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Johannes Mandorfer an einem Piano in Reykjavik

Johannes Mandorfer

Wie klingt ein Piano, bei dem jede Taste den gleichen Ton hat?

Johannes Mandorfer, Schlagzeuger der Wiener Band Hearts Hearts, hat ein Monat in Reykjavik verbracht - und dort ein Piano gebaut. Es ist wohl das erste seiner Art, das alle 88 Tasten mit demselben Ton belegt. Eine Reise durch Island und durch feine, klangliche Unterschiede.

Von Lisa Schneider

„Es ist ein Piano, das nur einen Ton spielen kann: das eingestrichene D“. Ein Satz, der Johannes Mandorfer, Schlagzeuger der Wiener Band Hearts Hearts, jetzt schon öfters entgeisterte Blicke eingebracht hat.

Während die anderen drei Bandmitglieder von Hearts Hearts in Wien fleißig die Promo-Trommel im Rennen um den FM4-Award gerührt haben, war Johannes im Rahmen einer Artist Residency in Reykjavik, Island, um ein Kunstprojekt umzusetzen, ein eigenes Piano zu bauen, das zwar 88 mal denselben Ton spielt, der aber dennoch jedes Mal anders klingt.

Island ruft und klingt

Schon 2013 hat Johannes in Reykjavik ein Erasmus-Austauschsemester verbracht, zwischenzeitlich war er auch ein zweites Mal in Island, dieses dritte Mal wollte er nicht mehr als Student oder Tourist verreisen, sondern ein Projekt mitnehmen.

Schon damals, bei seinen ersten Besuchen in Reykjavik ist ihm aufgefallen, dass an ganz vielen öffentlichen Orten - in Restaurants, auf Straßen, aber auch in Waschsalons - Pianos stehen, die für jeden freigegeben sind. Dass gerade in Reykjavik öffentlich zur Musik- bzw. Kunstproduktion im Vorbeigehen angeregt wird macht Johannes vor allem in den langen Wintern fest. „Ich glaube, sie haben es dann doch gern gemütlich, und gemütlich heißt oft gleichzeitig musikalisch. Sie sagen selbst, dass die langen Winter dazu führen, dass sie künstlerisch so produktiv sind, also dass auch jemand, der einen ganz anderen Job hat, Gedichte schreibt oder anderswie künstlerisch tätig ist.“ Island schien deshalb geradezu prädestiniert für sein Projekt.

Piano im Acting Department, College, Reykjavik

Johannes Mandorfer

Piano im College Of Music, Reykjavik

Das Detail im Detail

Johannes Mandorfer hat an der Universität für angewandte Kunst in Wien studiert und schon während der Zeit an der Uni ein Interesse am Prinzip der Wiederholung entwickelt, also am vermeintlich Gleichen, ein Interesse „an etwas, das man als abstraktes Konzept abtut, als ein Ding. Ich mag es persönlich sehr gern, wenn eine künstlerische Arbeit dann aber genau das Detail betont, das den feinen Unterschied macht. Deshalb versuche ich das auch selbst.“

Vor allem auch sein musikalisches Wirken bei Hearts Hearts hat seine vorher schon sehr guten Ohren herausgefordert: „Wenn man dann im Studio ist, ob beim Mischen oder Mastering, dann sieht man erst, was alles möglich ist - in der Musik, in diesem Fall. Welche kleinen Nuancen alles ändern können, dass Strings nicht gleich Strings, und Drums nicht gleich Drums sind.“

Vier Wochen verbringt Johannes Mandorfer im Rahmen seiner Artist Residency in Island. er durchstreift die Straßen von Reykjavik, oft acht Stunden pro Tag. An vielen Orten findet er noch die besagten öffentlichen Pianos und nimmt bei jedem von ihnen das eingestrichene D auf. An vielen anderen Plätzen stehen mittlerweile Hotels, Restaurants oder Hostels. Island ist eine immer beliebtere Reisedestination geworden.

