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Autorin Verena Rossbacher

Joachim Gern

Frisches Brot riecht privat

Verena Rossbacher hat als Hausmädchen in einem reichen Schweizer Haushalt gearbeitet. Über den Einblick in Privates, die Bedeutung von Putzen, den Geruch von Wohnungen und gute Kurzgeschichten erzählt sie im FM4 Interview.

von Zita Bereuter

Verena Rossbacher lacht kurz über die Frage, was sie mit „privat“, dem heurigen Wortlautthema, verbindet. Das sei eine merkwürdige Frage, weil sie eigentlich nur ein privater Mensch sei. „Ich gehe nicht aus, ich bin überhaupt nicht unterwegs. Da ich nur zu Hause arbeite, bin ich auch da privat. Also eigentlich ist das meiste in meinem Leben privat.“ Ausnahmen seien lediglich Lesungen und ihre Seminare am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel.

Und doch hat Verena Rossbacher während ihrer Studienzeit einen ganz besonderen privaten Einblick erhalten. Damals hat sie als Hausmädchen in einem reichen Schweizer Haushalt gearbeitet. „Du machst Betten, räumst das Bad auf, hebst Unterhosen auf, die auf dem Boden rumliegen. Du siehst Briefe, was gegessen wird und was nicht gegessen wird, du siehst Ticks. Du hast alles in den Händen, bist aber eigentlich außen vor. Niemand will was von dir privat. Du siehst alles Private, aber sie haben nichts von dir.“ Eine ideale Ausgangslage für eine Romanfigur - in ihrem jüngsten Roman „Ich war Diener im Hause Hobbs“ lässt sie einen Butler erzählen.

Das Putzen ...

Rückblickend hat ihre eigene Arbeit als Hausmädchen vor allem eines geschärft: eine große Dankbarkeit gegenüber Dienstleistungen. Speziell für Putzarbeiten. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie hart und anstrengend Putzen sein kann. „Es ist eine der am schlechtesten bezahlten Arbeiten und sie ist so, so anstrengend. Wenn man das viele Stunden am Tag macht, die ganze Woche über bei vielen verschiedenen Leuten mit unterschiedlichen Graden von Unordnung, zum Teil auch eklige Unordnung. Also der Gap zwischen dem, was es ist und dem, was man verdient, ist sehr, sehr groß. Weil ich das selbst sehr lange gemacht habe, weiß ich, was das bedeutet. Ich respektiere das total. Und auch Frauen, es sind ja meisten Frauen, die den Job machen. Ich weiß, wie viel es kostet, ihn gut zu machen.“

... und der Dreck

Daneben habe ihre Arbeit als Hausmädchen definitiv den Blick für Hierarchien geschärft. „Das ist klar: Sie sind die Reichen und du bist die Arme.“ Besonders geärgert hat sie der Umstand, dass man diese Arbeit in der Regel „schwarz“ verrichtete. „Also diese Leute haben sehr viel Geld, stellen dich aber schwarz an. Also sie zahlen keine Versicherung für dich. Da müssten sie fünf Euro oder Franken mehr drauflegen. Tun sie aber nicht. Sie stellen dich schwarz an. Dieser Unterschied wurde mir über die Jahre sehr deutlich bewusst und auch unangenehm.“

Schlussendlich war das auch der Grund, weshalb sie nicht mehr länger als Hausmädchen arbeiten wollte. Die Arbeit zu machen habe ihr zwar gut getan - für eine beschränkte Zeit. „Umso trauriger ist es, dass es für sehr viele Leute, die das ausüben, im Grunde keinen Ausweg gibt, weil sie ja keine andere Ausbildung haben.“ Denn auf Dauer war das entwürdigend. „Fremder Leute Dreck wegwischen ist degradierend.“

„Man erfindet Geschichten und hangelt sich immer an der eigenen Biographie entlang.“

Ganz klar ist Privates immer auch in ihren Texten. Das ist zwar nicht autobiographisch, aber sie hat Figuren und eine Konstellation einer Geschichte, die sie erzählen will. „Und um die ernst zu nehmen oder um die so mit Leben zu füllen, dass es glaubwürdig ist, komme ich gar nicht umhin, auf mich selbst zurück zu greifen und Teile von Erfahrungen oder Gefühle zu verwenden, die ich kenne.“

