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04.04.19 FM4 Schnitzelbeats- 100 Jahre Pop in der Steiermark

joanneum

FM4 Schnitzelbeats

FM4 Schnitzelbeats- „Pop 1900–2000“

Eine spektakuläre Ausstellung im Grazer Museum der Geschichte zeichnet aktuell den Verlauf von 100 (!) Jahren populärer Musik in der Steiermark nach.

Von Al Bird Sputnik

1984 war ein Jahr, in dem sich steirische Musikschaffende ausgesprochen häufig im Zentrum der heimischen Pop-Berichterstattung wiederfanden: Die Erste Allgemeine Verunsicherung (E.A.V.) eroberte per TV-Gerät mit „Go Karli Go“ die Wohnzimmer des Landes, die Interessensgemeinschaft Steinbäcker–Timischl–Schiffkowitz (S.T.S.) schaffte dank „Fürstenfeld“ den großen Durchbruch, Steffi Werger veröffentlichte mit „Wendepunkt“ ihr drittes Album und dann war da noch eine Grazer Rock-Band namens Opus, der mit einem brachialen Feel-Good-Popsong über Nacht ein echter Welthit gelang, nanaa-na-nana.

Die Ausstellung Pop 1900–2000 widmet sich all jenen unverhofften Höhenflügen des sogenannten „Austropop“ ausführlich, doch auch verlorengeglaubte Zeitdokumente der lokalen Subkultur finden ausreichend Platz. Und ja, kein Scheiß: Es werden hier Zeitdokumente aus insgesamt ein-hun-dert Jahren verhandelt.

Die ehrgeizige Timeline der Ausstellung erweist sich als konzeptioneller Treffer und rüttelt an altbekannten Pop-Diskurs-Begrifflichkeiten. Tatsächlich beleuchten die zusammengetragenen Bild-, Ton- und Bewegtbilddokumente die Entwicklung von Tanz- und Unterhaltungsmusik (vulgo: „Pop“) ab dem frühesten Zeitpunkt, als diese für die Nachwelt dokumentiert werden konnte. Etwa in Form von Fotografien, Autogrammkarten, Programmheften, Zeitungsartikeln, Konzertplakaten, Verträgen, phonographischen Aufnahmen oder sogenannten Tonbildern.

POP 1900–2000
Populäre Musik in der Steiermark

Museum für Geschichte
Sackstraße 16, 8010 Graz

15.03.2019 – 26.01.2020

Kuratiert von Maria Froihofer, David Reumüller und Karl Wratschko

Bei letztgenanntem Medium handelt es sich um eine in Vergessenheit geratene Jahrmarktsattraktion der 1910er-Jahre, bei der Bild- und Tonspuren getrennt voneinander aufgenommen und anschließend simultan vorgeführt wurden. Ein technisch simples Verfahren, das als visionäre Multimedia-Utopie einen direkten Vorboten des Musikvideos darstellt. Zwei in der Steiermark gebürtige Entertainer haben sich auf ebendiese Weise der Nachwelt hinterlassen können: Der gefeierte Volksschauspieler und Tenor Alexander Girardi (1850–1918) und die über die Landesgrenzen hinaus bekannte Volksmusikantin und Jodlerin Mirzl Hofer (1877–1955). Beide war sie Popstars, larger than life, zu einer Zeit als Popmusik noch gar nicht erfunden war.

Was uns zu einer der bemerkenswertesten Eigenschaften von Pop 1900-2000 bringt: Hier schwingt die ständige Bereitschaft mit, obskure und ultra-obskure Artefakte lokaler Musikgeschichte neu zu entdecken und aufzuarbeiten. Vom immensen Arbeitsaufwand, relevante Materialien in einer derartigen Fülle aufzuspüren, gar nicht erst zu sprechen. Das KuratorInnenteam hat sich dabei mit Strömungen und Genres auseinandergesetzt, die in der alltäglichen Betrachtung von populärer Musik sonst nur selten tangiert werden und stellt die Ergebnisse ihrer Forschung in exzessiver Quantität zur Verfügung.

In der Ausstellung können sich die BesucherInnen mittels Kopfhörern hundertfach anstöpseln und so stundenlang Musik hören. Musik aus allen Genres, allen Strömungen und allen Jahrzehnten. In einem der Ausstellungsräume erwarten einen beispielsweise überlebensgroße Filmausschnitte der Kern Buam, die zeigen, wie sie das tun, was sie eben so taten: Zünftige Volksmusik spielen. Und zwar so, dass sie im gesamten Verlauf der 1960er-Jahre unter den erfolgreichsten (weil bestverkauften) österreichischen Recording Artists rangierten. Deren Nummer „Weltverdruss“
sei übrigens sowas wie die „Melancholie der Steiermark“, eine Wuchtel, die sich Co-Kurator David Reumüller bei einer Privat-Führung ganz beiläufig aus dem Ärmel schüttelt.

Was es noch alles zu sehen und hören gibt? Schlager der 1920er bis 40er-Jahre, Jazz (sogar unter dem NS-Regime), Beat und Psychedelic Rock (Stichwort: Poppendorf ’71), kommerzielle Tanzbands der 70er-Jahre, Disco, New Wave, Punk, Hip Hop, Heavy Metal, Indie Rock, elektronische Musik, Techno und vieles mehr. Eine der umfassendsten Ausstellungen zu lokaler österreichischer Popgeschichte, die es bisher gab. Pop 1900–2000 lohnt sich und läuft noch bis zu 26.01.2020.

Und hier noch die Tracklist zur verlängerten Spezialausgabe der FM4 Schnitzelbeats - 100 Jahre Pop in der Steiermark. Danke für die Aufmerksamkeit!

Intro: HIDE & SEEK The beggar of St. Pair (1969)
MIRZL HOFER Tiroler Holzhackerbuam-Marsch (1908)
ALEXANDER GIRARDI Da lob’ ich mir die alte Zeit (1909)
AUSTIN EGEN Ich küsse ihre Hand, Madame (1928)
JOSEL TRIO Ringin’ boats (1964)
HARALD NEUWIRTH Ausschnitt aus „Grazer Messen im Jazzstil“ (1970)
ALBATROSS I am dead (1970)
THE HEART From slatery to freedom (1971)
MAGIC Cadillac (1974)
GOLDIE ENS Don't call me baby (1975)
E.A.V. Disco Queen (1978)
GERHARD HELMUT Trapped like a rat (1979)
DAIRY LONDON Fourty one (1980?)
HARRY HERZIG Alles wird gut (1983)
BIWI Thunder (1982)
ANDI BEIT / JÖRG SCHLICK Diese Wildnis hat Kultur (4. Satz) (1984)
1 METER Pez Frau Pez (1985)
CONTAGAN Superboy (1985)

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