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Konzert von The Prodigy

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R.I.P. Keith Flint von The Prodigy

Keith Flint, ikonischer Frontmann der britischen Electronic-Rockband The Prodigy, starb im Alter von 49 Jahren. Ein Nachruf.

Von Eva Umbauer

Im Herbst wäre Keith Flint 50 Jahre alt geworden. Demnächst wären The Prodigy mit ihrem neuen Album auf US-Tour gegangen. Aber Keith Flint, der Sänger und Rapper von The Prodigy, ist laut Medienberichten in seinem Haus in Essex tot aufgefunden worden. Er wurde nur 49 Jahre alt. Nach Bandangaben verübte Flint Suizid.

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Es war irgendwann in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, im Sommer oder Herbst 1996 muss es gewesen sein, denn das Stück „Firestarter“ war neu und begann gerade das Vereinte Königreich zu entzücken. Also fuhren wir - ein englischer Musikjournalisten-Freund und ich - von London mit dem Zug hinunter nach Brighton. In der Nähe, irgendwo auf einem Feld, spielten The Prodigy.

„I’m the trouble starter, punkin’ instigator. I’m the fear addicted, a danger illustrated. I’m a firestarter, twisted firestarter!“
(The Prodigy - „Firestarter“, 1996)

Mein Freund R., der ansonsten eher von Britpop und Bands wie Elastica oder Sleeper begeistert war, meinte, ich müsse unbedingt The Prodigy sehen, weil das etwas Einzigartiges sei: Ein introvertierter, am Piano ausgebildeter Songschreiber und Techno-Head namens Liam Howlett als Knöpferldreher, aber vor allem Keith Flint, dieser wilde Typ mit dem nackten Oberkörper, dem Metall im Gesicht, den schwarzgeschminkten Augen, der Glatze und den zwei kleinen „Hörnern“ am Kopf - oder war es da gerade die grüne Punkfrisur?

Höhepunkt der Britpop-Ära

Ich staunte als ich den „Teufelskerl“ tatsächlich nun zum ersten Mal live sehen sollte. Keith war mehr als der tanzende Hofnarr einer Band - er hatte tatsächlich als Tänzer begonnen bei The Prodigy -, die neben Britpop-Stars wie Oasis nun für erfolgreiche Musik aus England stand.

Keith Flint gab The Prodigy ein Gesicht, er machte sie als Berserker-hafter Frontmann samt Ostlondoner Arbeiterklasse-Akzent zur Rockband. „Firestarter“ war das erste Prodigy-Stück, bei dem Keith als Sänger ran durfte. Aber auch beim nächsten Prodigy-Smash, „Breathe“, war Keith Flint der Frontmann, sowie bei weiteren Songs am 96er-Album „Fat Of The Land“, das bis heute das meistverkaufte britische Dance-Album ist.

Ich als Gitarrenpop-Fan mochte damals englische Electronic-Bands, die in den 90er Jahren hochgekommen waren, wie etwa The Chemical Brothers oder andere Electronic Artists, an denen man nicht vorbeikam - etwa Fatboy Slim, aber The Prodigy waren anders.

The Prodigy waren härter, rauer, dunkler, punkiger, viel mehr hardcore und auch - mit Keith Flint - glamouröser, aber auf eine kontroversielle Art und Weise, etwa mit dem Stück „Smack My Bitch Up“.

Spätestens 1997 waren The Prodigy Stars in England und man konnte Liam Howlett bei Festivals am Bühnenrand anderer Bands stehen sehen, zusammen mit seiner Frau Natalie Appleton von der Popband All Saints, die coolste der damaligen britischen Girlbands. Ihre Schwester Nicole Appleton ging nun mit Liam Gallagher von Oasis aus. Es war der Höhepunkt der Britpop-Ära.

Liam Howlett war der Kühle, der Unnahbare, das Hirn von The Prodigy, während Keith Flint den extrovertierten Clown in diesem großen hedonistischen Rock´n´Roll-Zirkus der 90er gab. Dass der stets lustige Clown im Inneren aber immer tief traurig ist, weiß man, aber man möchte es eigentlich gar nicht wissen, denn der Clown ist eben der Clown und hat zu funktionieren.

Später nahm Keith Flint seine Piercings aus dem Gesicht, oder zumindest die meisten davon, wischte sich die Horror-Clown-Schminke ab, trug nun eine Mütze im Stil englischer Landadeliger - und wurde Pub-Besitzer im Osten von London. Nicht weil er das musste, sondern es wollte.

