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Game Hypnospace Outlaw

Jay Tholen, Michael Lasch, No More Robots

„Hypnospace Outlaw“: Eine Reise in die Frühzeit des Web

Die ersten Jahre des Web waren ebenso sonderbar wie zukunftsweisend. Aber möchte man sie (nochmal) durchleben?

Von Robert Glashüttner

Das frühe Web war nicht allzu unterhaltsam. Es gab seltsam krachende Modems mit geringen Datenübertragungsraten, instabile Betriebssysteme und hässliche Websites. Einzig ICQ war ein Lichtblick: eine technisch gut umgesetzte Chat-Anwendung und damit ein Vorläufer von Skype, Facebook und Social Media im Allgemeinen. Wer nicht zu jung ist, wird den unverkennbaren Klang einer neuen Nachricht noch in den Ohren haben. Oh-ooh!

Aber natürlich war trotzdem alles aufregend und tatsächlich ein Aufbruch. Davor waren Online-Services - BBS-Plattformen, Newsgroups, etc. - verhältnismäßig archaisch und meist recht sperrig zu bedienen. Also haben wir uns mit dem bunten, technisch durchwachsenen, aber eben zukunftsträchtigen frühen Web der 90er Jahre abgefunden und es gefeiert. Das jetzt allerdings als eigenes Game ein weiteres Mal zu durchleben, ist nichts, das jeder und jedem gefallen wird.

Die eigene Homepage

„Hypnospace Outlaw“ erstaunt und begeistert durch eine einigermaßen authentische Cyberspace-Zeitreise. Es geht 20 Jahre zurück in die digitale Vergangenheit in ein alternatives Jahr 1999, hinein in ein fiktives Online-Service namens Hypnospace.

Game Hypnospace Outlaw

Jay Tholen, Michael Lasch, No More Robots

Man surft durch den Hypnospace während man schläft, mittels eines speziellen Stirnbandes. Das ist aber während des Spielens eigentlich nicht relevant. Was zählt, ist das Hantieren mit einem alten Fake-Betriebssystem und dem namensgebenden Onlinedienst. Wir laden uns sinnlose Software (kotender Flughamster, anyone?) herunter und klicken uns durch zu viele Pop-Up-Windows und persönliche Homepages. Da gibt es abscheuliche Schriftarten, sonderbare Animationen, trashig-verpixelte Bilder und viele dämliche Texte. Wie damals eben.

„Hypnospace Outlaw“ von Jay Tholen und Michael Lasch ist im Vertrieb von No More Robots für Windows, Mac und Linux auf GOG und Steam erschienen.

Wir übernehmen die Rolle eines Hypnospace-Polizisten, der Urheberrechtsverstöße, Beleidigungen, illegale Verkaufsaktivitäten und ähnliches zur Meldung bringen soll. So müssen wir uns durch immer mehr offen und geheim verlinkte Hypnospace-Seiten klicken, sie durchforsten und uns dabei stets von Hihihi-Trash-Melodien bedudeln lassen, die uns an die damals üblichen WAV- oder MIDI-Files erinnern sollen, die man oft nicht abschalten konnte und die uns deshalb die Nerven geraubt haben. Hier und heute genügt immerhin ein Klick an die immer selbe Stelle, um sie zum Schweigen zu bringen.

Das langweilige Leben eines Online-Detektivs

Obwohl ich den Witz der Quasi-Nachbildung des frühen Webs verstehe und eine halbe Stunde lang durchaus Gefallen am, für heutige Verhältnisse absurden, Look and Feel des Spiels verspüre, geht es mir kurz danach schon auf die Nerven. Auch, wenn „Hypnospace Outlaw“ über seine audiovisuelle Besonderheiten hinaus eine interaktive Geschichte erzählt, wo man sich via Hypertext durch Charaktere, Beziehungen und Begegnungen klickt, habe ich diese Optik nach spätestens einer Stunde endgültig satt und wundere mich, auf welche Begeisterung das zugegeben kuriose, aber wenig unterhaltsame Spiel anderorts stößt.

Game Hypnospace Outlaw

Jay Tholen, Michael Lasch, No More Robots

Es mag eine Generationenfrage sein, ob man mit einer wiederbelebten Zombie-Version des Web der späten 90er Jahre (die übrigens mehr wie 1996 aussieht als wie 1999) Spaß haben kann oder nicht. Doch auch spielerisch ist das seltsame Detektiv-Game eher belanglos. Wer geduldig genug ist und sich nicht daran stößt, durch pubertäre, esoterische und anderswertig nervige Homepage-Inhalte zu lesen, um Informationen und Hinweise zu sammeln, mag „Hypnospace Outlaw“ etwas abgewinnen können. Alle anderen freuen sich über breite Bildschirme, hohe Auflösungen, schnelle Bandbreiten und schicke Websites. Zumindest im Bereich digitaler Technologie ist die Gegenwart doch ziemlich erfreulich ausgefallen.

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