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Solange

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Solange entführt uns ins Houston der Zukunft

Solange Knowles ist mit ihrem vierten Studioalbum „When I Get Home“ zurück, einem frei assoziativen Scrapbook ihrer Emotionen, Wünsche und Erlebnisse in Musikform.

Von Dalia Ahmed

Vor wenigen Wochen erschienen auf der afro-amerikanischen Social Media- und Diskursplattform „Black Planet“ einige wenige Fotos, Gifs und kurze Videos. Solange, die RnB- und Neo-Soul-Sängerin, Songwriterin, Performancekünstlerin, Producerin und Schwester von Beyoncé kündigt damit ihr Album und die dazugehörigen Visuals an. Ganz schnell ist es dann auch schon da. „When I Get Home“, Solanges Houston Jazz/Trap/psychedelic Soul-Cowboy-Opera. Es ist zwar keine Oper im klassischen Sinn, aber ein episches 19-Track Ding, das uns in eine spacige, (US) Southern und afro-futuristische Welt entführt.

Still aus "When I Get Home"

Still: Solange - "When I Get Home"

Während Solange von ihrem vorigen Album, „A Seat At The Table“ meint, dass sie damals „viel zu erzählen hatte“, hat sie bei „When I Get Home“ „viel zu fühlen“. Vor allem das titelgebende „Nachhause kommen“ und „zu Hause sein“ wird da erfühlt. Solange Knowles packt alles in dieses Album hinein: Erinnerungen, Zitate, Referenzen, Wünsche, Rituale und auch den Input ihrer Freunde.

Solange bekommt viel Support

Denn „When I Get Home“ birgt eine ellenlange Featuregast-Liste. Teils sind es Solanges Lieblingskünstler und Südstaaten-HipHop-Helden wie Devin The Dude oder Scarface von den Geto Boys, aber auch ihre Zeitgenossen und Freunde, beispielsweise Earl Sweatshirt, mit dem sie die Liebe zu Tierra Whack teilt. Es scheint, als hätten sich Solange und Earl bei ihren jeweils neuen Alben ein bisschen Inspiration bei Tierra Whacks „Whack World“ Album geholt. Denn sowohl „When I Get Home“, als auch Earl Sweatshirts „Some Rap Songs“ sind frei flowende Alben, bei denen die Künstler*innen sich dem musikalischen Stream of Consciousness hingeben und ein Lied in das nächste fließt.

Earls Odd Future-Kollege Tyler, The Creator findet sich neben Sampha, Playboi Carti, Gucci Mane, Metro Boomin, Steve Lacy, sogar Panda Bear (von Animal Collective), natürlich Dev Hynes, Pharrell Williams und den einzigen beiden Frauen Abra und Cassie auch auf der Collaborators-Liste wieder.

Solange schafft es, all diese unterschiedlichen Künstler*innen so in ihr Projekt miteinzubeziehen, dass sie voll und ganz nach „When I Get Home“ klingen. Die Featuregäste beugen sich dem stilistischen Diktat des Albums. Sie gehen nicht unter, aber liefern auch nicht einfach nur ihr eigenes Ding ab. Die Gastauftritte klingen eher nach stundenlangen Improvisationen, wo Solange dann irgendwann auf Record drückt, wenn sie das Gefühl hat, dass alle im Studio endlich auf der selben Welle sind.

So ist „When I Get Home“ voll und ganz Solange Knowles und die hochkarätigen Gäste nur die, die wie die Instrumentalist*innen dabei helfen ihre Version zu Ton zu machen.

Alles ist H-Town

Der Sound des Albums steht in der musikalischen Tradition von Sun Ra, Stevie Wonders „The Secret Life of Plants“, Alice Coltrane und Steve Reich. Doch auch der Einfluss eines DJ Screws, einer Erykah Badu und Dev Hynes „Negro Swan“ ist unverkennbar. Der Haupteinfluss des Projekts bleibt aber Solanges Geburtsstadt Houston. Die Themen, die Spiritualität, die (örtlichen) Referenzen - alles ist H-Town.

Wie schon Beyoncé, erdet sich auch Solange mit ihrer Heimatstadt. Die Perspektive des Schwarze-Frau-Seins im Süden der USA macht ihre Geschichten authentisch. Am offensichtlichsten huldigt Solange den afro-amerikanischen Frauen über die Interludes. Die sketchhaften, teils fast schon komischen Einwürfe sind Pausen im Fluss des Albums, die ihn musikalisch und gedanklich immer wieder neu ausrichten. Nach jedem Interlude wechseln wir die Richtung.

Dabei stehen die Interludes selbst schon fast für sich alleine. Beispielsweise das Sample von Phyllicia Rashad beim Vortragen des Gedichts „On Status“ (auf „S McGregor“), oder die verstorbene queere Aktivistin und Poetin Pat Parker auf „Exit Scott“, oder auch die Inklusion eines Schnipsels der Fernsehshow „Vagina Power“ der Sex-Guru Alexyss K. Tylor, die durch ihre ausgefallene und direkte Art im partizipativen Atlanta TV-Kultstatus erreicht hat.

Texas, wie es leibt und lebt

Die historische und zeitgenössische Blackness wird aber nicht nur in Songform diskutiert. Vor allem die Visuals zu „When I Get Home“ sind Texas, wie es leibt und lebt. Solange nimmt uns mit zum Black-Rodeo, wo wir den Cowboys bei den waghalsigen Tricks zuschauen, zeigt uns intime Webcam-Aufnahmen, wo sie Body Rolls macht und twerkt. Sie inszeniert, wie schon auf den Songs des Albums, einzelne Motive und Ideen zu slicken Szenen. Der Film zu „When I Get Home“ ist ein meditatives, hyper-stylisches Arthouse-Projekt, das das Mystische in der (afro-amerikanischen, ergo US/globalen) Popkultur hervorhebt und uns Houston so zeigt, wie Solange es in Erinnerung hat, wie sie es aber auch in der Zukunft sieht.

Insgesamt ist „When I Get Home“ eine Ansammlung an Sketches, Ideen und Gefühlen, auf die Solange baut und mit denen sie improvisiert. Das alles mit einer Jazz- und Trap-Untermalung, die auch mal gechopped & screwed wird, in den Soul umkippt, in den Funk reinkracht oder einfach RnB-ig herumhüpft. Eine musikalische Meditation, über die Solange ihre Vocals haucht und die uns in die Galaxien ihrer Innenwelt einlädt.

Der FM4 HipHop-Lesekreis diskutiert Solanges „Almeda“

Der FM4 HipHop-Lesekreis kommt ab sofort immer in einer 1-stündigen Ausgabe. Diese Woche hat sich der FM4 HipHop-Lesekreis unter anderem mit Solanges „Almeda“ beschäftigt.

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