Keith Flint beim FM4 Frequency

Patrick Wally / FM4

Essex Boy

Essex, das weite „Wasteland“ im Osten von London, war/ist die Heimat von Keith Flint und The Prodigy, und dort befand sich auch sein Pub, in dem ihn englische Journalisten seit 2014 immer mal gerne aufsuchten, um zu plaudern, wie das denn so sei als Pub-Landlord und mit den Motorrädern und seinem Rennteam, das Keith Flint gegründet hatte. Keith Flint war dabei stets ein humorvoller Gastgeber. Seit vorletztem Jahr war er aus dem Pub ausgestiegen, sein Racing-Team hingegen betrieb er nach wie vor erfolgreich.

Keith Flint traf den DJ Liam Howlett Ende der 1980er Jahre bei einer Rave-Party östlich von London und fragte ihn, ob man nicht zusammen eine Band gründen wollte. Liam Howlett sollte seine Mixtapes spielen und Keith Flint und ein Freund von ihm - Leeroy Thornhill - würden dazu tanzen und Stimmung machen.

Anfang der 1990er Jahre bekamen The Prodigy ihren Plattenvertrag beim Londoner Plattenlabel XL-Recordings. Nach einem ersten Album wurden sie mit dem nächsten namens „Music For A Jilted Generation“ bekannt. Das Album erreichte in Großbritannien die Nummer eins der Charts. Es enthielt viele harte Breakbeats, Jazz-Funk-Grooves, elektrische Gitarren, Hip-Hop-Einflüsse und einen ungewohnt harten Dance-Track - „No Good (Start the Dance)“.

„Music For A Jilted Generation“ - ohne musikalische Beiträge von Keith Flint - bereitete den Weg für das epochale „Fat Of The Land“ - die Stunde von Keith Flint war gekommen. Vom Einpeitscher bei Konzerten von The Prodigy zum ikonischen Frontmann einer großen Band.

Diese gewisse raue Unruhe

Ich verlor später irgendwann den Bezug zu The Prodigy, ob und wann Keith Flint sang oder nicht, ob er Songs geschrieben hatte für ein Prodigy-Album oder nicht, ich wusste es nicht. Vor fünf Jahren aber spielten The Prodigy beim Nova Rock Festival im Burgenland. Und dann, es muss vor vier oder fünf Jahren gewesen sein, sah ich The Prodigy beim FM4 Frequency Festival - und dachte dabei leicht nostalgisch, in Erinnerungen schwelgend, an dieses Konzert Ende der 90er Jahre irgendwo auf einem Feld nahe Brighton und hatte kindliche Freude am Prodigy-Auftritt und mit dem Band-Interview.

Das damals aktuelle Album, „The Day Is My Enemy“, - mit dem Fuchs am Cover - brachte mir diese gewisse raue Unruhe von The Prodigy, die ich immer so mochte, wieder zurück. Gleichzeitig war die Band gewachsen und ließ sich von einem wunderschönen Klassiker wie dem 1930er-Jahre-Song „All Through The Night“ vom Amerikaner Cole Porter inspirieren.

Der Fuchs am Albumcover, der vor allem nachts die Ränder der Großstadt frequentiert, auf der Suche nach Verwertbarem, er ist ein getriebenes Tier. Wenn der Morgen kommt, ist der Fuchs verschwunden, denn das grelle Tageslicht ist ihm zu viel, die Dämmerung und die Nacht sind seine Zeit, so wie Dämmerung und Nacht die Zeit der Musik von The Prodigy sind/waren - fast eine Obsession von Liam Howlett.

Auch Keith Flint hatte eine aktive Rolle als Songschreiber bei diesem Album „The Day Is My Enemy“, und auch auf dem aktuellen Album, „No Tourists“, das letztes Jahr erschienen ist.

Konzert von The Prodigy

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Zuletzt war Keith Flint mit The Prodigy auf Australien-Tour. In der Nacht von gestern auf heute hat ihn, der an Depressionen gelitten hat, die Dunkelheit für immer eingehüllt und seine Seele mit sich genommen, damit er den Tag nicht durchstehen muss. Liam Howlett von The Prodigy schrieb auf der Instagram-Seite der Band zum unerwarteten Tod seines Freundes und Bandkollgen: „The news is true, I can’t believe I’m saying this but our brother Keith took his own life over the weekend.“

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