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Demoschild auf dem Filter und Freiheit steht, letzteres durchgestrichen

APA/dpa/Christoph Soeder

Streit um die Uploadfilter

Wenige Tage vor der Abstimmung im Europaparlament wird die geplante Urheberrechts-Richtlinie der EU weiterhin kontrovers diskutiert. Die Meinungsverschiedenheiten gehen quer durch alle Fraktionen.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Rund fünf Millionen Menschen protestieren mittels einer Online-Petition gegen die geplante Richtlinie - damit ist es die bisher erfolgreichste Petition auf change.org. Es warnen Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen, Wirtschafts- und IT-Verbände, der Chaos Computer Club, Journalistenverbände und Kreative. Schülerinnen und Schüler gehen auf die Straße, der UN-Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit David Kaye kritisiert den Entwurf, Web-Erfinder Tim Berners Lee schreibt in einem offenen Brief gemeinsam mit anderen Internet-Pionieren vom drohenden Ende des freien Internets.

Zu den umstrittensten Teilen des Richtlinien-Entwurfs gehört Artikel 13, der mit rund 1200 Wörtern für sich alleinstehend schon äußerst komplex ist. Es handelt sich dabei um jenen Teil des Textes, in dem es um die Haftung von Internetplattformen für Inhalte geht, die durch User*innen hochgeladen wurden. Um dieses Haftungsrisiko zu minimieren, müssten Plattformen die automatisierte Filterung von Inhalten beim Upload vornehmen. Die Intention hinter Artikel 13 ist also, die Kreativen - also Musiker*innen, Filmemacher*innen, Autor*innen usw.- zu stärken gegenüber kommerziellen Content-Plattformen. Firmen wie Google, Facebook etc. sollen gezwungen werden, für urheberrechtlich geschützte Werke, die Dritte hochladen, zu bezahlen.

Derzeit schummeln sich diese mächtigen, meistens in den USA beheimateten Konzerne, nämlich um das Bezahlen der hochgeladenen Werke herum, indem sie z.B. einfach keine oder für die Künstler*innen unvorteilhafte Veträge mit den europäischen Verwertungsgesellschaften und Verlagen abschließen. Die Werbeeinnahmen für die von Dritten hochgeladenen Inhalte gehen in den seltensten Fällen an die eigentlichen Urheber*innen. Das soll sich ändern.

Im Europaparlament tritt vor allem die konservative Fraktion EVP unter Federführung des deutschen CDU-Politikers Axel Voss für die Reform ein. Er weist auf die zahlreichen Ausnahmeregeln in der Richtlinie hin. „Die Plattformen, die wir mit Artikel 13 erreichen wollen“, sagt Axel Voss, „sind nur die aktiven Plattformen, die genau wissen, dass sie unberechtigt urheberrechtlich geschütztes Material haben, es öffentlich wiedergeben und damit Gewinn erzielen. Das ist deshalb relevant, weil oft behauptet wird, dass dann plötzlich alle Plattformen unter Artikel 13 fallen.“

Mit den Ausnahmen soll sichergestellt werden, dass neue Plattformen in den ersten drei Jahren und Plattformen, die weniger als 10 Millionen Euro globalen Umsatz pro Jahr erzielen aus der Verpflichtung zur Vorabkontrolle ausgenommen werden. Auch Wikipedia-Artikel, Code auf Open-Source-Softwareentwicklungs-Plattformen (wie zum Beispiel GitHub) sowie satirische Werke und Memes sind generell ausgenommen.

