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Aktueller Musiktitel:

Steve Gunn

Matador Records

Der Folkrock-Singer/Songwriter Steve Gunn kommt nach Wien

In Europa ist die Musik von Steve Gunn noch ein eher gut gehütetes Geheimnis. Zeit, es zu lüften: Am 27. März wird der amerikanische Gitarrist und Singer-Songwriter sein aktuelles Album „The Unseen In Between“ live in der Arena Wien vorstellen.

Von Lisa Schneider

Dass der aus Philadelphia stammende Gitarrist und Singer-Songwriter Steve Gunn sein neues Solo-Album „The Unseen In Between“ nennt, ist eine schöne Sache: Sein Name fällt zuallererst immer im Zusammenhang mit seiner Zeit als Livebandmitglied von Kurt Vile. Dabei hat der mittlerweile 41-jährige Musiker in seiner Karriere schon insgesamt 14 Solo- und Kollaborations-Releases hinter sich.

Die Vorteile des Netzwerks

Gerade erst hat Steve Gunn das neue Album von Jazz/Folk-Legende Michael Chapman produziert. Auch während er an seinem eigenen neuen Album gearbeitet hat – dem zweiten Release am Label Matador - hat er gleichzeitig noch eines mit seinem rein auf Gitarre und Drums reduzierten Side-Projekt fertiggestellt (Gunn-Truscinski), einen Filmsoundtrack entworfen und war solo auf Tour.

Dabei klingt „The Unseen In Between“ so zurückgelehnt. Sein verästeltes musikalisches Netzwerk erdet und unterstützt ihn, so auch jetzt wieder: In seiner hervorragenden Studio- wie auch Liveband spielen Gitarrist und Produzent James Elkington, der Jazz-Schlagzeuger T. J. Mainani sowie Bob Dylans Bassist und Creative Director Tony Garnier.

Mit „New Moon“, dem ersten Song auf „The Unseen In Beetween“ öffnet sich Steve Gunns Kosmos aus Americana, Psychedelic und Folk-Dichtung, in diesem Fall Einschlag Fleet Foxes. Ein Song, der kurz nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA entsteht, zu einer Zeit voller ideologischer, aber auch privater Rückschläge für Steve Gunn. Die Isolation, das Haare Raufen, das alles glimmert unter der Oberfläche der nie expliziten Texte. Vielmehr ist es ein Stream Of Consciousness, ein freies Assoziieren, die poetische Formulierung dessen, was der Bauch sagt. Der Dichter John Ashbery ist für Steve Gunn, was Delmore Schwartz für Lou Reed war.

Von persönlichen Geschichten und schrägen Figuren

Am persönlichsten wird diese Art instinktiven Schreibens dann, wenn Steve Gunn seinem verstorbenen Vater, einem „hard working and hilarious man“ und Vietnam-Veteranen, in dem Song „Stonehurst Cowboy“ Tribut zollt:

„Back then friends, brothers and me / all got sent away / Came back feeling so undone, without much to say / Sat for hours, stared at your flowers, found ways to hide the pain.“

Die Verarbeitung von Verlust und Trauer soll noch ein weiteres Mal am Album auftauchen, in dem auf Gitarrenbegleitung reduzierten Song „Morning Has Mended“:

„I see you in a nothing sky / Now the morning is mended / You, moving through / As a likeness to defend it.“

Steve Gunn Cover "The Unseen In Between"

Matador/Beggars Group/Indigo

Steve Gunns Album „The Unseen In Between“ erscheint via Matador Records.

Neben der Figur seines Vaters sind es vor allem skurrile Gestalten, die durch die Songs huschen, Menschen am Rande der Gesellschaft, denen Steve Gunn seine Stimme gibt. „Chance“ heißt ein Song und ein junger Mann, man sieht ihn vor sich, kläglich, im Auto lebend, ohne Rücklagen oder Unterstützung:

„Bring him back is all he’ll ask / Stand him up and get on track / But there’s no way, back / And there’s no one calling home.“

Traurigkeit, Rebellion und Unterdrückung, die ohne Umschweife warm, fein, süß klingen. Die sonst selten eingesetzten Streicherarrangements ziehen den Song hinaus aus der Dunkelheit. Hoffnung ist trotz allem das große Thema.

Das Durcheinanderpurzeln schräger Charaktere setzt sich fort, sie alle sind seltsam, zerbrechlich, sympathisch. „Luciano“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der eine streunende Katze bei sich aufnimmt. „Vagabond“ trägt den Helden im Titel und die sinnsuchenden Figuren Mona oder Sean Pierre in der Geschichte. Ein Countrypopsong, angehaucht von Clapton-Klassikern wie „Layla“, das süße Leben draußen, am Land, während die Pistolen knallen und man ohnehin nie erraten kann, wohin der Weg führt:

„You’re a vagabond / Suitcase packed and you move along.“

Und am Ende des Albums steht da noch mit „Paranoid“ eine Ballade, die ganz schlicht und wunderschön, in Begleitung von Klavier und nur drei Major-Gitarrenchords daherkommt. Ein reduzierter Ansatz zieht sich durch und macht das Album zu Steve Gunns zugänglichstem. „Eine Noel-Gallagher-Ballade“, denke ich mir beim Hören. „Meine John-Lennon-Ballade“, sagt Steve Gunn in einem Interview. Es ist eine Generationenfrage, aber eines bleibt unverändert: Die einfachsten Dinge sind nicht selten die besten.

Amerikanisches Sittengemälde

Poetisch ist am Storytelling von Steve Gunn vor allem, dass die Songs im Kopf wie ein Film ablaufen. Es sind Bilder, die die behutsam ausgewählten Worte heraufbeschwören. Nicht nur im Song- sondern vor allem im Albumkontext als Ganzes: „The Unseen In Between“ als großes, amerikanisches Sittengemälde, das Menschen unterschiedlichster Herkunft an einem runden Tisch versammelt.

LIVE

Am 27. März spielt Steve Gunn in der Arena Wien.

Jeder und jede schleppt seine Vergangenheit mit, im Gepäck alles zwischen Freude, Trauer, Scham. Und nach 44 gemeinsamen Minuten des Geschichtenaustauschs, des Diskutierens über die Welt und ihren Zustand stellt sich heraus: Die Gemeinsamkeiten überwiegen die Unterschiede.

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