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Bergführer Toni Moßhammer und Guido Unterwurzacher

Simon Welebil

Pros & profiles

Die Bergführer Guido und Toni wollen echte Bergerlebnisse statt Inszenierungen

Im traditionsbewussten Bergführerwesen begegnet man Neuem wie Social Media Marketing oft mit Skepsis. Toni Moßhammer und Guido Unterwurzacher hingegen haben sich mit authentischen Postings eine recht feine Nische geschaffen.

Von Simon Welebil

Wahrscheinlich kommt es nicht so oft vor, dass Toni Moßhammer seinem Freund und Partner Guido Unterwurzacher Vorwürfe macht. Aber dass Guido ausgerechnet in den unverspurten Tiefschneehang eingefahren ist, bevor die Filmer und Fotografen in Position gegangen sind, ärgert ihn dann doch ein bisschen. „Ich hab nicht gewusst, dass wir genau da filmen wollen“, entschuldigt er sich.

Es passiert äußerst selten, dass Toni und Guido Fotos und Videos inszenieren. Doch um auch für ihre Sponsoren etwas mit mehr Wert zu schaffen, haben sie 2018 erstmals die Legend Days ins Leben gerufen. Die Legend Days sind als zweitägiges Freetouring-Abenteuer konzipiert, das von einem Video- und Fototeam begleitet wird, um professionellen Content für Social Media zu generieren. Wenn mit dem Schweden Reine Barkered dann noch ein bekannter Name der Freeride-Szene dabei ist, umso besser.

Guido Unterwurzacher springt

Timeline Productions

Toni Moßhammer wirft sich für die Fotografen in Pose

Die beiden Mittdreißiger Toni und Guido wissen um die Relevanz von Social Media. „Wir posten Sachen als Appetizer, damit die Leute dann anbeißen“, sagt Guido Unterwurzacher. Je nach Saison sind das Bilder vom Freeriden oder vom Klettern, mit denen die beiden bei potenziellen KlientInnen Hunger auf Bergerlebnisse erzeugen wollen.

Für ihre Alpinschule Rock’n’Roll haben sich diese Appetizer bisher durchaus ausgezahlt. In den letzten zwei bis drei Jahren hätten sie nach bestimmten Postings konkrete Anfragen bekommen, wo sie gerade unterwegs seien und wie man mit ihnen auf Tour gehen könne.

Das Verkaufen von Emotionen

„Im Endeffekt verkaufen wir nur Emotionen und wir erfinden das Produkt nicht neu", so Toni Moßhammer. „Die anderen Bergführer machen im Prinzip nichts anderes.“ Mit Instagram-Postings sprechen sie allerdings ein jüngeres Publikum an, das mit ihnen Spaß im Gelände haben will. „Wenn wir ein lässiges Abfahrtsfoto posten, dann reagieren die Leute entsprechend darauf“, sagt Toni - nicht nur mit Likes, sondern mittlerweile auch mit Buchungen.

Bergführer Toni Moßhammer und Guido Unterwurzacher

Simon Welebil

Die lässigen Abfahrtsbilder, Bilder vom Klettern oder Sonnenuntergänge hinter einem Gipfelkreuz sind dabei durchaus Schnappschüsse, mit denen sie beim Guiden oder auch privat am Berg, die schönen Momente einfangen. Toni erinnert sich etwa an eine „Riesen-Brezn“, die er perfekt auf ein Foto gebracht hat, und die er einfach an die Community weitergeben wollte. Mit solchen Bildern und den Gefühlen, die mit ihnen transportiert werden, wollen sie Sehnsucht nach mehr Zeit am Berg wecken, „vielleicht nicht gerade mit dem Kopf unter dem Schnee, wie bei der Brezn, sondern vielleicht am Abend am Gipfelkreuz und den Berg genießend.“, so Guido Unterwurzacher.

Strategie: Bauchgefühl

Gepostet wird auf ihrem Insta-Account übrigens nach Bauchgefühl. Nicht das einzelne Posting, sondern das ganze Profil ist dann die Visitenkarte der Alpinschule, über die potentielle KundInnen ein Gespür bekommen sollen, was die beiden machen und wie sie ticken. Über allem steht das Buzzword Rock’n’Roll.