Plakat bei Upload Filter Demo

picturedesk.com/dpa/Christoph Soeder

Die Konservativen in Europa sind sich nicht einig. Die Conds aus Polen (nach der CDU die zweitgrößte Partei), Schweden, Tschechen & Luxemburger werden gegen Filter stimmen. Auch die Meinungen in den anderen Fraktionen sind geteilt. Die Kritik seitens der Gegnerinnen und Gegner von Artikel 13 in den Reihen der Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen lautet im Wesentlichen: Inhalte schon beim Hochladen zu überprüfen bedeute, eine riesige Infrastruktur für die Vorabkontrolle des Internet zu errichten. Die Technologie dafür existiere noch gar nicht, und nur große Konzerne wie Google würden ansatzweise über Software (wie z.B. Content ID) und die enormen Serverkapazitäten verfügen, die für eine Analyse sämtlicher Videos, Musikstücke, Fotos und Texte notwendig seien. Viele Plattformen, so die Befürchtung, werden es sich nicht leisten können, eigene Algorithmen und die für die Analyse notwendigen technischen Kapazitäten zu entwickeln. Sie würden diese also von Konzernen, die diese Technik zumindest ansatzweise schon entwickelt haben, ankaufen oder mieten müssen. Die Großen würden somit erst recht gestärkt, weil alle Inhalte dann über sie laufen. Zudem würden schlecht funktionierende Filter nicht zwischen Zitaten und Urheberrechtsverletzungen unterscheiden können und somit viele Inhalte zu Unrecht sperren.

Julia Reda von der Piratenpartei Deutschland, im Europaparlament Mitglied der Fraktion Grüne/Europäische Freie Alianz, sagt: „Wir alle sind heute Urheberinnen und Urheber. Zum Beispiel ist jede Person, die ein Smartphone hat, Rechteinhaber*in ihrer Fotos. Die Idee, dass man mit all diesen Menschen Lizenzen abschließen kann, ist unmöglich. Die Urheberrechtsreform versäumt, die vielen Widersprüche zwischen dem geltenden Urheberrechtssystem und den Realitäten des Internet aufzulösen.“

Plattformen zum Erwerb von Lizenzen für hochgeladene Inhalte zu zwingen sowie der damit verknüpfte Einsatz von Algorithmen zur Vorabkontrolle von Uploads ist für die Kritikerinnen und Kritiker also der falsche Weg, wenn es um die gerechte Entlohnung von Kreativen geht. Sie sagen, dass EU-Kommission und -Parlament lieber einen Schritt zurückgehen und noch einmal von vorne über ein neues Urheberrecht nachdenken sollten. In der Zwischenzeit könnten sich Google & Co. in Europa freilich weiterhin um Lizenzzahlungen und Ausschüttung von Werbeeinnahmen an Künstler*innen herumschummeln, in dem sie keine oder sehr schlechte Verträge mit Verwertungsgesellschaften und Verlagen abschließen. Es ist also alles nicht so einfach.

In wenigen Tagen wird über den Richtlinien-Entwurf abgestimmt. Im Europaparlament sind die Gegner*innen der Uploadfilter vor allem Mitglieder der Piratenparteie und Grünen, wobei letzere allerdings gespalten sind. Die deutsche EP-Abgeordnete Helga Trüpel etwa gehört in Deutschland dem Bündnis 90/Grüne an und ist eine vehemente Befürworterin von Uploadfiltern. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Sozialdemokraten: Sie sind tendenziell gegen Artikel 13, sich aber alles andere als einig über die weitere Vorgangsweise. Aus diesem Grund haben Netzaktivist*innen aus ganz Europa die Plattform Pledge2019 ins Leben gerufen. Dort können Userinnen und User Europaparlaments-Abgeordnete aller Fraktionen gratis anrufen, um mit ihnen persönlich über Artikel 13 zu sprechen.

Die Abstimmung wird aller Voraussicht nach am Dienstag, dem 26. März – nach ein bis zwei Tage langer Debatte im Parlament - stattfinden. Bis dahin sind auch noch mehrere Kundgebungen und Proteste in ganz Europa geplant. Befürworter*innen der Reform haben vor kurzem behauptet, dass hinter Protesten via E-Mail und Foren nur Mitarbeiter von Google und Bots stecken würden. Für viele Gegner*innen ist das nun erst recht ein Grund, auf die Straße zu gehen – um zu zeigen, dass sie offensichtlich keine Bots sind, sondern Menschen, die an politischen Entscheidungsprozessen partizipieren wollen.

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