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Straße in Hanoi, Vietnam

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„weg“ von Doris Knecht ist ein Roman über das Elternsein

Doris Knechts neuer Roman führt vom Kamptal nach Kambodscha und erzählt vom Elternsein, vom Ängste überwinden und auch ein bisschen von FM4.

Von Barbara Köppel

Doris Knechts neuer Roman heißt „weg“. Weg wie nicht mehr da, verschwunden. Nicht wie der Weg, auf den man sich macht, obwohl genau das auch passiert.

Da sind zunächst zwei, die außer einer erwachsenen Tochter nichts gemeinsam haben. Er: Georg, Wirtshaussohn aus dem Waldviertel, der nach einem Lebensabschnitt als Kellner und Vinylliebhaber in Wien den Betrieb seiner Eltern übernimmt und zu einem down-to-earth Bobo-Lokal für Wochenendausflügler macht. Sie: Heidi, eine biedere Kleinstadtdeutsche, die Angst vor Veränderungen hat und noch nie in ihrem Leben geflogen ist. Lotte, die Tochter, ist ihnen quasi passiert, beide haben inzwischen neue Familien, und nun meldet sich Lotte nicht mehr. Sie ist zwar schon an der Uni, aber sie hat psychotische Schübe und steuert, da sie vermutlich ihre Medikamente abgesetzt hat, auf genau so einen zu. Die einzige Spur führt nach Vietnam.

Buchcover "weg" von Doris Knecht

rowohlt Verlag

Das Buch „weg“ von Doris Knecht ist im rowohlt Verlag erschienen.

„Diesmal hatte ich zuerst eine Form.“, sagt Doris Knecht im FM4 Interview. „Zwei Erzählstränge, die schließlich zusammenkommen sollten.“ Also treffen sich Heidi und Georg in einem klimatisierten Hotelzimmer in Ho-Chi-Min-City, vormals Saigon, von wo aus sie sich auf die Suche machen und zuletzt auf einer kambodschanischen Insel landen. Eine Reise, die Knecht selbst noch einmal unternommen hat, um die Atmosphäre richtig einzufangen: Hotelrezeptionen aus Fake-Marmor, bunte Plastiksesselchen vor dampfenden Straßenküchen, endlose Mopedkolonnen an den Ampeln und hilfsbereite Einheimische, die einem mit ihrem freundlichen Lächeln stets auch ein schlechtes Gewissen mit auf den Weg geben. Man selbst hat es ja so viel besser.

Raus aus der Wien-Waldviertel-Blase

„Ich wollte mal raus aus der Wien-Waldviertel-Blase, in der meine Bücher sonst immer spielen.“, so die Autorin, die selbst zwischen beiden Orten pendelt. Neben den Touristenpfaden in Südostasien beschreibt sie auch eine Reihenhaussiedlung in einem Kaff nahe Frankfurt als eine Art piefkinesische Wisteria-Lane, in der sich hinter den zurechtgestutzten Hecken tiefe menschliche Abgründe auftun.

Trotzdem kommt „weg“ nicht ohne Szenen aus, die sich im ureigensten Knechtschen Terrain abspielen. Da wird am Naschmarkt in Plattenkisten gewühlt, in Bars über Musik philosophiert oder eine Landstraße im Kamptal entlang gekurvt. Das fühlt sich beim Lesen dann so an, als würde man die Geschichte von Bekannten erzählt bekommen, und genau an der Stelle kommt im Buch auch FM4 vor. Als Elternsender. Die Kinder lachen, wenn Mama beim Autofahren laut mitsingt. Tja. Knechts Zwillinge werden demnächst 17, den Kolumnen der Mutter sind sie längst entwachsen, ihre Musik finden sie auf anderen Kanälen. Dennoch bleibt „der alternative Rocksender“ ein Fenster zur Welt, hält einen irgendwie jung und up to date. Überhaupt ist es ja die Elternperspektive, die hier wiedergegeben wird. Die permanenten Sorgen, die Vorstellung, sein Kind besser zu kennen, als es sich selbst, zugleich Vorwürfe und Selbstzweifel: Wie kann man je Vorbild sein, wenn man selbst nicht weiß, wie das geht, das Leben?

Autorin Doris Knecht

Pamela Rußmann

Doris Knecht ist Kolumnistin, DJ und Buchautorin. Bekannt ist sie vor allem durch ihre Kolumnen für diverse Magazine wie Falter und Kurier. „weg“ ist ihr fünfter Roman.

Die inneren Monologe der Eltern werfen immer wieder große Fragen auf: Welches Leid wiegt schwerer? Das „Armeleuteleid“ der ansässigen Bevölkerung, die oft ums nackte Überleben kämpft oder das der reichen weißen Europäer*innen, die das Glück ihrer Herkunft gar nicht zu schätzen wissen. „Sieht sie wie gut es ihr zuhause geht, wie privilegiert sie ist, spürt sie es hier?“, heißt es an einer Stelle. „Dass sie eine verwöhnte, europäische junge Frau mit guter Krankenversicherung ist, die eigentlich keine Sorgen hat? Sie müsste nur ihre Medikamente nehmen, die sie praktisch umsonst bekommt, nachdem sie von gut ausgebildeten, wohlmeinenden, interessierten Ärztinnen und Ärzten alle Hilfe bekam, die sie brauchte.“

Das Moped als Sinnbild für kulturelle Unterschiede

Unter diesen Vorzeichen könnte Doris Knechts Roman auch „Wie man auf einem Moped fahren kann“ heißen. Das Moped zieht sich nämlich fast leitmotivisch durch und wird zum Sinnbild für kulturelle Unterschiede und divergierende Lebenseinstellungen. In Vietnam fährt man nicht selten zu dritt, viert oder fünft auf zwei Rädern, mit Sack und Pack über lange Strecken. Hierzulande maximal zu zweit.

Das sind klare schöne Bilder in einem Roman, der sonst vom Innenleben seiner Protagonist*innen lebt, der in knappen Worten ganze Gefühlswelten vermittelt. Bereits auf den ersten eineinhalb Seiten ist klar, wie Georg und Heidi ticken, wie sie zueinander stehen. Genau so geht es auch weiter. Flott, deutlich und nie belanglos, nur leider viel zu schnell gelesen. Am liebsten möchte man ins Kamptal fahren und den Bobo-Wirten fragen, wie es seiner Tochter geht.

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