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Natascha Strobl: „Regierung hat Narrative der Identitären übernommen“

Die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl spricht im Interview über Verbindungen der Identitären zum Christchurch-Attentäter und zur FPÖ, warum die Auflösung der Identitären Hand und Fuß haben sollte und dennoch nur den Anschein von schalem Aktionismus hat.

Nach dem Ministerrat am Mittwoch haben Bundeskanzler Sebastion Kurz und Vizekanler Heinz-Christian Strache angekündigt, ein Verbot der österreischischen Identitären zu prüfen. Zuvor war bekannt geworden, dass der Attentäter von Christchurch im Vorjahr einen großen Geldbetrag an den Sprecher der österreichischen Identitären gespendet hat. Dass der Terrorist Ende 2018 Jahres in Österreich gewesen ist, war schon davor bekannt.

Die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl hat schon 2014 im Buch „Die Identitären. Ein Handbuch zur zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa“, gemeinsam mit Kathrin Glösel und Julian Bruns versucht, die Identitären einzuordnen. Damals hat sie auch schon die Auffassung vertreten, dass einen Verbotsdebatte am Kern des Problems vorbeigeht. An dieser Einschätzung hat sich seither nicht viel geändert, wie sie im FM4-Interview ausführt.

Gerlinde Lang: Frau Strobl, wie schätzen Sie die möglichen Verbindungen zwischen dem Christchurch-Terroristen und den österreichischen Identitären ein?

Natascha Strobl: Die Verbindungen sind vor allem ideologischer Natur. Das sehen wir, wenn wir uns das Manifest des Christchurch-Terroristen anschauen. Es sind dieselben Worte, es sind dieselben Konzepte, die der Terrorist verwendet, die wir schon seit Jahren bei den Identitären sehen. Sogar der Titel des Manifests „Der große Austausch“ ist ein Konzept, das die Identitären populär gemacht haben. Da geht’s um eine Art Verschwörungstheorie, dass es eine Elite an der Macht gibt, die die europäische Bevölkerung gegen Flüchtlinge, Muslime und so weiter austauscht. Das heißt, hier sehen wir ganz klar eine ideologische Nähe. Ob es personelle Kontakte gegeben hat, wissen wir nicht. Der Attentäter war in Österreich. Ob er dort Leute getroffen und sich ausgetauscht hat, ist unklar. Wenn die Regierung dafür Anzeichen hat, dann ist das sicher interessant und sicher Gegenstand von Ermittlungen, wissen tun wir es nicht.

Die Identitären auflösen, wie soll das überhaupt gehen? Sind die ein Verein? Wie hat man sich das vorzustellen?

Sie sind ein ganz normal eingetragener Verein mit gewählten Funktionen, so wie es tausende gibt in Österreich, das heißt die Auflösung wäre die Auflösung des Vereins. Nachdem die Regierung angekündigt hat, das nach dem Terrorparagraphen machen zu wollen, müssten sie dafür auch gute Gründe vorlegen. Wenn man so ein Verfahren anstrebt, dann sollte man sich sehr sicher sein, denn die Identitären waren vor weniger als einem Jahr schon vor Gericht – mit dem Vorwurf, dass sie eine kriminelle Vereinigung wären – und sind freigesprochen worden. Solche Prozesse, wo sie mit erhobenem Haupt rausgehen und nachher quasi ein staatliches Gütesiegel haben, dass sie nicht kriminell und keine terroristische Vereinigung seien, nutzen weniger, als es vermeintlich bringt. Das heißt wenn die Regierung dieses Verfahren anstrebt, dann sollte sie mehr in der Hand haben, als wir aktuell wissen.

Jetzt gibt es ja immer wieder Verbindungen zwischen den Identitären und der FPÖ. Es gibt dieses Bild, auf dem Vizekanzler Strache offensichtlich beim „geselligen Zusammensein mit Identitären“ zu sehen ist, und sowohl FPÖ als auch Identitäre rekrutieren einen Teil ihres Nachwuchses aus deutschnationalen Burschenschaften. Manche Identitäre sind auch ehemalige FPÖler. Distanziert sich die FPÖ mit dieser Ankündigung jetzt von den Identitären?

Die FPÖ ist seit Jahren – eigentlich von Anfang an – im Umfeld der Identitären. Es gibt sehr, sehr viele Überschneidungen, die längst bekannt, längst recherchiert sind, nicht nur der Herr Vizekanzler, auch der Herr Innenminister war schon Keynote-Speaker auf einem Kongress, der zu einem großen Teil von Identitären organisiert worden ist. Es gibt immer wieder Austausch. Es gibt personelle Überschneidungen in den Jugendorganisationen, wo eine ganz enge Zusammenarbeit zu sehen ist und nicht zuletzt – und das betrifft die ganze Regierung – hat man die Narrative der Identitären übernommen. Man redet ganz ironiefrei und ohne Anführungszeichen vom „Großen Austausch“. Die Feindbilder der Identitären sind dieselben Feindbilder, die diese Regierung auch pflegt. Ich möchte nicht so zynisch sein, aber es hat etwas von schalem Aktionismus, wenn man jetzt Rechtsextremismus quasi den Identitären zuschreibt und nicht sieht, dass rechtsextreme Narrative längst gesellschaftsfähig sind und von dieser Regierung und speziell von der FPÖ vorangetrieben worden sind.

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