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Cover "Crushing" von Julia Jacklin

Liberation Records

musik

Good At Falling Out Of Love

Das Ende einer Beziehung hat schon oft gute Musik hervorgebracht. Zwei aktuelle Empfehlungen: Julia Jacklin mit „Crushing“ und The Japanese House mit „Good At Falling“.

Von Lisa Schneider

Eine Trennung birgt wenig Schönes - außer, der Schmerz wird zu Musik. Fleetwood Mac, Bob Dylan oder Joni Mitchell, Amy Winehouse, Lykke Li oder Taylor Swift - sie alle bespielen mit ihren Alben die „Break Up-Album“-Bestenlisten. Im Netz sind diese sehr zahlreich zu finden.

Hoffentlich ebenfalls bald gelistet: Die australische Musikerin Julia Jacklin und die englische Musikerin Amber Bain, die unter dem Namen The Japanese House Musik veröffentlicht.

Julia Jacklin - „Crushing“

Wir sitzen im Auto, du erzählst die Geschichten. Sie sind so einfach wie eindeutig, traurig wie selbstkritisch. Und manchmal lustig. „Crushing“ von Julia Jacklin anzuhören, fühlt sich an wie ein anekdotenreicher Roadtrip mit einer guten Freundin.

Cover "Crushing" von Julia Jacklin

Liberation Records

„Crushing“ von Julia Jacklin erscheint via Liberation Records.

Es sind Songs, die sofort unter die Haut kriechen, so direkt, verständlich, nachvollziehbar. Bei herrlichen Sätzen wie „I started listening to your favorite band / the night I stopped listening to you“ („You Were Right“) muss man kurz an den eigenen Ex-Menschen denken - und was es eigentlich für ein Befreiungsschlag war, das Aus. Wenigstens die Musik war gut.

„Crushing“ ist bereits das zweite Album der australischen Musikerin Julia Jacklin. Sie wächst in den Blue Mountains vor Sydney auf, nennt ihre erste LP „Don’t Let The Kids Win“, eine kleine, in Folk- und Countrytraditionen verhaftete Ode an die australischen Suburbs, die viel zu fade Vorstadt, das Ausbrechen-Wollen von zuhause, den Drang, die Welt zu erobern. Das Album wird bis nach UK hoch gelobt - was folgt, sind Monate auf Tour. Als Julia Jacklin nach Sydney zurückkehrt, fühlt sich plötzlich alles nicht mehr ganz so nach zuhause an. Ähnlich wie ihre damalige Beziehung.

„Crushing“ ist gleich mit dem Openingsong „Body“ der Versuch, das auf Tour und in der Beziehung zurückgelassene Selbst wiederzufinden. Den Fuß am Gaspedal, ohne Furcht vor dem Aufprall: „Eyes on the driver / hands in my lap / heading to the city to get my body back“.

„I’m not a good woman when you’re around“, singt Julia Jacklin auf „Body“ und führt den Wunsch nach Selbstbestimmung auf „Head Alone“ fort: „I don’t want to be touched all the time / I raise my body up to be mine.“ Die Lyrics sind genauso minimalistisch und direkt wie die Instrumentierung des Albums. Gitarre, Snare- und Kickdrum, ab und zu ein bisschen Klavierbegleitung.

Mit stürmischer Überzeugung geht es also weg von dieser alten Beziehung und dahin, sich durch die allfälligen sozialen Gräuel nach der Trennung schlagen („Pressure To Party“), um sich irgendwann einzugestehen, dass der Vorsatz zwar gut war, die Umsetzung aber nicht so einfach ist. „Don’t know how to keep loving you / now that I know you“ ist der zurückgelehnte Downer der ersten, feurigen Aufbruchsstimmung. Immerhin ist man irgendwie doch zusammengewachsen, zum Kugelmenschen, frei nach Platon.

Wo sich in Selbstmitleid und -zerfleischung sonst gern schnell Pathos breitmacht, kippt Julia Jacklins Ton ins Ironische. „You were right / and I liked it / you were wrong / I’m a good friend“. Langsam, aber sicher kehrt das Selbstbewusstsein zurück.