„So sind diese Geschichten alle ausgedacht und sehr weit von mir entfernt. Aber die Gefühle, die verwendet werden, sind sehr eng mit mir verbunden.“

Verena Rossbacher hat am Literaturinstitut in Leipzig studiert und lehrt nun am Schweizerischen Literaturinstitut. Dennoch sei ein derartiges Studium nur ein Weg von vielen zum Schreiben. Für sie war es der richtige Weg, „weil ich die Tendenz zur Vereinzelung und Vereinsamung habe. Das war gut, in einer Gruppe zu sein.“ Aber in einer Gruppe über eigene und fremde Texte zu reden, müsse man wollen. „Das kann auch unendlich nerven.“ Wichtig sei hingegen: Erfahrungen sammeln. Lesen. Schreiben.

Heuer ist Verena Rossbacher in der Wortlautjury. Eine gute Kurzgeschichte erweckt bei ihr den Eindruck, sie wäre nur ein Teil von einer ganz großen Geschichte, von der man nur ein winziges kleines Detail erfährt. „Wenn das funktioniert, dass man den Eindruck hat, da steckt eine irre große Welt dahinter und wir werden sie nie erfahren. Es ist auch nicht so, dass es nur ein Ausschnitt ist und wir irgendwann das ganze Buch bekommen. Es ist einfach nur das. Das finde ich toll.“

Private Fragen

Kennst du alle deine Facebookfreunde persönlich?
Ich bin nicht bei Facebook.

Welche privaten Handynummern kennst du auswendig?
Nur meine eigene.

Wie oft wechselst du deine privaten Passwörter?
Viel zu selten.

Wie sicherst du private Daten?
Gute Frage...

Wortlaut 19

FM4

Wortlaut, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb

Die Jury privat:

  • Verena Rossbacher, Autorin
  • Diana Köhle, Veranstalterin & Moderatorin von Tagebuchslams
  • Marc Elsberg, Autor

Wie sicherst du deine Texte?
Im Idealfall auf einer externen Festplatte. Auch viel zu selten.

Wie viele Narben hast du?
Eine Menge. Keine Ahnung.

Bist du tätowiert?
Nein. Ich bin vollkommen gegen Tattoos. Tattoos sind ein Fehler.

Was ist deine größte Angst?
Klassisch: Dass meinen Kindern was passiert.

Wovon träumst du?
Unterschiedlich. Nicht spektakulär oder interessant.

Was ist deine guilty pleasure – schuldiges Vergnügen?
Ich hab einen unterirdischen Musikgeschmack. Dschingis Khan find ich voll gut. (lacht)

Woran zweifelst du?
Ich zweifel’ an allem, nur nicht an Dschingis Khan. Ich möchte das so festhalten.

Zweifelst du gerne?
Nein, gar nicht.

Wann bist du zuletzt rot geworden?
Ich glaube ich werde rot, wenn ich streite und wenn ich mich in Bedrängnis fühle.

Bist du schüchtern?
Nein, eigentlich nicht.

Um welche Zeit fühlst du dich am wohlsten?
Morgens, wenn ich ausgeschlafen bin

Was war in deiner Jugend dein größtes Problem?
Mein größtes Problem war, dass ich den falschen Kleidergeschmack hatte.

Wann hat dein Bauchgefühl nicht Recht?
In der Regel beim Schreiben. Es ist nicht richtig, wie ich über meine Texte denke. Mein Instinkt ist nicht richtig. Das ist schwierig und war früher nicht so, aber ich musste feststellen, ich irre mich total.

Anrufen oder SMS schreiben?
SMS schreiben.

Deine größte private Peinlichkeit?
Als Hausmädchen hab ich normalerweise nicht gebügelt, es gab eine extra Bügelfrau. Die war mal krank und ich war nicht besonders geschickt im Bügeln und musste so Kindersachen bügeln. Da waren gummierte Applikationen drauf. Die sind unter dem Bügeleisen dahingeschrumpft - zogen sich zusammen wie Kaugummi. Die konnte man alle wegwerfen, das Bügeleisen war auch hin. Das war mir sehr unangenehm. (lacht)

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