FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Stadia Logo

Google

Google will mit Stadia die Games-Branche aufmischen

Der Techgigant hat seinen Einstieg in die Games-Branche bekanntgegeben. Google Stadia wird eine ausgefuchste Cloud-Lösung sein, die von namhaften Spieleverlagen unterstützt werden wird.

Von Robert Glashüttner

Wir haben die Datencenter, wir haben die Kraft: Das war inhaltlich eine der ersten Aussagen bei der rund einstündigen Google-Pressekonferenz zur Games-Streaming-Plattform Stadia. Es ist erstaunlich, dass die Infrastruktur derart in den Vordergrund gestellt wird. Bisher haben Silicon-Valley-Konzerne ungerne öffentlich den Begriff data center verwendet, stand das doch synonym für Überwachung, Datenspeicherung und eine Art Allmacht über Bürger*innen und Staat.

Pressekonferenz

Google

Doch auf den zweiten Blick ist klar, dass dieser Vorstoß notwendig ist. Es soll damit unter anderem bewiesen werden, dass Google keine Angst vor seinem größten (Cloud-)Konkurrenten Amazon hat. Wir schaffen das in technischer Hinsicht mindestens so gut, lautet die Botschaft sinngemäß, und wir werden diese Infrastruktur öffentlicher und zugänglicher umsetzen als ihr.

Die Zukunft des Gaming?

Die Pressekonferenz hat am Dienstag (19.3.) im Rahmen der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco stattgefunden. Stadia soll noch 2019 öffentlich verfügbar sein.

Stadia soll, kurz gesagt, eine Art Netflix für Games werden. Ein Streaming-Service, für das man nur ein quasi beliebiges Wiedergabegerät und eine Internetverbindung braucht. Der Rest passiert dann in der Cloud, und so kann auch der langsamste Computer die neuesten Games meistern. Bei Bewegtbild ist so ein Service freilich wesentlich einfacher umzusetzen als bei Games, da moderne Videospiele technisch sehr aufwendig sind und viel Rechenpower benötigen.

Stadia soll es nun ermöglichen, dass Titel wie „Assassin’s Creed Odyssey“ ohne Ladezeiten im Browser gespielt werden können - was tatsächlich eine große Innovation darstellt und sowohl die Gamesindustrie als auch die Gameskultur nachhaltig verändern wird. Bereits im vergangenen Herbst gab es dazu einen geschlossenen Beta-Test unter dem Namen „Project Stream“, der viele Journalist*innen begeistert hat.

Als Beweis dafür, wie nahtlos und intuitiv Stadia funktioniert, wird auf der Bühne vorgeführt, dass man innerhalb von Sekunden von einem Gerät zum nächsten wechseln kann - selbstverständlich ohne dass man ein Level neu laden muss. Übrigens sollen dabei nicht nur Spielstände ständig gespeichert werden, sondern auch bestimmte Spielsituationen kopiert und jemandem anderen geschickt werden können. So kann man einzigartige Szenen und Erlebnisse mit anderen Menschen teilen. Der Name dafür lautet „State Share“. Ebenfalls praktisch und neuartig ist der „Google Assistant“, den man während des Spielens aufrufen kann und der einem zeigt, wie es weitergeht - etwa, wenn man an einem Rätsel hängt.

Beispiel mit Assistent beim Spielen mit Stadia

Google

Twitch die Stirn bieten

Multiplayer und Community machen einen großen Teil der gesamten Stadia-Strategie aus. Auch hier hat Google den Hauptkonkurrenten Amazon im Auge, konkret seinen Livevideo-Streamingdienst Twitch. Die Applikation und Bedienbarkeit von Twitch ist zwar seit jeher durchwachsen, doch seine Popularität ungebrochen. Die vielen Games-Communities (unter dem Stichwort „Crowd Play“) von dort weg und hin zu Youtube zu locken, wird keine einfache Aufgabe werden - selbst dann, wenn Stadia als Plattform und Service ein Erfolg wird.

Die Konsole in der Cloud

Bleiben noch die zwei wichtigen Fragen, was das ganze kosten wird und welche Games man auf Stadia wird spielen können. Die erste Frage bleibt vorerst unbeantwortet, zur zweiten gibt es einen vielversprechenden ersten Eindruck. Unter dem Namen „Stadia Games and Entertainment“ gründet Google sein eigenes Spielentwicklerstudio. Ihm steht Jade Raymond vor, vormals hochrangige Produzentin bei EA und Ubisoft. Sie ist neben Phil Harrison (ehemals Sony und Xbox) der zweite Celebrity-„Einkauf“ aus der Videospielindustrie.

Jade Raymond

Google

Jade Raymond

Ankündigungen für Exklusivtitel gab es noch nicht. Erstmal ging es vor allem darum, Entwickler*innen zur künftigen Cloud-Konsole zu locken. Gezeigt wurde in diesem Zusammenhang etwa ein Tool namens „Style Transfer“, mit dem sich Spielumgebungen per Knopfdruck mit bestimmten Grafik- und Kunststilen versehen lassen können. Bereits an Bord sind Ubisoft, id Software („Doom Eternal“ erscheint dieses Jahr), Q Games („Pixeljunk“-Serie) und Tequila Works („Rime“, „The Sexy Brutale“).

Schnell da, schnell wieder weg?

Google hat mit seiner großspurigen Ankündigung nicht zu viel versprochen: Sollte Stadia in der Form veröffentlicht werden, wie es angekündigt worden ist, wird es nicht nur eine neue Games-Plattform und damit ernstzunehmende Konkurrenz für Playstation, Xbox und Nintendo geben. Perfektioniertes Cloud-Gaming könnte auch ein Paradigmenwechsel für die ganze Branche sein. Man kann davon ausgehen, dass das in technischer Hinsicht alles sehr gut funktionieren wird - Google hat sich hier in der Vergangenheit selten lumpen lassen.

Die Frage ist eher, wie sehr Google selbst hinter dem Projekt steht. Derzeit deutet zwar vieles darauf hin, dass Stadia eine gut durchdachte, lange geplante und bleibende Sache werden könnte. Doch es ist schwer zu vergessen, dass in der Vergangenheit viele vielversprechende Projekte begonnen und bald wieder aufgegeben wurden: Google Plus, Google Buzz, Google Glass, etc.

Das Aufgeben der Selbstbestimmung

Darüber hinaus stellt sich allgemein die Frage, wie sehr User*innen gewillt sind, ihre Selbstbestimmung noch mehr aufzugeben. Bereits jetzt zwingen uns viele zeitgenössische Spiele und Spielefirmen dazu, ständig online - und damit überwachbar und messbar - zu sein und machen uns von diversen Diensten und Services abhängig. Stadia würde ein weiterer Schritt in diese Richtung sein.

Gamecontroller

Google

Seinen eigenen Computer oder seine eigene Konsole - und damit quasi die eigene Rechenpower - zu besitzen, das Gerät überallhin mitnehmen und auch offline benutzen zu können, ist ein kleines Stück Freiheit in einer ansonsten ohnehin schon sehr von der Industrie gestalteten Welt.

Ob es sich trotz aller technischer Finessen so gut anfühlen wird, ein aufwendiges Game im Browser zu spielen und dabei komplett transparent und abhängig zu sein, bleibt fraglich. In einer Welt, in der Videospiele komplett in die Cloud ausgelagert sind, wäre der Gamecontroller das letzte haptische Relikt. Die Konsument*innen werden entscheiden, ob sie diese Zukunft der Gameskultur wollen - nicht die Technik.

mehr Game:

Aktuell: