganzes Leben in Zweifel und Melancholie. Das ist – knappest - der Inhalt des Buches.

Buchcover Immerjahn

Hoffmann und Campe

Barbara Zeman wurde 1981 im Burgenland geboren und lebt seit achtzehn Jahren in Wien, wo sie Geschichte studierte und als Journalistin für den Falter, The Gap und Die Presse schrieb.

„Immerjahn“ ist bei Hoffmann und Campe Verlag erschienen.

Und warum sollte man sich für die Zerrüttungen eines gemütskranken Geldsacks interessieren? Also erstens deshalb, weil die Autorin, die gebürtige Burgenländerin Barbara Zeman, eine so fantastische und sprachmächtige Fabuliererin ist, dass sie uns selbst mit einer Nacherzählung der Montageanleitung eines Ikea-Regals fesseln könnte. Zweitens, weil aus dem erwähnten Hauptstrang des Romans x weitere Nebenstränge wuchern: biographische Einschübe, merkwürdige Geschichtlein und wundersame Abschweifungen, deren detailreiche Schilderung einen auf das Allerschönste erschlägt. Und drittens: weil in diesem ganzen barocken Irrwitz immer auch die Maßlosigkeit des gegenwärtigen Kapitalismus samt durchgeknalltem Kunstmarkt mitschwingt. Gerade in der paradoxen Figur des stinkreichen armen Gotthold Immerjahn.

Sympathischer Dagobert Duck

Zemann beschreibt ihren Protagonisten folgendermaßen: „Er ist nicht repräsentativ für mich oder für irgendjemanden anderen, der keine Kohle hat, aber er ist ein Prototyp unserer Zeit, ein sympathischer Dagobert Duck.“

Wer jetzt noch wissen will, wie dieser Bursche eigentlich ausschaut, dem sagt die Autorin: „Es ist so, dass der mit 52 Jahren doch nicht mehr so junge Immerjahn, als er jung war, ein wenig bezaubernd ausgesehen hat, nämlich ähnlich wie David Byrne von den Talking Heads im Video von ‚Once in a Lifetime‘.“

Immerjahn und seine ihn seit Jahren mit dem besten Freund betrügende Frau Katka und auch der schmarotzende Lebenskünstler, der in der Milliardärsvilla abhängt, erinnern an die seltsamen Käuze und Käuzinnen, wie wir sie von Wes Anderson-Filmen kennen und lieben. Und auch Zemans strange Settings wären bei Anderson gut aufgehoben. „Es wär’ schon cool, wenn der Roman verfilmt werden würde und es wär’ schon ok, wenn das Wes Anderson macht, wobei meine Mutter eher auf Michael Haneke tippt. Ich weiß nicht warum“, sagt Zeman.

Ein Meisterwerk von einem Debütroman

Vielleicht hat Barbara Zeman an Hugo von Hofmannsthal gedacht, aber man könnte den Roman auch als modernen Abgesang auf den weißen reichen Mann lesen, dessen Zeit historisch abgelaufen ist. Aber nicht erst seit Thomas Bernhard wissen wir, dass solchen Tragödien immer auch etwas Lächerliches anhaftet. So auch in diesem Roman, der einerseits berührt und dessen Größe eben auch im Komischen liegt. Etwa, wenn der Möchtegern-Philanthrop Immerjahn nicht so recht weiß, wohin mit seiner neuen Menschenliebe:

„Wie schwierig es war, ein Thema für eine Stiftung zu finden. Er mochte wilde Tiere genauso wenig wie seltene, fleischfressende Pflanzen, vom Austrocknen bedrohte Sümpfe, Packeis und Gletscher waren ihm unsympathisch. Schlussendlich entschloss er sich für die Immerjahn Foundation für schwer erziehbare und/oder agressive Frauen, die ausschließlich in Geschichte, Politik und Kampfsport unterrichtet wurden. Eine Art Amazonenakademie, um die er sich aber nicht wirklich kümmerte.“

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