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Nick Caves berührende „Red Hand Files“

Nick Cave gibt in seinem berührenden Online-Fan-Experiment „Red Hand Files“ Ratschläge, beweist Humor, teilt seine Liebe zur Poesie, Musik und Familie mit. Aus diesen „Red Hand Files“ sind jetzt die „Conversations wirh Nick Cave“-Abende entstanden, mit denen er auf Tour geht.

Von Susi Ondrušová

Es wird nicht billig und es wird nicht in Österreich stattfinden aber es wird einen erleuchtenden Städtetrip wert sein: Nick Cave wird im Mai und Juni in Deutschland, Norwegen, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Schweden und Großbritannien seine „Conversations with Nick Cave“-Abende veranstalten. Nick Cave ist dabei am Mikro und Klavier, ohne Setlist und ohne Plan, aber bereit, sich den Fragen des Publikums zu stellen.

Die Konzertgäste werden dem Musiker an diesem Abend Fragen stellen können, er wird mit Worten und mit Songs antworten. Das ist in Zeiten von scheinbarer Nähe durch Social Media eine sympathische Art, sich den eigenen Fans zu nähern und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Nicht nur für Hardcore-Fans, die alle „Birthday Party“-Erstpressungen besitzen (möchten) oder alle Bad Seeds Mitglieder alphabetisch aufzählen können, sondern auch für jene, die sich einmal einem anderen Konzerterlebnis stellen möchten. Die „Conversations“-Abende sind die Definition von intimem Rahmen, egal wie groß die tatsächlichen Konzerthäuser dann sind, in denen Nick Cave auftreten wird. Es wird unerwartet und ungeskriptet und einzigartig.

Frag Nick Cave, was du wissen willst

Um seinem Wunsch nach Nähe und intensiverem Austausch mit den Fans zu entsprechen, hat Nick Cave letztes Jahr die „Red Hand Files“ ins Leben gerufen. Über ein simples Online-Formular können ihm Fans Fragen stellen, die Nick Cave dann beantwortet. Es sind keine hingerotzten Schnell-schnell-Antworten, die man als Musiker im Rahmen eines launigen Interview Marathons aus der Situation heraus geben würde (wenn auch dieses Grinderman-Interview schon auch unschlagbar lustig ist), sondern detaillierte, persönliche und in der Ansprache sehr respektvolle und wohlüberlegte, poetische Antworten. Es ist quasi ein neues Nick Cave-Buch. In unregelmäßigen Abständen flattert ein neues Kapitel ins Mailpostfach. Die „Conversations“-Tour ist die logische Fortsetzung dieses Online-Fan-Experiments.

Conversations with Nick Cave: Alle Europa Termine hier. Der Vorverkauf startet am 21.Februar

Alle Red Hand Files sind hier: www.theredhandfiles.com

Nick Cave meint zum Beispiel: „When I started the Files I had a small idea that people were in need of more thoughtful discourse. I felt a similar need. I felt that social media was by its nature undermining both nuance and connectivity. I thought that, for my fans at least, The Red Hand Files could go some way to remedy that. The number and breadth of questions I have received over the last three months has been staggering, indeed, many are not questions at all, but people using the Files to tell their own stories.”

Ein Fan aus Boston merkt an, dass in Nick Cave Songs sehr viele Tiere und Naturreferenzen auftauchen. Sie möchte also wissen, ob Cave Haustiere hat und so erfährt man, dass der Dackel der Familie Cave Nosferatu heißt, „whose one great enterprise in life is to bite me. I think it is safe to say that I love these dogs considerably more than they love me. They are devoted to my wife and guard her from me with their lives.”

Mütter haben oft die besten Ratschläge

Nick Cave schreibt auch über seine Mutter und Ratschläge, die sie ihm mitgegeben hat. Als sie ihn einmal zu einer Auszeichnung der Universität Melbourne begleitet hat, erwähnt er sein Unbehagen aus seiner „rocknroll comfort zone“ auszubrechen und in einem akademischen Rahmen aufzutreten. „Head high and fuck ’em all“ sagt Mama Cave, bevor der King Ink also seine Auszeichnung entgegen nimmt.

