Adrian ist 19 und hat jetzt ein Gesichts-Tattoo
Von Felix Diewald
Adrian hat tätowierte Arme, trägt ein grünes Stirnband und Schnauzer. Er sieht eigentlich aus wie dein typisches Tinder-Date. Wäre da nicht das Tattoo auf seiner rechten Wange: LIFE IS SHORT steht da in schwarzen Lettern. Die Haut darunter glänzt noch. Es wurde erst vor ein paar Tagen gestochen. (Daher können wir einstweilen leider auch noch kein genaueres Foto davon zeigen.)
„Seit zwei Jahren“, sagt Adrian, „überlege ich, mir ein Face-Tat zu stechen.“ Er startet eine Umfrage auf Instagram. Die meisten seiner Freunde sprechen sich dafür aus. „Und deswegen hab ich’s mir dann auch stechen lassen." Er spricht, als ginge es um eine neue Frisur.
Kein Plan B
Adrian ist 19 und als Cloudrapper und Drum’n’Bass-MC unter dem Namen Grammys Price unterwegs. Er hat zwar eine Bürolehre gemacht, will aber ins Musikbusiness. „Musik“, stellt er klar, „ist mein Plan A.“ Eine Alternative gibt es für ihn nicht: „Ist halt so.“
„Normalerweise machen wir keine Gesichts-Tattoos“
Der große Tag, der alles verändern wird, beginnt, wie solche Tage immer: unspektakulär. Adrian ruft einen Freund an, fragt: „Hast du Zeit? Ich lass mir ein Gesichts-Tattoo stechen.“ Der Freund: „Whoow... okay, passt, gemma hin.“

Glenn Francis / PacificProDigital.com / CC BY-SA 4.0
Post Malone mit nur einigen Gesichtstattoos, mittlerweile sieht er so aus. CC BY-SA 4
Rareș ist Adrians Tätowierer. Er kommt aus Rumänien und arbeitet seit einem Jahr in einem Wiener Tattoostudio. „Normalerweise machen wir keine Gesichts-Tattoos,“ sagt er. Das ist in allen Tattoostudios die Regel. „Wenn du nicht bereits komplett mit Tattoos bedeckt bist, also eine Chance auf ein ‘normales’ Leben hast, wollen wir dir das nicht zerstören.“
Bei Adrian machte Rareș eine Ausnahme. Erstens war er schon länger Kunde bei ihm, und außerdem gab es davor ein langes Gespräch zwischen den beiden. Abbringen ließ sich Adrian nicht.
In letzter Zeit kommen immer mehr junge Menschen, die "edgy sein wollen“ zu Rareș und wollen ein Tattoo im Gesicht. Man munkelt, dass die Likes auf Instagram & Co sich mit einem Gesichtstattoo vervierfachen.
Soundcloud-Rapper wie Post Malone, Lil Xan oder Lil Peep sind ihre Vorbilder. Rareș: „In dem Alter hast du keine Ahnung und machst dir vielleicht das Leben kaputt.“ Er glaubt, dass viele ihr Gesichts-Tattoo irgendwann bereuen werden, genauso wie das Arschgeweih oder Tribal-Tattoo von früher. „Der Trend wird irgendwann vorbei sein und viele hässliche Narben zurücklassen.“

Tim Walker
Grammys Price bei einem Auftritt im Wiener Flex, hier noch ohne Gesichtstattoo
Mama weiß noch nichts
Sein brandneues Tattoo im Gesicht hat Adrian noch nicht bereut. Seiner Mutter hat er aber noch nichts davon erzählt. „Ich hoffe, dass sie das hier noch nicht liest“, sagt er. Und: „Ich will es ihr langsam gestehen.“
Adrians Leben hat sich jedenfalls stark verändert. „Die Älteren schauen mich komisch an. Die Jüngeren machen Komplimente. Letztens, bei einem Konzert, hat einer sogar mein Gesicht geküsst.“
Publiziert am 25.03.2019