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Frauen beim Wählen

APA/GERT EGGENBERGER

100 Jahre Frauenwahlrecht

Vor genau 100 Jahren durften Frauen in Österreich das erste Mal wählen. Aber wie wählen Frauen eigentlich und wie hat sich ihr Wahlverhalten in den letzten 100 Jahren verändert?

Von Ambra Schuster und Lena Raffetseder

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen beschlossen. Am 16. Februar 1919 konnten Frauen das erste Mal von ihrem neuen Recht bei der Wahl zur Konstituierenden Nationalversammlung Gebrauch machen. Allem Widerstand zum Trotz.

Männer an der Macht

„Aber sollen wir den Frauen das Wahlrecht mit den Pflichten und Lasten, die es mit sich bringt, aufbürden? Dürfen wir es tun? Gerade darin hätte sich die Ritterlichkeit der Männer zu zeigen, dass sie den Frauen das Hinabsteigen auf den politischen Kampfplatz ersparen.“ Ignaz Seipel, christlichsozialer Politiker und später Bundeskanzler, macht 1917 die Position seiner Partei zum Frauenwahlrecht klar. Ohne Veränderungen und Umbrüche nach dem Ersten Weltkrieg wäre es wohl nicht zur Einführung des Frauenwahlrechts gekommen, meint die Historikerin Birgitta Bader-Zaar von der Universität Wien. Zentral waren die Interessen der großen Parteien: die Christlichsozialen und die Deutschnationalen waren gegen ein Frauenwahlrecht. Die Sozialdemokraten hatten es aber seit 1892 im Parteiprogramm. Durch ihre Machtposition innerhalb der Koalition wird das Wahlrecht für Frauen 1918 eingeführt. Das heißt aber nicht, dass die Wählerinnen es den Sozialdemokraten dankten.

Die erste Wahl der Frauen

„Das Wahlrecht für Frauen bedeutete für alle Parteien einen Sprung ins Ungewisse“, sagt die Historikerin Birgitta Bader-Zaar von der Universität Wien. Zur Debatte stand die Einführung der Wahlpflicht - forciert vor allem von konservativen Parteien. Die Befürchtung war, dass sonst nur die gut organisierten Sozialdemokratinnen wählen würden. Der damalige Staatskanzler Karl Renner drohte aber mit einem Arbeiteraufstand und stoppte so das Vorhaben. Die Wahlpflicht wurde Länderkompetenz und nur in Tirol und Vorarlberg eingeführt. Die Wahlbeteiligung der Frauen war aber auch ohne Wahlpflicht österreichweit nur etwas geringer als die der Männer.

Frauen beim Wählen

APA/GERT EGGENBERGER

Wählerinnen unter Beobachtung

Die Christlichsoziale Partei wird trotz des Rückhalts bei Wählerinnen nicht zu einer Frauenpartei. Bei darauffolgenden Wahlen sind Frauenthemen nicht relevant und es besteht wenig Interesse, Frauen in der Wahlwerbung anzusprechen. „Die Christlichsozialen und die Deutschnationalen sehen: es geht keine Gefahr von den Frauen aus, also muss man sie nicht berücksichtigen“, erklärt die Historikerin Bader-Zaar.

Wahlumfragen gab es 1919 noch keine, sie sind erst in den 1960ern aufgekommen. Weil man natürlich trotzdem wissen wollte, wohin Frauen als neue Wählergruppe tendieren, hat es verschiedenfarbige Stimmkuverts für Männer und Frauen gegeben. Diese bestanden von 1920 bis zum Ende der 1. Republik. Das Wahlverhalten der Frauen wurde so für die Parteien nachvollziehbar und zeigt, dass sich der Trend der konservativen Wählerinnen bis 1930 fortsetzt.

Obwohl die Sozialdemokratische Partei das Frauenwahlrecht vorangetrieben hatte, profitierte sie nicht von den weiblichen Stimmen. „Betrachtet man die Republik als Ganzes, stellen wir fest: Frauen wählten konservativ. Vor allem in den Bundesländern mit Wahlpflicht“, sagt Bader-Zaar. „Es gibt aber regionale Unterschiede, allen voran das rote Wien, wo auch Frauen mehrheitlich sozialdemokratisch wählten.“

Von christlich-sozialen zu mitte-links

Der große Umbruch im Wahlverhalten von Frauen von konservativ zu sozial-liberal kam erst nach 1968. Die konservativen Familienwerte und Frauenwerte wurden von jüngeren Frauen nach den 70ern nicht mehr so stark unterstützt. Sie suchten sich deshalb Parteien aus, die ein liberaleres Frauen- und Familienbild hatten.

Vorher war die Rolle der Frau in der Gesellschaft eine andere. Frauen hatten eine konservative Werthaltung bei den Themen Familienleben und Kindererziehung. Das politische, wirtschaftliche habe man dem Mann überlassen, erklärt Sylvia Kritzinger, Professorin am Institut für Staatswissenschaften der Universität Wien. "Mit der großen Veränderungswelle in den 1968er Jahren in Bezug auf die Frauenrechte und auch damit, dass Frauen stärker in den Berufsalltag eingestiegen sind, haben sich politische Einstellungen und das Wahlverhalten geändert.“, so Kritzinger.

Das Interesse am Wahlverhalten der Frauen hält sich bis heute. In Statistiken und Wahlumfragen ist das Geschlecht immer noch eine relevante Kategorie. Bei der Nationalratswahl 2017 wählten Frauen beispielsweise häufiger die SPÖ und die Grünen. Männer hingegen überdurchschnittlich oft die FPÖ. Bei den Neos, der Liste Pilz und der ÖVP waren die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nur gering.

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Dass Mitte-Links-Parteien auch heute noch eher von Frauen gewählt werden, ist soweit nichts Neues. Ein Grund dafür ist unter anderem die unterschiedliche ökonomische Situation von Männern und Frauen. „Mitte-links Parteien sichern Frauen ökonomisch und sozial eher ab als mitte-rechts Parteien. Durch die Familienarbeit und die Kinderbetreuung, die nach wie vor Großteiles bei Frauen liegt, brauchen sie sicherlich mehr soziale Unterstützung und auch Umverteilung als jemand, der voll und ohne Unterbrechungen im Berufsleben tätig ist.“, so Kritzinger.

Sylvia Kritzinger betont jedoch, dass das Geschlecht nur einer von vielen beeinflussenden Faktoren beim Wahlverhalten ist und sieht von Verallgemeinerungen ab. Es könne nur von Tendenzen gesprochen werden und natürlich würden nicht alle Frauen sozial-liberal wählen. Für die Wahlentscheidung oft ausschlaggebender sind etwa Sozialisation, Bildung, natürlich die politische Einstellung und aktuelle Themen - Stichwort Migrations- oder Finanzkrise.

Trotz gleicher Kompetenz – Frauen trauen sich politisch weniger zu

Einen sehr spezifischen Geschlechterunterschied gibt es laut Kritzinger dann allerdings doch. Zwar kennen sich Frauen politisch genauso gut aus wie Männer, aber sie selber schätzen sich schlechter ein und geben an, dass sie auch weniger interessiert sind. Das ist problematisch, weil die Selbsteinschätzung mit der Wahlbeteiligung korreliert und diese dementsprechend vor allem bei jüngeren Frauen niedriger ist.
„Es braucht ein Empowerment von jungen Frauen im politischen Bereich. Man muss sie ermutigen, sich politisch zu interessieren und aktiv zu werden. Einfach, weil sie es genauso gut können wie Männer.“, fordert Kritzinger.

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