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Franzi und Katharina von "Hausgemacht"

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„Für die Missionarsstellung kann jeder zuhause bleiben!“

Sexpositive Parties kennt man aus der LGBTQ-Szene und aus Berlin. Seit einem Jahr veranstaltet auch dass 49-köpfige Hausgemacht-Kollektiv unter dem Titel „Zusammen Kommen“ solche Partys in Wien.

Von Daniela Derntl

Im Vorjahr haben die ersten vier sexpositiven Partys des Hausgemacht-Teams im Club Auslage am Wiener Gürtel stattgefunden. Nachdem der Club mit Jahresende geschlossen hat, geht „Zusammen Kommen“ auf Wanderschaft durch verschiedene Wiener Clubs. Am Freitag, den 8.2.2019, findet die Party im Club Alice in 1010 Wien statt.

Was sind Sex Positive Parties?

Sex Positive meint nicht Swinger- oder Sex-Party. Im Konzept Sex Positive geht es um den Gedanken, dass alle Körper, ob männlich oder weiblich, ob hetero-, bi-, trans-, inter- oder homosexuell einen Ort zum Feiern finden. Es soll ein Ort geschaffen werden, an dem sich alle wohl und frei fühlen. Zu diesem Zweck wird es Rückzugsorte – Darkrooms und Schmuseecken – geben. Was natürlich gar nicht geht ist Angrapschen und Bedrängen. Respekt und Konsens sind bei solchen Partys Voraussetzung.

Hier hat das Hausgemacht-Kollektiv alles zusammengefasst, was man über Sex Positive Parties wissen muss.

Wir haben uns mit zwei der Verantstalterinnen, der Hausgemacht-Gründerin Fredi und der Organisatorin Katharina zum Interview über die heißeste Party in ganz Wien getroffen.

FM4: Hausgemacht kennt man seit fast fünf Jahren als reguläres Veranstalterkollektiv in Wien. Seit einem Jahr macht ihr auch Sex Positive Partys. Bisher gab es vier, die fünfte findet am Freitag statt. Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, auch Sex Positive Partys zu veranstalten?

Fredi: Ich war in Berlin im Kitkatklub und ich fand es ganz toll dort. Die Stimmung und auch wie die Leute so drauf waren. Und ich hab so eine Stimmung wie im Kitkatklub in Wien vermisst.

„Wir hatten Angst, dass gerade beim Ausziehen irgendwelche Übergriffe passieren. Aber es war dann wunderschön beim ersten Mal und bei allen weiteren auch.“

Katharina: Die meisten von uns waren am Anfang etwas kritisch und zurückhaltend, weil wir alle ziemlich feministisch sind und wir hatten halt Angst, dass irgendwas schief geht, dass es gerade beim Ausziehen dazu kommen kann, das irgendwelche Übergriffe passieren. Aber es war dann wunderschön beim ersten Mal und bei allen weiteren auch.

Fredi: Dazu muss man auch sagen, dass wir wirklich viel mehr Arbeit reinstecken, als es in Berlin notwendig ist. Wien ist nicht Berlin – und wir arbeiten sehr viel an dem Abend. Also 20 Leute helfen da schon mit.

Was sind denn diese Vorkehrungen, die in Wien – im Vergleich zu Berlin – notwendig sind?

Fredi: Wir haben eine Awareness-Gang, die geht herum und teilt Kondome aus und klärt aber auch auf über Sexpositiv, aber auch genauso über sexuell übertragbare Krankheiten. Und die sind auch dafür da, falls sich irgendwer unwohl fühlt. Wir machen die Selektierung selbst an der Tür, immer in zweier Teams. Wir selektieren dann nochmals bei der Garderobe, ob das Outfit auch passt. Wir wandeln viel herum. Wir müssen schauen, dass die Darkrooms nicht voller Scherben sind, weil leider viele Clubs Gläser verwenden. Es sind einfach viele Kleinigkeiten, die zusammenkommen. Und im Kitkatklub stehst du einfach an, gehst rein – und das wars dann mehr oder minder auch vom Club aus.

Katharina: Es ist in Wien auch nicht so üblich, dass es eine härtere Türpolitik gibt. Da muss man auch viel mehr Kommunikationsarbeit leisten im Vorhinein, damit die Leute das irgendwie verstehen. Uns tut es auch wahnsinnig leid, wenn Leute drei Stunden anstehen im November oder Februar. Da machen wir uns eh auch Sorgen, aber es muss halt sein, dass selektiert wird. Weil man möchte sich ja in einer vertrauensvollen Umgebung ausziehen.

Wie selektiert ihr denn? Wie macht ihr den Härtetest an der Tür, damit da kein Spanner oder Creep reinkommt?

