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Amanda Palmer

Allan Amato

artist of the week

Amanda Palmers persönlichstes Album

Das Leben macht keine Pause. Das dritte Soloalbum von Amanda Palmer heißt „There Will Be No Intermission“ und ist eine zutiefst persönliche Reise durch das letzte Jahrzehnt. Unser Artist of the Week.

Von Christoph Sepin

Alles beginnt mit einem Zitat des US-Comedian Bill Hicks: „The World Is Like A Ride In An Amusement Park“. Das Leben, wie das Einsteigen in eine Achterbahn, mit Höhen und Tiefen, Momenten der Wiederholungen und der Langeweile, der Spannung und des lauten Schreiens, vor Freude und vor Schmerz. Und am Ende dieser Vergnügungsparkattraktion wartet genau das: ein Ende. Und alles ist vorbei.

Dieses Zitat, am Anfang des neuen Albums von Amanda Palmer und auf den ersten Seiten des gleichzeitig veröffentlichten Begleitbuchs zu finden, könnte man als trist deuten, als fatalistisch und deprimierend. Das ist es aber nicht. Denn viele Dinge, die passieren, während wir auf dieser Achterbahn dahinrasen, die liegen in unserer Hand. „Wir haben ein paar Jahrzehnte, was soll man währenddessen machen?“, diese Frage stellt sich Amanda Palmer im Interview mit FM4.

Sekunden bevor wir zu sprechen beginnen, hat sie mit einem Klick eine Single veröffentlicht und zwei Konzerte in Österreich angekündigt. Jetzt wartet sie auf die Online-Reaktionen, die sie erst am Ende des Interviews sehen wird.

„In diesem Sinn haben wir komplette Kontrolle“, führt Palmer ihren obigen Satz weiter. „Wir haben freien Willen, wir können wählen: unsere Attitüde, unsere Beziehungen, ob wir rauf in den Himmel schauen oder nach unten auf den Boden.“

Amanda Palmer

Amanda Palmer

„There Will Be No Intermission“ ist Amanda Palmers persönlichstes Album. Das bedeutet einiges bei einer Musikerin, die große Teile ihres Privatlebens mit der (Online-)Öffentlichkeit teilt. Verarbeitet werden darauf Erlebnisse aus den letzten Jahren: Es geht um Abtreibungen, Fehlgeburten, Krankheit, Selbstmord, Geburt und Tod. Ein Easy-Listening-Album ist das nicht, soll es aber auch nicht sein. „The Saddest Record In The World“, das war für kurze Zeit der Arbeitstitel von „There Will Be No Intermission“.

„Unsere Identität wird geschmiedet von den schwierigsten Erlebnissen in unseren Leben. Das war immer schon so“, sagt Palmer. „Was nicht bedeutet, dass wir von unseren Tragödien definiert werden. Aber wir können unseren Erfahrungen nicht entkommen. Von denen werden wir geformt und die machen tiefere, stärkere und hoffentlich empathische und mitfühlende Menschen aus uns.“

Zwanzig Lieder sind auf „There Will Be No Intermission“ zu finden, lange Tracks zwischen fünf und zehn Minuten, dazwischen doch auch Intermissions, kurze, theatralische Zwischenakte. Minimalistisch und reduziert sind die Instrumente unter Amanda Palmers Stimme, zu Langzeitbegleiterinnen wie Ukulele und Piano kommen auch Streicher und orchestrale Momente.

Schon mit den Dresden Dolls war Palmers Klavierspielen ein Verstärken der Emotionen, die sie in ihren Texten vermittelt: mal langsam, zögernd, ruhig, dann plötzlich aggressiv, impulsiv und frustriert - und damit auch einzigartig und typisch für die Musikerin. Auf „There Will Be No Intermission“ noch mehr als je zuvor.

„Das Album ist ein Paradox“, sagt Palmer. „Emotional und thematisch ist es das fortgeschrittenste, das ich je gemacht habe. Aber manche dieser Lieder haben einfach acht Minuten lang sich wiederholende Akkorde.“ Wie immer bei Palmer hört man dann genau hin, auf die intensiven Momente und Geschichten, die sie zu erzählen hat, wird hineingezogen in die musikalische Welt, ist den Tränen nahe, wenn Palmer selbst beim Singen der Lyrics den Tränen nahe ist, spürt Euphorie, wenn Euphorie vermittelt werden soll.

In all der Rohheit, den Komplexitäten des Lebens, die hier ohne Filter vermittelt werden, gibt es trotzdem ein simples Grundkonzept zu finden: „Shit happens, das ist das Thema des Albums. Das Leben ist unerbittlich. Aber wir können trotzdem weiterhin unsere eigene Einstellung wählen. Wenn alles weg ist, haben wir immer noch das.“

„There Will Be No Intermission“ ist das intensivste, das mitreißendste, das intimste Album, das Amanda Palmer jemals veröffentlicht hat. Und vielleicht das Magnum Opus der Musikerin. Die gesamte Einzigartigkeit, das Herausragende von Palmer wird hier in Perfektion demonstriert: Lieder, voll mit Emotionen über die unbarmherzige Welt. Die aber trotzdem voller Humor und Liebe sind, voller Optimismus und Momente der zeitlosen Schönheit.

Im Herbst kann man dieser ganzen Erfahrung dann live folgen, wenn Amanda Palmer für zwei Konzerte nach Österreich kommt. Am 14. September spielt sie im Konzerthaus in Wien und am 15. September im Stefaniensaal in Graz. Die Locations hat Palmer ganz bewusst so ausgesucht: „Ich hab diese wunderschönen Orte gewählt, mit ihren wunderschönen Konzertflügeln, und ich glaube, dass das etwas Mächtiges haben wird, in diesen Orten über diese Themen zu sprechen.“ Und noch einen letzten Ratschlag hat sie für die Besucher und Besucherinnen dieser Shows: „Bringt Taschentücher mit. Es wird eine intensive Show. Das ist alles, was ich versprechen kann“.

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