Große Sorgen, große Lieder
Von Christoph Sepin
Wenn die Gruppe Lust for Youth aus Kopenhagen ein neues Lied veröffentlicht, dann sollte man hellhörig werden. Klar und deutlich strukturiert sind die Songs der Band; dort einzuordnen, wo Lieder das Präfix „Post“ und das Suffix „Wave“ haben. Die Vorbilder sind deutlich und groß, schämen muss man sich dafür nicht: Das erinnert an The Cure, an New Order, Electronic und auch mal an die Pet Shop Boys.
Am 7. Juni erscheint das neueste Album von Hannes Norrvide und Malthe Fischer auf dem Qualitätslabel Sacred Bones Records. Den Namen der Band wird es diesmal tragen, „Lust for Youth“, und klingt schon mit der ersten Single ein bisschen nach der Beschreibung des Duos auf seinem Bandcampprofil: „Scandinavian antidepressants“.
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Wobei, zu happy sind Lust for Youth auch auf dem ersten Vorboten „Great Concerns“ nicht. Kalt beginnen die Instrumente, kühl und dringlich auch die wie immer bei dieser Gruppe besonders schönen, simplen Percussions. Da wird von Anfang an Nonchalance vermittelt, Entfremdung, die Welt wird durch eine vom Nebel beschlagene Brille betrachtet.
Das distanzierte Observieren der Realität mit all ihren Seltsamkeiten startet auch gleich die ersten Zeilen der Lyrics: „Whatever happened here, are people deranged?“, lautet die Frage. „Deny evolution, reject climate change“. Eine Welt voller alternativer Fakten hier; die Band verwundert und verwirrt mittendrin.
„In times of great concerns what will it take“: Die großen Sorgen als omnipräsentes, leitendes gesellschaftliches Konstrukt, die Antworten darauf gibt es auch in diesem Lied nicht zu finden, soll es aber auch gar nicht. Fragen, Beobachtungen und Melancholie sind dafür der Fokus.
Mit den Worten „It hurts my eyes to see you walking by yourself“ wird dann der Refrain eingeläutet. Wovon die Augen wehtun ist nicht klar, von der Müdigkeit oder doch von den Tränen? Das ist genau so verschwommen, wie die Person, in deren Richtung gesungen wird. Und am Ende verlieren die Worte in ihrer Wiederholung dann auch ihre Bedeutung, ein lyrischer Loop, der immer müder, vielleicht auch fatalistischer wird: „It hurts my eyes“. Ein Lied der vagen Andeutungen und Betrachtungen, voll mit Sounds aus der Vergangenheit, aber aus dem Zeitgeist geborenen Gedanken.
Publiziert am 24.03.2019