Fredi: Grundsätzlich selektieren wir immer in zweier Teams. Eine Frau und ein Mann. Und die Frau hat im Team im Normalfall das Sagen. Der Mann ist mehr oder minder da, um sie zu unterstützen, wenn Gäste schwierig werden. Und wir stellen Fragen. Wir haben einen Fragenkatalog mit leichten bis schweren Fragen, wo es um Sexpositive geht und zwei oder drei davon stellen wir – und die müssen halt beantwortet werden. Und wenn jemand sehr komisch wirkt, stellen wir eher die schwierigen Fragen, die man aber eventuell auch wissen könnte. Und dann lassen wir uns noch das Outfit zeigen oder beschreiben. Bei der Garderobe wird dann eh nochmal geschaut.

Was sind da eure leichteren Standardfragen, die ihr jetzt verraten möchtet?!

Katharina: Was verstehst du unter Sexpositive? Warum bist du heute hier? Wenn Leute dann Ficken drauf sagen, dann kommen sie eher nicht rein.

Was ist denn eine Sex Positive Party – im Unterschied zu einer Sex-Party und einer Swingerparty?

Fredi: Der Unterschied ist der, dass der Gedanke ein anderer ist. Wir sind noch immer eine Party und kein Swinger-Club. Die Leute kommen zum Feiern. Es gibt die Möglichkeit bei uns, sexuelle Handlungen vorzunehmen. Es gibt die Orte dazu, aber keiner der dort ist, fühlt sich verpflichtet, wie das halt oft, glaub ich, bei Swinger-Partys ist. Auch wenn sie sagen, es ist nicht so. Ich glaub schon, dass du hingehst, und dann von dir erwartet wird, dass du sexuelle Handlungen vornimmst. Das ist bei uns nicht so. Und wir haben einen sehr feministischen Background. 50 Prozent der Gäste müssen weiblich sein. Wir wollen für Frauen eine Safer-Space schaffen. Wir propagieren dort auch irgendwie Body-Positivity. Es ist also ein ganz anderer Gedanke. Und es geht auch noch immer um die Musik.

Welche Musik läuft denn bei euren Partys?

Katharina: Eher härterer Techno, ein bisschen so wie im Berghain.

Ihr habt es schon anklingen lassen: Es gibt einen Dresscode bei euch. Wie schaut der aus?

Fredi: Das soll grundsätzlich jeder für sich selbst auslegen. Jeder so, wie er sich wohlfühlt und wie er sich sexuell ausleben möchte. Wir haben auch Cross-Dresser bei uns. Man kann das nicht generell sagen. Aber wir bekommen viele Fragen zum Thema Dresscode, deshalb haben wir jetzt auf unserer Webseite unter Dresscode ein paar Fotos von der letzten Party hochgeladen, wo wir ein paar Gäste anonym fotografieren durften. (Anm.: Kameras sind für die Gäste verboten. Die Handykameras werden bei der Garderobe abgeklebt.)

„Jeder soll sich so kleiden, wie er sich wohlfühlt und wie er sich sexuell ausleben möchte.“

Katharina: Was nicht geht, ist zum Beispiel ein Anzug. Es gibt zwar viele, die das sehr sexy finden, wenn der Mann im Anzug kommt und die Frau mit weniger – das finden wir zwar auch sexy – aber wenn dann fünf Männer im Anzug dastehen und die Frauen sind sehr leicht bekleidet, dann fühlt man sich nicht wohl als Frau.

Was sind denn eure Vorkehrungen, dass sich alle - wenn sie nur halb bekleidet sind oder gar nichts mehr anhaben – wohlfühlen?

Fredi: Grundsätzlich fängt das schon bei der Planung an. Da sind hauptsächlich Frauen beteiligt – und wir Frauen überlegen, wie wir uns wohlfühlen würden und was für uns Schwierigkeiten sein könnten – und wir versuchen, dem entgegenzuwirken. Wir haben eben das Awareness-Team, man kann zu Bar gehen und Code-Wörter sagen, wenn etwas nicht passt. Wir kommunizieren sehr viel im Vorhinein was geht und was nicht geht. Wir klären auch noch mal bei der Kasse auf, und teilen Kondome aus.

Was sind denn weitere Dos and Dont’s auf euren Partys?

Katharina: Alles, was nicht auf Konsens beruht natürlich. Also Angrapschen geht nie. Da fliegt man sofort raus, da gibt’s keine Diskussion. Ansonsten – sexuelle Handlungen am Klo müssen auch nicht sein, aus Rücksicht vor den Menschen, die wirklich aufs Klo müssen. Grundsätzlich haben wir es schon lieber, wenn die sexuellen Handlungen im Darkroom sind, dafür haben wir sie ja.