Für Fans von Courtney Barnett, Laura Jenkins, Weyes Blood, R.E.M. (Man On The Moon!) und einem kalten Glas Rachebier.

The Japanese House - „Good At Falling“

Stilistisch sind wir bei „Good At Falling“ von The Japanese House in einer ganz anderen Ecke gelandet. Deftiger Einsatz von Autotune gleich im Intro, dem zuerst gedämpften, dann brodelnden „Went to meet you“. Waren die ersten vier EPs von Amber Bain im Genre Elektrofolk/Indietronica angesiedelt, umreißt ihr erstes Album, wie sich Synthie-Dreampop im Jahr 2019 anhören muss.

Cover "Good At Fallin" von The Japanese House

Dirty Hit

„Good At Falling“ von The Japanese House erscheint via Dirty Hit.

Das Wattebauschgefühl, die traumartige Atmosphäre ist da, ganz dick und dicht und weich, Samples übereinander geschichtet zu undifferenzierbaren Klanggebilden. Stimme und Vocoder, zu Einem verschmolzen. Als hätten sich Imogen Heap und Bon Iver diesmal gemeinsam nicht in einer Waldhütte, sondern in einem sehr exklusiven, feinst ausgestattetem Studio getroffen und Tagebücher ausgepackt.

Dass gerade Amber Bain auf „Good At Falling“ ihr Innerstes nach außen stülpt, ist eine Überraschung. Als sie 2016 ihre erste EP veröffentlicht, gibt es keine Pressefotos, keine Erwähnungen ihres bürgerlichen Namens, schlicht und einfach nur den Namen ihres Soloprojekts „The Japanese House“. Und dann auch noch diese androgyne Stimme - großes Rätseln.

Zuerst nur als schön gedachte Idee, um diversen Gender- und Genrezuschreibungen zu entgehen, entsteht um das spannende, neue Popmysterium ein kleiner, ungewollter Hype. Es wird geflüstert, The Japanese House sei das Nebenprojekt von The 1975-Frontmann Matty Healy.

Der hat tatsächlich mit Amber Bain zu tun - insoweit er sie beim hauseigenen Label Dirty Hit untergebracht und auch gleich auf ihre erste große Stadiontour als Supportact mitgenommen hat. Viel wichtiger für Amber Bain war aber der Schlagzeuger von The 1975, George Daniel, der ihr erstes Album gemeinsam mit BJ Burton (Bon Iver, Francis And The Lights) produziert hat.

„Good At Falling“ ist insofern kein typisches Break-Up-Album, als dass es (nicht nur) den Schmerz nach der Trennung aufarbeitet. Auf diesen 13 Songs begleiten wir die Protagonistin vom Hochgefühl des ersten Verliebtseins auf „Maybe You’re The Reason“ („Everytime I try to figure it out / you’re the only thing I can think about“), hin zum langsamen Zerbröseln auf „We Talk All The Time“ („We don’t fuck anymore / but we fuck all the time, so it’s fine“).

Schließlich zum Eingeständnis, dass es einfach nicht passt auf „Lilo“ („I needed someone to depend upon / I was a loner, was emotional“), zu Einsamkeit und Selbsthass auf „Everybody Hates Me Now“.

Nach dem Auf und Ab steht dann ganz am Ende ein Song, so gut und elegant platziert, er heißt „I saw you in a dream“. „I saw you in a dream / You came to me / You were the sweetest apparition, such a pretty vision“, singt Amber Bain. Was im Hier und Jetzt als Beziehung nicht funktioniert, ist in einer heraufbeschworenen Traumwelt vielleicht besser aufgehoben.

In der Realität ist somit dann Platz für einen Neubeginn, und der startet wie nicht selten mit Selbsterkenntnis. Den Albumtitel „Good At Falling“ erklärt Amber Bain so: „It is a reminder to me that I am good at falling in love and I can survive falling out of it. I’m good at falling.“

Für Fans von Pale Waves, Bon Iver, Imogen Heap (dann auch gleich: Frou Frou), School Of Seven Bells, Maggie Rogers. Und dem Gefühl, sich morgens im Bett noch einmal umzudrehen.

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