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Jakob will frei sein wie ein Fisch

Der Roman „Die Freiheit der Fische“ von Sophie Reyer erzählt die Geschichte eines jungen, autistischen Mannes namens Jakob. Es ist eine Geschichte über jemanden, der einen Großteil seines Lebens so gelebt hat, wie er es wollte.

Von Sophie Liebhart

Jakob ist Autist und hat es in dem kleinen Tiroler Dorf, in dem er aufwächst, nicht leicht. Für den Vater ist er eine Schande für die Familie, die Mutter ist überfordert. Nach einem Aufenthalt im Pflegeheim trifft er eine Entscheidung, die sein weiteres Leben völlig verändert. Er beschließt, sein Elternhaus hinter sich zu lassen und ganz alleine in der Natur zu leben. Er richtet sich in einer Höhle ein, baut Getreide an und seine einzigen Verbündeten sind Tiere und Pflanzen.

Cover des Buches "Die Freiheit der Fische"

Czernin Verlag

„Die Freiheit der Fische“ von Sophie Reyer ist im Czernin Verlag erschienen.

„Es ist wieder kälter geworden. Wenn nichts mehr geht, lebt Jakob vom Himmel. Er lebt von der Wärme einer Katze in seiner hohlen Hand. Jakob lebt von Linien, Strichen und Formationen, die er in die Holzscheite und Steine kerbt. So sind seine Tage regelmäßig getaktet und ähneln einander. Feuermachen gibt Sicherheit. Das Sammeln von Beeren hält ihn in seinem Rahmen. Das Ausgraben der Wurzeln ist ein Halteseil, damit Jakob nicht aus dem Rhythmus fällt. Auch die Art und Weise, wie Licht und Schatten einander abwechseln, gibt einen Rhythmus vor.“

Mit der Entscheidung, alleine in der Natur zu leben, beginnt eine wichtige Entwicklung, die Jakob im Laufe des Buches durchmacht, sagt die Autorin, Sophie Reyer. Denn am Anfang ist er „ein sehr von Angst Besessener, weil ihm einfach die Welt zu dicht, zu laut, zu grell ist, weil er Angst vor Gesichtern hat, weil die Menschen ihm zu nahe kommen“..

Die Grenzen der Sprache

Jakob sieht die Welt anders. Personen sind für ihn wie Strukturen, seine Schwester Resi ist etwa eine Wölbung, weil sie ihn birgt wie eine Höhle. Der einzige Laut, den Jakob häufig von sich gibt: ein „A“. Sophie Reyer gelingt es, die Welt so zu schildern, wie Jakob sie sieht. Sie verwendet dazu eine durchaus gewöhnungsbedürftige Sprache, kurze, teils abgehackte Sätze. Um ihn möglichst authentisch darzustellen, war es wichtig, an die Grenze der Sprache zu gehen, sagt die Autorin.

Die Sprache verändert sich im Laufe des Buches - je nachdem, wie es Jakob gerade geht. Gut geht es Jakob immer, wenn er an seinem Lieblingsort, dem Herzensgrund, ist - ein Rückzugsort am Berg. Für diesen Bezug zu einem ganz bestimmten Ort hat Sophie Reyer sich von schamanischen Erzählungen inspirieren lassen, in denen man davon ausgeht, dass jeder Mensch einen Ur-Ort hat. Dieser kann sich in der Welt um einen herum befinden, aber auch in einem selbst. Jakobs Herzensgrund steht für Sophie Reyer als Symbol für eine gewisse seelische Tiefe. Er ist aber auch wirklich tief, denn es gibt dort einen leuchtend blauen Bergsee.

„Später, als es Abend wird, geht Jakob zum Bergsee und stellt sich hinein. In den Bergfalten schlagen die Augen des Himmels. Das ist der Herzensgrund. Der Himmel wirft sein müdes Bild in den Teich. Seine Füße bleiben regungslos. Jakob testet das Stehen aus. Forscht nach Fischen. Sucht. Die Hände zittern nicht. Die Kälte kriecht nicht in einen Körper, der nicht da ist. Da, aber gleichzeitig auch nicht da. Ein Körper, der aus sich heraus ist. (...) Irgendwann jedoch nähert sich eines der Tiere und umschmeichelt Jakobs Fuß. Aus, denkt es in Jakob. Aber das ist kein Satz. Nur die Fische sind nicht so stumm. Sie dringen als Zittern ein in Jakobs Füße, schwimmen durch Jakobs fremde Füße hindurch. A, sagen sie. Gut, sagen sie. Klang, sagen sie. A, macht der Fisch. A, macht Jakob.“

Autorin Sophie Reyer

Privat

Sophie Reyer ist freischaffende Schriftstellerin und Autorin.

Nach einer wahren Geschichte

Die Figur Jakob ist nicht frei erfunden. Sophie Reyer hat ihre Erzählung an die wahre Geschichte eines autistischen Manns in Tirol angelehnt. Mithilfe von Zeitzeugenberichten und Erzählungen hat sie seine Lebensgeschichte rekonstruiert. Ähnlich wie der Jakob im Buch hat auch dieser Mann in der Natur gelebt. „Es gibt einige Berichte von Zeitzeugen, von Freunden und Bekannten, die erzählt haben, wie er zum Beispiel im Wasser steht und die Fische schwimmen zu ihm und kommunizieren mit ihm. Also es war so ein bisschen ein zweiter Heiliger Franz von Assisi“, sagt Sophie Reyer.

Sie möchte in ihrem Roman „Die Freiheit der Fische“ in den Mittelpunkt stellen, welche Kraft ein Mensch entwickeln kann, wenn er etwas wagt und so lebt, wie es für ihn selbst am besten ist. Jakobs Geschichte ist eine positive, trotz der vielen Hürden, die er zu meistern hat, sagt Sophie Reyer: „Er ist seinen Weg tatsächlich bis zum Ende gegangen und hat diese Erfüllung, die für ihn als Mensch passt, wo alle anderen sagen, nein, das geht ja nicht, so kann man nicht leben, die hat er dadurch, dass er das Leben so gelebt hat, wie er es wollte, hingekriegt.“

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