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szenenbild "M- eine stadt sucht einen mörder"

ORF/Superfilm

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Der Mörder ist unter uns

Schauermärchen, politischer Kommentar, Satire, Suspense und Hommage an einen Filmklassiker: Die Serie „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ erzählt in fantastisch überhöhten Bildern von Hetzpolitik und Panikmache. Mit dabei: Verena Altenberger, Lars Eidinger, Moritz Bleibtreu und Sophie Rois.

Von Pia Reiser

„Eeeeeelsieeeee!“. Der Name, den eine Mutter verzweifelt in die Stadt hineinruft, auf der Suche nach ihrer Tochter, ist der gleiche geblieben. In Fritz Langs „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ taucht Elsie nach der Schule nicht zum Mittagessen auf, in David Schalkos gleichnamiger Serie kommt Elsie nach Hause, doch ihre Mutter (Verena Altenberger) schickt sie nochmal hinaus in die Kälte, die Dunkelheit und den Schnee, da Elsie ihre Jacke am Spielplatz vergessen hat. Als die Mutter später Elsie-rufend durch den Schnee zum Spielplatz läuft, liegt die rote Jacke auf einer Parkbank, bloß Elsie bleibt verschwunden.

Udo Kier in "M - Eine Stadt sucht einen Mörder"

ORF/Superfilm/Ingo Pertramer

Von der ersten Sequenz an, in der die Kamera wunderbar choreografiert sich aus der Vogelperspektive Elsie nähert und dann einem davonfliegenden Luftballon (der genauso unheimlich wie bei Fritz Lang ausschaut) wieder in die Höhe folgt, hat „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ einen atmosphärischen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.

Die ersten beiden Folgen von „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ sind am 17. Februar um 20:25 auf ORF1 zu sehen

Die Handlung hat das Drehbuch-Duo David Schalko und Evi Romen vom Berlin der frühen 1930er Jahre ins heutige Wien verlegt und die Stadt zeigt sich dick eingepackt in Schnee. Am zugeschneiten Spielplatz schnuppert ein Fuchs an Elsies Jacke, später sieht man hier Udo Kier im Pelzmantel mit einer Leica-Kamera um den Hals. Mit sozialem Realismus hat „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ nichts am Hut, die Serie präsentiert sich als Schauermärchen.

Clowns mit Luftballons tauchen hier auf, die Unterwelt wird von einer Frau mit Pelzkappe dirigiert, ein Seher steht in einem verspiegelten Raum mit Kinderschaufensterpuppen. Die Bilder sind hochstilisiert, manche Sets haben fast etwas Theaterhaftes, doch eingepackt in all die Überhöhung und die Märchenmotive erzählt die Serie ziemlich treffend vom Jetzt. Das Verschwinden der Kinder nutzt der gelackte Innenminister (Dominik Maringer) in Absprache mit dem Medienmogul (Moritz Bleibtreu) zu einer Hetzkampagne. Kriminelle Elemente habe man ins Land gelassen, bei der Sicherheit wurde gespart. Das Geld, das wir pro Jahr für Migration ausgeben, fehlt uns jetzt für die eigenen Kinder.

szenenbild "M- eine stadt sucht einen mörder"

ORF/Superfilm

Bestellt sich wahrscheinlich grad ein Geilomobil in die Innenstadt

Vor vier Jahren haben Romen und Schalko begonnen, das Drehbuch zu schreiben und sie sind von der Realität eingeholt worden, so Schalko im Interview mit Petra Erdmann (zu hören am Samstag, 16.02 in Connected). Politik und Medien verquirlen populistische Botschaften und Panikmache zu einfachen Titelstories. Aus dem tragischen Verschwinden von zunächst zwei Kindern lassen sich Argumentationen für ein neues Sicherheitspaket und gegen Zuwanderung stricken. Dass man Asylwerber aber in eine sogenannte Sicherheitshaft steckt, das ist dem eitlen und perfiden Innenminister in „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ in den ersten beiden Episoden, die es vorab zu sehen gab, noch nicht eingefallen.

szenenbild "M- eine stadt sucht einen mörder"

ORF/Superfilm

Fritz Langs Film spielt am Vorabend des Nationalsozialismus, doch David Schalko sieht Parallelen zu heute: Die Hetzpolitik sei präsent, sie stelle sich nur anders da. Bei Lang verfällt eine Stadt in Massenpanik, jeder verdächtigt jeden, der lynchende Mob ist allzeit bereit, Selbstjustiz hebelt beinahe den Rechtsstaat aus, wenn der großartige Peter Lorre als gequälter Mörder zu seinem Monolog ansetzt.

Peter Lorre in "M - Eine Stadt sucht einen Mörder"

ORF/Degeto/WDR

Peter Lorre in Fritz Langs „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“, 1931

Der Film ist der erste, der sich mit der Psychologie des Täters auseinandersetzt. Es ist auch Langs erster Tonfilm, und wie damals zieht sich auch durch die Serie die unheimliche Melodie von Edward Griegs „In der Halle des Bergkönigs“.

„M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ schafft den Spagat zwischen Satire und Suspense, die Serie ist ein gesellschaftspolitischer Kommentar mit Märchen-Anleihen, die mit ihren übersteigerten Bildern auf der Leinwand (wie bei der Berlinale-Premiere) noch besser aufgehoben ist als am Fernsehbildschirm.

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