Face Down Ass Up

Bei den City Girls trifft New Orleans auf Miami Bounce

Von Natalie Brunner

„Twerk“, das Paket aus Track und Video, zu dem die City Girls Grammy-Gewinnerin Cardi B geladen haben, würde mich noch mehr begeistern, wenn es zu Beginn eine Art „Disclaimer“ gäbe, der betont, dass das Folgende NICHT jugendgefährdend ist, sondern dass sich dieses Werk ausschließlich an Frauen wendet, die den Hochleistungstanzsport Twerken - in grauen Urzeiten auch Bouncen genannt - ernst nehmen. Dann würden der Trump-Kritikerin Cardi B auch die Vorwürfe aus dessen Lager erspart bleiben, dass sie ebenfalls eine „Sexistin“ sei.

Die City Girls revitalisieren in dieser Nummer die wunderbare musikalische Tradition ihrer Heimatstadt: Miami Bass. In den 80er Jahren wurde das Genre weltweit ein Renner dank Luke Skywalker und seiner 2Live Crew, die aus den Zensurversuchen durch Politiker und Staatsanwälte einen Marketing-Mehrwert schöpften. Sie versuchten, Miami Bass mit Subversion aufzuladen, die die Partymusik gehabt hätte, wären nicht Jugendschützerinnen auf den Plan getreten. Miami Bass ist charakterisiert durch Beats des 808 Drumcomputers und rudimentäre MC Shout-Outs, die nach mehr Action am Dancefloor verlangen: Face Down Ass Up.

Die Geschichte von Miami Bass wird in der ersten Folge der zweiten Staffel Dokuserie „Hip Hop Evolution“ mit vielen Aufnahmen von Blockparties und Gerichtsprozessen erzählt.

„Twerk“, die Zusammenarbeit des Miami Hip Hop-Duos City Girls mit Cardi B, ist eine Mischung aus einer Kinderfaschingsparty, einem Spitzensportcontest und einem 2LiveCrew-Video. Der Punkt, der mir gefällt, dieser akustisch geforderte und im Video dargestellte Showdown von wackelnden Hinterteilen, kommt ohne einen einzigen gaffenden Typen aus. Es sind ausschließlich Frauen zu sehen, die Spaß haben. Sie treten um das von den City Girls ausgesetzte Preisgeld von 25.000 Dollar an. Eine der Teilnehmerinnen hält sich mit den Kniekehlen im 90 Grad Winkel zum Boden und twerkt, eine andere hat ihre Füße hinter dem Kopf verschränkt und bringt selbiges zu Wege. Das ist Spitzensport. Das Video zu „Twerk“ sind Aufnahmen von dem Wettbewerb, kombiniert mit Nachrichtenaufnahmen, die dessen jugendgefährdenden Charakter betonen. Auch das ist eine Referenz an die 2Live Crew.

Kollege Trischler zeigt sich verwundert, dass 2019 twerken derart gefeiert wird. Aber das, was die City Girls mit Cardi B tun, hat nichts mit der kulturellen Aneignung zu tun, die Miley Cyrus im Rahmen ihrer PädoPopPerformance geliefert hat. Es geht um eine Kultur, die davor, danach und vor allem: darunter existiert. Das Sample, auf dem die Nummer „Twerk“ aufbaut, kommt aber nicht aus Miami, dem Home-turf der City Girls, sondern aus New Orleans. Ein Nola Bounce-Klassiker wurde verwendet, in der Version von Chopper/Choppa, einem MC, der Anfang der 2000er Jahre bei Diddys „Making the Band“ mitgewirkt hat. All das in Kombination mit dem 80er-Jahre-Drum-Machine-Funk, der Klassiker wie eben 2LiveCrew oder Run DMC heraufbeschwört, hat „Twerk“ es bis auf Platz 29 der Billboard Charts gebracht.

Die Nummer wäre sensationell, wenn sie in einem Femme-DMC-only-Kontext existieren würde. Sobald sie in die Charts kommt - und dafür ist sie am Ende des Tages gemacht - bekommen meine männlichen Kollegen Bedenken: Geht es da um Selbstermächtigung oder wird der männliche Blick bedient?

Mir ist das am Ende des Tages egal. Es gibt im Video Aufnahmen von 20 twerkenden Frauen am Deck einer Yacht, das kann frau als Zugeständnis an die Wunschvorstellungen von unterbelichteten Vertretern des Patriarchats und Fyre Festival-Besuchern sehen oder als Comedy. Es gibt aber auch Aufnahmen in einer Garage, die den Twerk Battle zeigen, und das ist Spitzensport, aggressiv und eine der Zeit entsprechende Tanzkunst. Betteln um Sugar Daddys Dollar Scheine sieht anders aus.