Piano im Grand Hotel Reykjavik

Johannes Mandorfer

Grand Hotel Reykjavik

„An manche Pianos konnte ich mich noch erinnern, wie etwa natürlich die am College Of Music, an denen ich 2013 schon gespielt habe. Oder das im Grand Hotel, oder auch sehr ergiebig: einfach in Musikgeschäfte hineingehen. Einmal habe ich sogar versehentlich ein AA-Treffen in einer Kirche gecrasht. Ich habe aber auch versucht, etwas verstecktere Pianos zu finden, habe teilweise einfach bei Leuten zuhause angeläutet. Viele haben mich tatsächlich“, da schmunzelt er, „hineingelassen. Und so habe ich Tag für Tag immer neue Aufnahmen gesammelt.“

privates Piano, Reykjavik

Johannes Mandorfer

Ein privates Piano in einer Wohnung in Reykjavik

Von schönen Zufällen und kostbaren Raritäten

Johannes Mandorfer sammelt aber nicht nur an öffentlichen Pianos Aufnahmen, er kontaktiert auch mehrere ihm bekannte Musiker*innen und Bands. Im Studiokeller von Ex-Sigur-Ros-Mitglied Kjartan Sveinsson findet er eine herrliche Rarität: ein 102 Jahre altes Piano. Das hat Johannes aufgenommen, ebenso wie das Piano von Högni Egilsson - der neben seinem Soloprojekt auch bei GusGus und Hjaltalin spielt. Isländische Musiker*innen unterstützen ihn auf seiner crazy mission.

Ein Piano hat 88 Tasten - Johannes hat in ganz Reykjavik aber noch viel mehr D-Töne aufgenommen. Er hat schließlich die Tasten eines E-Pianos mit den einzelnen Tönen belegt und mit seinem Laptop verbunden- die Soundfiles werden mit einem Midi-Trigger (wenn man die jeweilige Taste drückt) gestartet.

Ausstellung Piano-Projekt Reyjkjavik Johannes Mandorfer

Johannes Mandorfer

Ausstellungseröffnung in der SIM Gallery Reykjavik mit Johannes Mandorfers Piano

Und, wie ist das Projekt beim Publikum angekommen? „Es war spannend zuzusehen, wie die Leute sich zuerst ganz vorsichtig daran gemacht haben, einzelne Tasten zu bedienen - und dann aber richtig angefangen haben, wild herumzudrücken und sich sogar mit den Ellbogen auf die Tasten zu stützen. Mir hat das gefallen, weil genau das der Punkt war: Ich wollte, dass die Hauptfunktion von diesem Ding, dem Piano, aussetzt. Die Leute haben verstanden, dass sie für das Spiel nichts können müssen, es bringt ja auch nichts, es sind 88 gleiche, oder ähnliche, Töne. Und das wiederum macht die eigentlichen Spieler zu Zuhörern.“

Man muss kein besonders entwickeltes Gehör besitzen, um die Unterschiede zwischen den einzelnen D-Tönen zu erkennen. Nicht nur, dass manche heller oder dünkler klingen; manche der Aufnahmen sind verstimmt, in manchen tickt eine Uhr im Hintergrund, in manchen bläst der eisige, isländische Wind.

„Ich habe dort in Reykjavik einfach ein noch stärkeres Bewusstsein für Sound bzw. die Möglichkeit unterschiedlicher Sounds entwickelt.“ Ein Ton ist eben nicht nur ein Ton - und gerade das führt auch zurück zu Johannes’ Band Hearts Hearts. Die gehen mit ihren Songs bekanntermaßen gerne in die Tiefe, was die Auslotung von Ton- und Klangfarben- bzw. deren Variationen angeht. Jetzt arbeiten die vier Soundtüftler am neuen, dritten Album.

Und so klingt es - Johannes Mandorfers Reykjavik-Piano:

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