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Rocko Schamoni macht ein Selfie von sich mit seinem Buch

Claus Diwisch/ radio fm4

Rocko Schamoni über die große Freiheit

Auf der Suche nach dem Exzess, einem guten Leben und dem Untergang des Spießertums - Rocko Schamoni befasst sich in seinem neuen Roman „Große Freiheit“ mit der Geschichte eines Puffbesitzers auf St. Pauli in Hamburg. Die Freiheit sucht dieser in einem von Prostitution, roher Gewalt und Musik geprägten Umfeld.

Von Claus Diwisch

Rocko Schamoni hat schon 2004 mit seinem autobiographischen Bestsellerroman „Dorfpunks“ das Lebensgefühl der Freiheit besungen. Anfang der 80er Jahre beschreibt er seine Jugend als Punk in Deutschland. Und dabei spürt man das Verlangen nach „mehr“ – nach einem aufregenden Leben und Revolution.

Sendungsbild Interview Podcast

Radio FM4

Das ungekürzte Gespräch mit Rocko Schamoni gibt’s hier im FM4 Interview-Podcast.

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In dem neuen Roman „Große Freiheit“ befinden wir uns auch im Kampf gegen das Etablissement, allerdings in den frühen 60er Jahren in Hamburg, als die Beatles gerade ihre ersten Auftritte haben und der Konsum von Pornofilmen in Deutschland verboten ist. Die Geschichten in dem Buch sind wahr – die grausamen Beschreibungen von sinnloser Gewalt in den Kneipen genauso wie die Prostitution und natürlich auch die Geschichte von Wolfgang „Wolli“ Köhler selbst. Seine Geschichte ist es nämlich, die erzählt wird.

Wolfgang „Wolli“ Köhlers Lebensgeschichte

2017 ist der legendäre Puffbesitzer verstorben und als Freund hat Rocko Schamoni ihm ein Denkmal gesetzt und seine Lebensgeschichte in einen Roman gepackt: Wolli ist einer der Leute, die dank ihrer Ehrlichkeit, Fassung und sozialen Kompetenz ihre Ziele leicht erreichen, aber dennoch nicht zufrieden sind, die sich nehmen, was sie sehen, aber trotzdem niemandem etwas wegnehmen wollen. Und Wolli stolpert dabei in einen popkulturellen Urknall.

Der Roman streift eine Zeit des Umbruchs und blickt dabei fast depressiv, niemals ans Ziel kommend, auf das Verlangen nach Unabhängigkeit und Freiheit. Der Blickwinkel ist so gewählt, dass selbst Wollis Erfolge und Abenteuer auf dem Kiez so wirken, als wären sie für das eigentliche Begehren kaum von Bedeutung. Die Aufbruchphase der 60er war auch ambivalent - zwischen dem Straßenstrich und der Kunst liegt vor allem viel Dreck.

Cover "Große Freiheit"

Hanser Literaturverlage

„Große Freiheit“ von Rocko Schamoni ist bei hanserblau erschienen.

Als die Beatles ihre ersten Auftritte in St.Pauli haben, glaubt Wolli zu wissen, dass sie keine große Zukunft vor sich haben. Aber diese Auftritte, und die vieler anderer Bands, die folgen bis der Star-Club zum angesagtesten Club weltweilt wird, belegen, wie einzigartig die Zeit und diese Gegend war - eine Zeit des Begehrens, des Umbruchs und der Absage an alle Regeln.

Eine Zeit des Umbruchs

Im Interview klingt Rocko Schamoni begeistert, wenn er über diese Zeit spricht, die er nur in seiner Kindheit am Rande mitbekommen hat: „Die Entwicklung von Popmusik an vorderster Front in der Welt. Diese ganzen englischen Beat-Bands, die gekommen sind, die hätten eventuell ohne ihren Umweg durch Hamburg gar nicht ihre Karriere gemacht, die haben sich da professionalisiert. Außer Elvis waren alle großen Stars im Star-Club, die größten Stars der Welt.“, sagt er euphorisch.

Die Geschichte von Wolli Köhler ist deshalb so interessant, weil sie eine kulturelle Bedeutung hat - auf dem Kiez spielte sich das Leben ab, das Leben der Künstler, die tiefe Begierde der Freier, die Handgreiflichkeiten, all das war der fruchtbare Nährboden für Kunst und Musik. Damals sind Dinge nicht gesamplet worden, sondern entstanden.

Gegen wieviele Gefangenschaften muss man kämpfen, bis man frei ist? Rocko Schamoni findet eine deutliche Antwort: Jede Aufgabe kostet eine Freiheit. Und die Revolution ist nur so lange eine Revolution, so lange es etwas gibt, gegen das man protestieren kann oder wie Jean Genet im Vorwort zitiert wird: „Ich möchte, dass die Welt sich nicht verändert, damit ich mir erlauben kann, gegen die Welt zu sein.“

Das Begehren nach einem Abenteuer

Rocko Schamoni ist auf Lesetour!
Am 25. Mai 2019 kommt er mit seinem neuen Roman nach Wien in das WUK.

Der Roman wurde von der Presse wenig gelobt und es stimmt auch, dass man sich keine allzu tiefe Auseinandersetzung mit den Charakteren erwarten darf, die in erster Linie der Realität nachempfunden sind. Aber Rocko Schamoni macht viel gewohnt richtig – er beschreibt das Begehren nach einem Abenteuer, nach Wildheit und dem Exzess, nach der Popkultur und dem Ende des Spießertums - das größte Unglück: eine schöne Doppelhaushälfte. Und er wird dem Thema und vor allem Wolli Köhler gerecht.

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