Fredi: Wir lassen an der Tür auch maximal drei Leute auf einmal rein. Und wir achten darauf, dass es eine sehr weibliche Party ist, weil – tut mir Leid – das vermindert einfach das Risiko und die Unsicherheit immens, wenn die Party Frauen-lastig ist.

Aber zu sexuellen Handlungen kommt es ja nicht nur im Darkroom. Je später der Abend, desto lockerer die Stimmung, nehm’ ich mal an.

Katharina: Diese Einschätzung ist korrekt. Das letzte Mal war es um zwei Uhr in der Früh noch so unschuldig, da war ich fast ein bisschen irritiert. Aber um vier Uhr, fünf Uhr sieht man schon Dinge, die eher FSK18 sind. Das sollte auch niemanden stören, wenn man auf so einer Party ist.

Man kennt sexpositive Partys eher aus der LGBTQ-Szene – und ihr habt schon gesagt, dass mindestens 50 Prozent Frauen sein sollen. Aber wer ist euer Zielpublikum?

Fredi: Wir fragen bei der Tür nicht, nach der sexuellen Einstellung oder Orientierung. Wir haben genug Transpersonen, wir haben Dragqueens, wir haben genau so viele Schwule wie Lesben, glaub ich. Die Frauensache ist uns deshalb besonders wichtig, weil es schon genug Angebote für Schwule gibt in Wien. Es gibt defacto kein Angebot für Lesben, Bisexuelle oder Frauen generell – und diese Lücke möchten wir schließen.

„Um vier oder fünf Uhr sieht man schon Dinge, die eher FSK18 sind.“

Katharina: Also, wir wollen schon auch explizit Heteros einladen. Also nicht, dass wir andere Sexualitäten diskriminieren würden, in keiner Weise, aber wir wollen eben – wie die Fredi sagt – diese Lücke füllen.

FM4: Wie alt sind die Leute, die zu euch kommen?

Katharina: Zwischen 18 und 33.

Fredi: Wobei, bei einer Party wars auch bis 45. Wir sind aber nicht altersdiskriminierend. Wir fallen einfach mehr den jüngeren Leuten auf. Aber alle Menschen sind eingeladen, auch über 35.

Kommt es bei vielen Gästen zu sexuellen Handlungen? Oder sind die meisten einfach zum Feiern da?

Katharina: Ich glaub schon, dass wirklich viele nur feiern. Und es ist auch wirklich sehr viel Body-Positivity. Man fühlt sich sehr viel freier. Und es ist auch wirklich ein sehr vertrauensvoller Umgang. Weil wenn man sich mal auszieht, zeigt man sich von seiner verletzlichen Seite. Das ist nicht nur was Erotisches, Selbstbewusstes, sondern auch etwas, dass sehr viel Vertrauen voraussetzt. Aber wir können es nicht einschätzen, wie viele jetzt wirklich Sex haben.

Fredi: Man hat auch zeitweise Wartezeiten für den Darkroom, deshalb haben wir das bei den letzten Partys auch erweitert. Es kommen aber schon sehr viele Paare. Langzeit-Paare verschiedener Sexualitäten, die eine Auffrischung suchen. Die gehen explizit deshalb hin.

Wie schauts denn aus am nächsten Tag im Darkroom?

Fredi: Das ist unsere Lieblingsfrage. Aber wir wissen es nicht, weil wir den Darkroom nicht putzen müssen. Wir bekommen es nur immer gesagt vom Lokalbesitzer: Es sind Kondome da, Körperflüssigkeiten. Es wird ja auch wirklich viel wildes Zeug dort probiert. Dazu ist der Ort auch da. Also für die Missionarsstellung mit dem Freund oder Gspusi kann jeder zuhause bleiben.

Wie wichtig ist denn Hygiene und Safer Sex bei euch?

Katharina: Sehr wichtig. Wir haben immer Papiertücher im Darkroom. Gratis Kondome. Von denen haben sich die Leute am Anfang ein bisschen zu viel eingesteckt. Da bitten wir darum, dass die nur vor Ort verwendet werden. Desinfektionsspray und alles ist vorhanden. Wer jetzt eine Phobie vor Keimen hat, sollte diese Party trotzdem eher nicht besuchen.

Wie ist denn das Feedback eurer Gäste?

Katharina: Es gibt wirklich viele schöne Storys. Und man muss wirklich sagen, alle Leute, die drinnen waren, und nicht nur in der Schlange gestanden sind, haben uns eigentlich nur positive Sachen erzählt.

„Mir hat auch ein Gast bei der letzten Party erzählt, das man sich fühlt, als wären alle deine besten Freunde.“

Fredi: Das wunderbare Feedback, das wir von Einzelnen geschickt bekommen, ist glaube ich auch der Hauptmotivator. Mit mir hat mal eine essgestörte junge Frau geredet, die sich in ihrem Körper sehr unwohl fühlt, klarerweise. Und sie wurde von Freundinnen auf die Party mitgeschleppt, und sie hat gesagt, dass es ein Wahnsinn für sie gewesen ist. Es war so natürlich, dort nackiger zu sein und den Körper zu zeigen. Wir haben auch einen Gast, der das erste Mal bei uns Cross-Dressing probiert hat, und der, als ich ihn das letzte Mal gesehen hab, sich bei mir bedankt hat, weil er so einen Teil seiner Identität gefunden hat, den er auch jetzt regelmässig auslebt. Und ohne die Party hätte er keine Möglichkeit gehabt, das mal zu probieren. Mir hat auch ein Gast bei der letzten Party erzählt, das man sich gefühlt hat, als wären alle deine besten Freunde. Man hat sich überall dazu gesetzt und es war okay. Ein Mädchen ist eingeschlafen auf der Couch und zehn Leute sind zu ihr und haben sie gefragt, ob das eh passt. Sowas erlebt man in Wien nicht so oft. Viele Gäste kommen wieder wegen der Stimmung, und weniger wegen Sex. Es gibt natürlich auch krasse Anekdoten, die sind nicht jugendfrei. Aber ja, solche Dinge können dort passieren.

Mir ist über die Jahre aufgefallen, dass Erotik und einvernehmliche sexuelle Handlungen eine immer geringere Rolle in den Wiener Clubs spielen. Es ist schon sehr selten, dass man überhaupt jemanden schmusen sieht. Ist das nur meine Wahrnehmung oder kennt ihr das auch?

Fredi: Ich glaub, deshalb werden wir so zahlreich aufgesucht, weil es für die Leute was Tolles ist, mal irgendwo bewusst hinzugehen und zu wissen, dort können sie schmusen. Aber das ist auch meine Beobachtung. Als ich angefangen habe, fortzugehen, war noch viel Schmuserei. Bei Techno Partys ist es schon eine totale Rarität, wenn sich Leute nur anfassen oder Händchen halten. Aber dazu habe ich nur soziologische Gedanken über eine sexualisierte Gesellschaft. Die Leute sind sehr vorsichtig geworden. In den 70ern, 80ern, und 90ern waren die Leute wild. Das Jugend-Monitoring hat das aber eh auch gezeigt. Die Jugendlichen von heute wollen Sicherheit, Haus ansparen, sie haben sehr konservative Werte angenommen in Österreich leider. Und ich glaube, das spielt alles ein bisschen mit.

Katharina: Vielleicht auch, weil man sich anders kennenlernt mittlerweile. Früher hat man sich beim Fortgehen kennen gelernt. Jetzt lernt man sich über Instagram, Tinder und Facebook kennen.

Auf eurer Homepage steht „In einer Zeit von Schwarz-Blau, von Verboten und konservativen Lebensrealitäten wollen wir uns entkleiden, den Hedonismus und die harten Beats leben.“ Inwiefern ist denn Politik wichtig für euch – und die Regierung, die ihr in dem Statement so hervorhebt?

Katharina: Sehr wichtig. Wir sind zwar ein Feier-Kollektiv, aber wir sehen uns als Feministinnen und wir sind eher links und das wollen wir auch zeigen. Alles, was irgendwie diskriminierend ist, Rassismus, Sexismus, lehnen wir ab. Das geht auch nicht auf unseren Partys. Wir haben im März eine Party, die rein von Frauen organisiert ist und bespielt wird, nur von weiblichen DJs.

Fredi: Wir sammeln dort Geld für die Frauenhäuser. Und wir halten halt nix von dem Spruch, Techno sei unpolitisch. Alles ist politisch. Und wir haben eine gewisse Reichweite und können auf eine sehr schöne Art Leute erreichen. Viele Leute kommen trotzdem, obwohl sie vielleicht nicht dieselben Werte teilen, sondern einfach, weil sie die Musik cool finden. Aber so entsteht mehr Offenheit gegenüber diesen Themen und kein Abblocken.

Was steht dieses Jahr noch bei euch an? Was könnt ihr schon verraten?

Fredi: Am 8. Februar sind wir im Club Alice. Am 13. April sind wir in der Grellen Forelle. Vielleicht probieren wir Anfang Juli eine Sexpositive Party im neuen Werk, weil da wird die neue Galerie eröffnen. Die haben auch schon Molton für den Darkroom. Und im Mai sind wir bei einem Festival dabei. Das können wir aber noch nicht wirklich sagen, welches das ist, aber wir freuen uns schon darauf.

Danke für das Gespräch!

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