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Rami Malek mit Oscar in der Hand

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pia reiser

Das war die Oscarverleihung

„Green Book“ wird als „Best Picture“ ausgezeichnet und „Bohemian Rhapsody“ geht mit vier Oscars nach Hause. Go home, Oscars, you’re drunk!

Von Pia Reiser

What the fuck have I just seen oder: Herzlich Willkommen zur Nachlese der 91. Oscars, bei denen der inszenatorische Reinfall namens „Bohemian Rhapsody“, ein Film ohne ein Jota der Originalität oder gar Meta-Ebene, der unfreiwillig komisch ein paar Etappen aus dem Leben der Band Queen nachspielt, mit vier Oscars im Grunde als eindeutiger Gewinner des Abends hervorgeht. Is this real life? Zwar sind drei davon in den immer als weniger wichtig gehandelten „technischen“ Kategorien wie „Best Editing“, „Best Sound Mixing“ und „Best Sound Editing“, doch Rami Malek wurde auch als „Best Actor“ ausgezeichnet.

Und ich weiß, Schauspielleistungen zu vergleichen ist schwierig, aber, dass Maleks Lipsyncing zu Queen-Megahits und das Tragen einer Zahnprothese ausgezeichnet wurde und Christian Bale für seine Darstellung als Dick Cheney in „Vice“ leer ausgegangen ist, wird in zukünftigen „10 times the Academy really fucked up“-Buzzfeed-Texten wohl oft auf Platz Eins zu finden sein. Für erste Hinweise, dass die Show ein Debakel sein wird, musste man nicht lange suchen.

Adam Lambert und Brian May

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Bisher mussten immer Rob Lowe und Schneewittchen, die Teil der Eröffnungsnummer der Oscars im Jahr 1989 waren, als schlechtestes Beispiel für eine Show-Eröffnung herhalten, jetzt aber können Lowe und Schneewittchen aufatmen, denn die 91. Oscars wurden von Adam Lambert (der seinen Schlüsselbund praktischerweise am Ohr trug) und Queen eröffnet. Brian May war im Aufmerksamkeitsheaven und mit Bodennebel wie zu „Wetten, dass...“-Zeiten und einem Mini-Medley, das jeden Schulskikurs in einen Hexenkessel-Moshpit verwandelt hätte, mussten wir uns je ein Viertel von „We will rock you“ und „We are the champions“ (steht sicher im Familienwappen der Mays) anhören. Das Publikum wackelte semi-euphorisch, nur Bale erstarrte sympathischerweise zur Salzsäule. Eventuell steckt in dem Queen-Auftritt eine Metapher, die für die ganze Verleihung gilt: Einem alten Konzept wird eine jüngere Stimme hinzugefügt, so wie eben die Oscars seit ein paar Jahren versuchen, nicht mehr ein Club von weißen, alten Männern zu sein.

Nach Queen, dann die wahren Queens: Ein Triumvirat der Spitzenklasse: Maya Rudolph, Amy Poehler und Tina Fey deklarieren, sie sind nicht die Hosts, es würde auch keine Hosts geben und keine Kategorie „Popular Oscar“ und Mexico is not paying for the wall. Es gibt zirka 10 gute Witze in drei Minuten und esst sie nicht alle auf einmal, weil recht viel Witz-Nachschub gab es dann nicht mehr. Das famose Trio überreicht – wie es zu erwarten war – Regina King den Oscar als „Best Supporting Actress“ in „If Beale Street could talk“ (zu sehen nächste Woche beim FM4 Kino unter Freunden).

Comedians Maya Rudolf (L), Amy Poehler (R) and Tina Fey during the 91st Annual Academy Awards at the Dolby Theatre in Hollywood

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Melissa McCarthy taucht als Queen Anne auf, in einem Kostüm mit angenähten Plüschhasen präsentiert sie die Kategorie „Best Costume Design“ und, yippieyeah, der erste Sieg für Wakanda! Ruth Carter wird für die grandiosen Kostüme von „Black Panther“ ausgezeichnet, in denen Afrofuturismus, Einflüsse verschiedenster afrikanischer tribes und Streetwear kombiniert worden sind. Ruth Carter ist die erste schwarze Frau, die in dieser Kategorie ausgezeichnet wird. (Am Look der Königin von Wakanda war übrigens auch die österreichische Architektin und Designerin Julia Körner beteiligt gewesen). Auch der Oscar für „Best Production Design“ geht an „Black Panther“ – zu recht, denn mit Wakanda wurde endlich einmal ein anderes Bild von Afrika in einem Hollywood-Film auf die Leinwand gebracht. In diesem Sinne: Ein Klopfen mit gekreuzten Armen auf die Brust, way to go, „Black Panther“, dass der Film nicht mit technischen Kategorien abgespeist wurde, zeigt doch, dass sich hier was ändert. Der Moment der Wucht, der beim Release von „Black Panther“ spürbar war, hat bei den Oscars eine Spur hinterlassen und Zeitgeist-Abbilung ist üblicherweise nicht der Oscars größte Stärke.

Melissa McCarthy and US actor Brian Tyree Henry present an award during the 91st Annual Academy Awards at the Dolby Theatre in Hollywood

APA/AFP/VALERIE MACON

Aber auf die Freude über die Auszeichnung von „Black Panther“ folgt eine Bud-Spencer-Doppelwatsche: „Bohemian Rhapsody“ wird in den Kategorien „Best Editing“, „Best Sound Editing“ und „Best Sound Mixing“ ausgezeichnet. Brian May klatscht, dass die Wolkenfrisur wackelt und die Handflächen bluten.