Guido Unterwurzacher und Toni Moßhammer bedienen mit ihrer Alpinschule eine Nische im Bergführerwesen. „Wir wollen keine klassichen Großlockner-Kunden haben, die den Berg buchen und sagen ‚Ich will hier rauf‘. Wir wollen Leute haben, die für den Tag leben und auch eine Inspiration haben, wenn es mal nicht so hinhaut.“, sagt Toni Moßhammer.

In Bezug auf ihre Kunden heißt das, dass sie ein hohes Maß an Können mitbringen müssen, weil ihre Bergführer kaum Anfänger-Sachen machen wollen. Im Winter, wenn Freeriden ihre Haupteinkunftquelle ist, gehen sie mit Fortgeschrittenen oder Profis ins Gelände. Im Sommer zieht der Name Guido Unterwurzacher, dessen Kletterbiographie beindruckende Routen aufweist, auch Leute an, die extremere Projekte verwirklichen wollen.

Das Bergfeeling leben

Was Guido und Toni besonders wichtig ist, ist Authentizität. Die beiden leben das Kletter- und Bergfeeling schon seit zwei Jahrzehnten und unterscheiden sich damit von vielen Selbstdarstellern auf den Social Media-Kanälen. „Wir möchten uns nicht darstellen.“, sagt Guido Unterwurzacher, räumt aber ein, dass das in Social Media-Zeiten zu einem gewissen Grad unumgänglich sei. „Wir verkaufen aber kein extrem schräges Bild von uns, das hinten und vorne nicht zusammenpasst, wie es bei Social Media-Heroes immer wieder vorkommt, bei denen man total enttäuscht ist, wenn man sie live trifft.“

Toni Moßhammers Follow-Empfehlung

„Stevefuckingschneider ist ein verrückter Typ und guter Radfahrer, den ich mir gerne am Häusl ansehe. Pure Unterhaltung.“, sagt Toni Moßhammer.

Guido kennt auf Social Media nicht nur die Perspektive des Dienstleisters, sondern auch die des Profi Sportlers, der auf den Social Media-Hero allerdings verzichtet. Die Anforderungen, die Sponsoren mittlerweile an Athleten stellen würden, gehen an seinem Weltbild vorbei. Manche Firmen hätten durch Social Media den Bezug zum direkten Sport verloren. Statt darauf zu schauen, wer ein Athlet ist, was er macht und verkörpert, würden sie nur mehr auf die Zahlen blicken, die er nach außen trägt. Dass die Reichweite von Postings mittlerweile den Marktwert von SportlerInnen bestimmt, sieht er als traurige Entwicklung.

Die Diskrepanz zwischen Online und Realität geht Guido und Toni ohnehin gegen den Strich. Guido schimpft über das Kurzlebige der Social Media-Welt, darüber, dass man sich im Moment des Runterfahrens schon auf das Posting im Lift konzentriert, welche Hashtags dazu geschrieben werden etc. „Man sollte die Reality wieder mehr genießen und Social Media auch mal Social Media sein lassen.“, sagt er. Nicht das aufgesetzte, sondern das grobkörnige, echte Bergerlebnis zählt für ihn.

Bergführer Toni Moßhammer und Guido Unterwurzacher

Simon Welebil

Tonis Handschuh als Botschaft?

Obwohl Social Media den beiden Bergführern die Arbeit erleichtert (heutzutage kann man sich etwa rasend schnell über aktuelle Bedingungen am Bianco-Grat oder am Matterhorn informieren), ihnen Aufträge und KundInnen bringt, die sie sich wünschen, blickt Guido fast neidisch auf seinen Kollegen Much Mayr, der Social Media-Arbeit total boykottiert: „Das ist in der jetzigen Zeit was Besonderes, wenn man das links liegen lässt und dafür mehr Zeit in der Realität hat.“

Mit solchen Vorbildern kann man dann auch leichter verstehen, dass Guido nach der versauten Filmaufnahme am Tiefschneehang nur kurz den Kopf gesenkt hält, bevor er Toni mit breitem Grinser anschaut: „Ich wär auch in den Hang reingefahren, wenn ich vom Filmen gewusst hätte.“

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