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Ry X

Kacie Tomita

Podcast

Von sanften Barden und Heiratsschwindlern

Ry X hat ein neues Album. Im FM4 Podcast erzählt der Australier mit Wohnsitz Los Angeles von seinem Auftritt bei der Verleihung des Friedensnobelpreises, warum er ein „Man of the Sea“ ist und wie er in der Feuersbrunst von Kalifornien beinahe alles verloren hätte.

Von Christian Lehner

Zugegeben, der Mann mit dem sanften Blick, der sanften Stimme und dem sanften Bart ist für viele Kollegen (keine -Innen in diesem Fall) eine Steilvorlage für Spott. Ry Cumming, so der bürgerliche Name von Ry X, zählt zur Sparte jener Barden, die mit weit ausladenden Gefühlen gefühlig vom Gefühl singen. Das ist meistens auf Moll gestimmt, am Herzen und Leben leidend, aber dabei immer sehr vage und doch recht sexy. Die Musik signalisiert mit ihrer ausgestellten Verletzlichkeit ein Sich-Öffnen, das die Grundbedingung eines Verstehens ist und zwar meist eines weiblichen Gegenübers. Sicher, alle menschlichen Wesen mögen das, aber im Fall von Ry X mögen das vor allem Frauen. Wer jemals auf einem Ry-X-Konzert war, weiß das.

Ry X ist am 16. März im Wiener WUK im Rahmen der FM4 Indiekiste live zu sehen.

Freilich stehen solch sanfte Typen mit Dackelblick und Wellness-Sound auch immer im Verdacht, sich bloß strategisch einzuschmeicheln, um dann erst recht Herz und Seele zu rauben. Der Vorwurf des vertonten Heiratsschwindels steht im Raum.

Ein weiterer häufiger Einwand gegen die Musik von Ry X betrifft die eingesetzten Mittel: Flüsterstimme, ätherische Beats, Watte-Elektronik und Wohlfühl-Folk lullen die Sinne ein, anstatt sie zu schärfen - ein im Streaming-Zeitalter häufig formulierter Vorwurf in Bezug auf angesagte Popmusik (die US-amerikanische Musikjournalistin Liz Pelly hat diesbezüglich den Begriff Streambait-Pop geprägt).

Ry X beim FM4-Interview in Berlin

Christian Lehner

Ry X beim FM4 Interview in Berlin

Schöner Schaum

Gerade Ry X wirkt wie ein Guru von einer einsamen Insel, der mit Sand im Bart und einem Surfbrett unterm Arm nackig auf einer Yogamatte sitzt und sich als „Man of the Sea“ bezeichnet, während er aus dem Bio-Strohhalm die letzten Reste eines Smoothies saugt und vor sich ein vergilbtes Buch mit tibetischen Weisheiten liegen hat.

Das Problem: Ry X IST ein „Man of the Sea“, der tatsächlich unter Hippies auf einer dünn besiedelten Insel in Australien aufgewachsen ist. Er hat mit drei Jahren das Surfen gelernt, meditiert gern und praktiziert auch schon sehr lange Yoga. Seine Vorstellung von Musik kommt jener von Naturmedizin sehr nahe. Der Typ ist in Bezug auf sämtliche Klischees authentisch wie eine Kokosnuss. Also Pech gehabt, lieber Konsum-Insta-Fluencer mit Waschbrettbauch, Man Bun und geborgtem Surfbrett am Strand von Malle, Ry X war vor dir da und ist the real deal.

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Radio FM4

Hört hier im FM4 Interview Podcast, warum Ry X mit seinem Nebenprojekt The Acid bei der Verleihung des Friedensnobelpreises aufgetreten ist, welchen Stellenwert das Meer in seinem Leben hat und warum er im kalifornischen Feuer des letzten Sommers beinahe sein gesamtes Hab und Gut verloren hätte.

Was das Einlullen betrifft: Die sehr stimmungsvoll mit Kerzenlicht ausgeleuchteten Konzerte von Ry X sind eher Messen der Konzentration als der Abschweifung. Der Mann kreiert unter Einbezug des Publikums Räume der Andacht, die an den Rand vollkommener Stille grenzen, sodass das Klacken eines einsamen Smartphones im Auditorium hörbar wird.

Ob diese Intensität bei seinem Konzert in Wien gelingt, bleibt abzuwarten. Das Material des neuen Ry-X-Albums „Unfurl“ klingt wesentlich gereifter, also weniger betörend als jenes vom Vorgänger, dem Debütalbum „Dawn“(2016).

Trotzdem mache ich mich bei Ry X auch weiterhin locker und lass mir gern von ihm ins Ohr säuseln – am liebsten in der Badewanne. Ich vertraue darauf, dass ich, falls ich wegdösen sollte, rechtzeitig die Stopptaste finde. Wenn man im schönen Schaum einschläft, könnte das sonst unangenehme Folgen für die Luftzufuhr haben. Außerdem wird man ganz runzelig, wenn man zu lange im Wasser bleibt. Zugegeben, das klingt jetzt auch ein wenig spöttisch, aber das ist nicht so gemeint. An meine Haut lasse ich nur Wasser und Ry X. Ich schwöre!

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