Trendfrisur 2019 bei den Frauen: angeklatschter Bob mit leichtem Seitenscheitel, ich weiß nicht, was das Gegenteil von Volumen ist, aber Charlize Theron und Emilia Clarke tragen das jetzt am Kopf. Ansonsten trägt man entweder Glitzerkleid (Jennifer Lopez und Brie Larson) oder Rosa. Egal ob man The Queen (Helen Mirren) oder Aquaman ist, das Beste an Jason Momoas hellrosa Anzug war allerdings das Samtscrunchie, das er am Arm getragen hat.

Üblicherweise sind die Song-Einlagen bei den Oscars ein guter Moment für ein paar Kniebeugen, Sonnengrüße oder einfach mal einen Toilettebesuch, aber das „Shallow“-Duett von Lady Gaga und Bradley Cooper wird dann in diesem host- und schmählosen (selbst John Mulaney bleibt hier blass und pointenlos) Abend zu einem Moment, der funktioniert. Würden in diesem Moment Credits zu rollen beginnen, wie in der Mitte von „Vice“, würde man das Publikum bitten, den Saal zu verlassen, niemand würde protestieren. Ich denke, dass Bradley Cooper seine Mutter deswegen zu den Oscars mitgenommen hat, weil ihre Anwesenheit das einzige ist, was ihn davon abhalten würde, mit Lady Gaga auf der Bühne rumzuschmusen.

Schön ist es auch, wenn man ganz fest mit dem Gewinn von Glenn Close rechnet, aber doch Olivia Colman für ihre Darstellung von Queen Anne in „The Favourite“ mit dem Oscar als „Beste Hauptdarstellerin“ ausgezeichnet wird.

„Roma“, Alfonso Cuarons Schwarz-Weiß-Drama, eine Anordnung von Cuarons Kindheitserinnerungen im Mexico City Anfang der 1970er Jahre, wird zwar in vier Kategorien ausgezeichnet (nominiert war „Roma“ in 10 Kategorien), u.a. Cuaron selbst als „Best Director“, doch der erwartete Triumphzug der Netflix-Produktion, für die kolportiert eine 30 Millionen Dollar schwere Kampagne gefahren wurde, bleibt angesichts dieser zerspragelten Oscars aus.

Mahershala Ali in „Green Book“, ein guter Schauspieler gefangen in einem schlechten Film, wird – wie erwartet – als „Best Supporting Actor“ ausgezeichnet, dass aber „Green Book“, der tranige Topfen, dann aber den Oscar als „Best Picture“ entgegennehmen wird, damit rechnet man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „The worst picture winner in more than a decade“, schreibt die Los Angeles Times.

Während „BlacKkKlansman“ ein dramaturgisch nicht immer runder, aber bewegender, packender und weitaus interessanterer Film über race relations ist, zeichnet die Academy den braven, vorhersehbaren „Green Book“ aus. Ein Film, der nicht einfach die wahre Geschichte eines schwarzen Pianisten erzählen kann, sondern die Figur im Grunde nur als Drehbuchtool verwendet, um seine weiße Filmfigur bis zum Grande Finale unterm Weihnachtsbaum zu einem besseren Menschen zu machen.

Spike Lee

APA/AFP/Robyn Beck

Immerhin, den Preis für „Best Adapted Screenplay“ kann „BlacKkKlansman" mit nach Hause nehmen und Spike Lee verschafft dem drögen Abend mit seiner Rede (und seinem Anzug und seinen „Do the right thing“-Ringen) einen sprachlichen und inhaltlichen Höhepunkt, spricht vom Black History Month, von gesellschatflicher Verantwortung, von der US-Präsidentenwahl, die um die Ecke kommt. 1990 war Spike Lee für „Do the Right Thing“ erst gar nicht nominiert, als mit „Driving Miss Daisy“ ein Film als „Best Picture“ ausgezeichnet wurde, der wohlmeinend war und in dem eine schwarze und eine weiße Figur viel gemeinsam im Auto gefahren sind und viel übereinander gelernt haben. 30 Jahre später ist Lee für „BlacKkKlansman“ zwar nominiert, doch der sentimentale Autofahrfilm triumphiert nochmal.

Alfonso Cuaron wird als „Best Director" ausgezeichnet“ und man wiegt sich in getroster „Roma“-Doppelspitzen-Sicherheit, da öffnet Julia Roberts das Kuvert und verkündet, dass „Green Book“ der Gewinner in der Kategorie „Best Picture“ ist. Spike Lee soll darauf den Saal verlassen haben.

Let’s do the right thing, sagt Spike Lee zum Abschluss seiner Rede, als er den Oscar für das „Best Adapted Screenplay“ entgegennimmt und - auch wenn ich jetzt von der Politik scharf abbiege zu den Oscars zurück: Ich würd das gern jedem einzelnen Academy-Mitglied auch auf einen Polster sticken. „Green Book“ und „Bohemian Rhapsody“ als Zusammenfassung des vergangenen Filmjahres? Die Bohemian und die Brohemian Rhapsody? Oh boy. Wie singt Jackson Maine in „A Star is Born“? Maybe it’s time to let the old ways die.

Studiotalk: Das war die Oscarverleihung

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