Wenn die „Red Hand Files“ eines beweisen, dann dass Nick Cave unglaublich viel Humor hat. Etwas, das schon in seinen Lyrics durchdringt. Als persönliches Highlight aus dem Bad Seeds-Oeuvre sei der musikalisch vielleicht nicht so herausstechende, aber von seiner poetischen Geschichte her extrem lustige, wunderbare Song „More News From Nowhere“ erwähnt: „He asks me for my autograph I write nobody and then. I wrap myself up in my woolly coat and I blind him with my pen. Cause someone must have stuck something in my drink everything’s getting strange lookin’ Half the people have turned into squealing pigs the other half are cooking”.

Nick Caves Conversation Tour Ankündigung

Nick Cave

Auf die scheinbar einfache Frage von Brian aus New Orleans, was für Monster unter seinem Bett sind, zählt er u.a. auf: „man-hating feminists, Trump, some right-wing Nazis, Putin ...“ und gesteht ein, dass vielleicht er selbst das Monster unter seinem Bett ist: „Because most monsters I have ever had to deal with were usually a product of bad thinking, and generally of my own making. Maybe my greatest fear is that there is nothing under the bed at all, just a vast and monstrous vacancy – dustballs, a child’s lost sock, and the ashy residue of dreams. Sometimes, I would rather not look.”

Ruftst du Bono oder Warren Ellis an, wenn die Welt untergeht?

Einige Red Hand Files widmen sich auch dem Thema Weltuntergang. Auf die Frage, was er machen würde wenn in 72 die Welt untergeht, antwortet Cave zuerst „I’d freak the fuck out“. Näher nachgefragt meint er, er würde schon versuchen rauszufinden, ob die Nachricht überhaupt stimme. Falls ja: „I would then proceed to do everything I could to stop it. I would make a call to my friend Bono.” Ein Fan aus den Niederlanden fragt dann weiter nach, wie er denn auf seine Bad Seeds-Kollegen vergessen konnte, worauf Cave sehr ausführlich und unterhaltsam aufzählt, wer von den Bad Seeds welches Handy besitzt oder überhaupt abhebt, wenn er anruft und mit wem er auf telepathische Art und Weise kommuniziert. (Spoiler: es ist natürlich Warren Ellis)

Nick Cave schreibt in den „Red Hand Files“ über Inspiration, Glauben und Kreativität: „Sit down. Be yourself. Be prepared. Be attentive. Defy the voices. Be the thing you want to be. Write. Be playful. Be reckless. Remember that you are uniquely designed for the idea that is moving toward you. You are good enough. The idea is about to arrive.”

Ehrliche Tränen

Und er schreibt oft über Trauer. So sind die Briefe in denen er Einblick über die Traueraufarbeitung seiner eigenen Familie gibt, mitunter die berührendsten. Wenn er etwa Trauer als eine Flut bezeichnet: „In time, it can recede and leave us with feelings of peace and advancement, only for it to wash back in with all its crushing hopelessness and sorrow. Back and forth it goes, but with each retreating drift of despair, we are left a little stronger, more resilient, more essential and better at our new life.”

Wie wichtig die „Red Hand Files“, die persönliche Kommunikation mit den Fans ist, beweist die Antwort auf den Brief eines 10-jährigen australischen Fans, der als einziger in seinem Freundeskreis Bad Seeds-Musik hört. Er möchte wissen welchen Einfluss sein Bad Seeds-Fansein auf sein weiteres Leben haben wird: „Listening to Bad Seeds music at your age is like having a secret knowledge.” schreibt Cave, dann kann man beim weiteren Lesen schon mal die Taschentücher auspacken weil die Conclusio ist: Musik ist lebenswichtig. „The world is waiting for you. Blow ‘em away, kid.“, schreibt Nick Cave.

Wer übrigens schon mal beim Lesen der „Red Hand Files“ eine Träne verdrückt hat oder bei einem Konzert von den Bad Seeds geweint hat, wird auf die Frage von Sarah aus Manchester gewartet haben und bekommt sie in den Red Hand Files beantwortet: Hat Nick Cave schon mal wegen seiner Songs auf der Bühne geweint?

„Every now and then, a sudden thought, beyond my control, pierces this state of present-ness – a devastating image or a shocking recollection or an impossible wish – and that holy state of now ruptures and the world comes crashing in, and, well, sometimes you cry.“

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