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Diana Köhle

Radio FM4 | Jan Hestmann

Wortlautjurorin Diana Köhle über Tagebücher und Tagebuch-Slams

Sie ist ein Landkind und eine Stadterwachsene. Hier wie dort, sie schreibt Tagebuch und lässt andere aus deren Tagebüchern vorlesen. Wortlautjurorin Diana Köhle beantwortet private Fragen.

Von Zita Bereuter

Ende der 1980er Jahre in Tirol auf dem Land: Eine Neunjährige bekommt erstmals ein Tagebuch und notiert ihre dringendsten Gedanken: „Willst du mit mir gehen?“. April 2019 in Innsbruck im Treibhaus: Gut gelauntes Publikum wartet darauf, dass ihm aus Tagebüchern vorgelesen wird. Der Raum verdunkelt sich. Fünf Sterne Deluxe singen laut „Willst du mit mir gehen?“. Auf der Bühne erscheint Diana Köhle, Moderatorin und Organisatorin des Tagebuchslams. Die Geschichte vom kleinen Mädchen zur erfolgreichen Moderatorin der Tagebuchslams lässt sich in ihren Tagebüchern nachlesen. Oder hier kurz zusammengefasst:

Wortlaut 19

FM4

Wortlaut, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb

Die Jury privat:

  • Verena Rossbacher, Autorin
  • Diana Köhle, Veranstalterin & Moderatorin von Tagebuchslams
  • Marc Elsberg, Autor

Das Leben in den Bergen sei hart gewesen. „Ich hatte keine Freundinnen und Freunde, aber viel Zeit, um Tagebuch zu schreiben.“ Rückblickend lacht Diana Köhle. Ihre Geheimnisse hatte sie sicher versperrt mit einem kleinen Schloss. „Ich hatte drei ältere Brüder. Ich hoffe, dass die das nie geknackt haben, aber ich glaube, das passt.“

Tagebuchschreiben hat für Diana Köhle mehrere Besonderheiten: „Dass man da für sich im Geheimen geschrieben hat. Dass es eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist und dass es ganz eine eigene Sprache ist. Dass man dem Tagebuch Sachen anvertraut, die man sonst nie so niederschreiben würde.“

Jahrelang hat sie Tagebuch geschrieben, hat sich mit Sprache beschäftigt und Poetryslams besucht und organisiert. Eigene Texte konnte sie dort allerdings nicht vortragen, schrieb sie doch „nur“ Tagebuch. Daraus entwickelte sich 2013 die Idee, aus alten Tagebüchern zu lesen. Sie ließ sich diese von ihren Eltern schicken und hat erst mal Tränen gelacht. „Wenn man mit seinem damaligen Ich irgendwie abgeschlossen hat, kann man darüber lachen.“

In ihrem Freundeskreis gab es den ersten Tagebuchslam. Es folgten öffentliche Slams in Wien, in dem Bundesländern und im Fernsehen. Zuletzt erschien das Beste aus vier Jahren Tagebuchslam als Buch: „Wir haben nämlich beide eine Zahnspange, aber er nur oben.“.

Seither gab es 150 Tagebuchslams in ganz Österreich mit 420 unterschiedlichen Kandidatinnen und Kandidaten. Je vier Personen lesen aus ihren privaten Tagebüchern, die mindestens fünf Jahre alt sein müssen. Nach dieser Zeitspanne könne man mit der Vergangenheit umgehen. „Das sollte keine Form von Therapie sein“, sagt die Veranstalterin.

Was vorgelesen wird, weiß Diana Köhle vorab auch nicht. „Ich bin nicht die Zensur. Ich lasse mich genauso überraschen wie das Publikum und deshalb kann ich auch herzhaft ehrlich darüber lachen und reagieren. Also das ist jedes Mal natürlich ein volles Risiko. Aber es ist noch immer irgendwie gut gegangen. Denn das Schöne ist ja am Tagebuchslam: Wir lachen nicht übereinander, sondern miteinander. Und das zeigt, dass die schönsten Geschichten das Leben schreibt und das ist immer wieder sehr nett und jeder im Publikum findet sich im Tagebuch von einem, der vorliest, wieder.“

Liebes Tagebuch, bitte sei nicht traurig, aber ich hab auch noch ein zweites Tagebuch

Die gängigsten Themen sind natürlich Liebessachen. „Weil wir haben eigentlich alle Tagebuch geschrieben, wenn es uns nicht gut gegangen ist. Und das war dann halt meistens, wenn man unglücklich verliebt war oder sonstige Probleme gehabt hat.“ Seit Generationen ist das Thema gleich. Verändert haben sich nur die Kommunikationswege. „Früher war es halt so, dass man sich verabredet hat, in welchem Zugabteil man mit welchem Zug fährt, damit man sich wieder sieht. Eines meiner Lieblingszitate ist von einer Teilnehmerin, die war Jahrgang 1943, die hat geschrieben: ‚Reinhard hat mir heute einen Schilling gegeben, damit ich ihn morgen aus der Telefonzelle anrufen kann.‘ Da muss man nichts mehr dazu sagen. Das ist einfach total berührend und schön.“

Tägliches Schreiben

Mittlerweile schreibt Diana Köhle jeden Abend vor dem Einschlafen. „Egal in welchem Zustand“. Sie hat ein Fünf-Jahres-Tagebuch, in dem für jeden Tag fünf Absätze vorgesehen sind. So sieht man, was die letzten vier Jahre am gleichen Tag passiert ist. „Das ist sehr spannend, weil die letzten fünf Jahre hat sich in meinem Leben sehr viel getan - aufgrund des Tagebuchslams. Das ist sehr schön, das zu lesen.“

Diana Köhle

Radio FM4 | Jan Hestmann

Diana Köhle hört bei ihren Tagebuchslams österreichweit äußerst private Dinge. „Privat“ ist auch das Thema von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb, bei dem sie heuer Jurorin ist. Eine gute Kurzgeschichte muss sie überraschen. „Also es darf nicht von Beginn an vorhersehbar sein, wie das ausgeht. Es sollte vielleicht eine eigene Sprache sein, die ich wiedererkenne und auch schöne Bilder müssen bei mir im Kopf entstehen. Weil diese Texte bleiben bei mir dann länger hängen. Ich lese viel, deshalb muss das dann etwas Spezielles sein, damit das mich auch überrascht und hängenbleibt.“

Vielleicht werden heuer Tagebucheinträge zu Wortlaut eingereicht. Aber Vorsicht vor Fakes: „Ich kenn schon so viele gute Tagebucheinträge. Faken kann man das nicht richtig. Das ist eben das Spezielle: Tagebücher sind eine ganz eigene Sprache. Ich hab ein Zitat noch im Kopf, da hat einer reingeschrieben: ‚Liebes Tagebuch, ich bin heute total depressiv. Mir tun sogar die Nudeln leid, die ich nicht aufgegessen habe.‘ So ein Satz fällt doch sonst niemandem ein. Ich find den großartig. Sowas bleibt mir hängen.“

Private Fragen an Diana Köhle

Kennst du alle deine Facebookfreunde persönlich?
Ja.

Welche privaten Handynummern kennst du auswendig?
Von meinen Eltern. Das ist die einzige mittlerweile.

Wie oft wechselst du deine privaten Passwörter?
Boah, das ist furchtbar. Ich hab jetzt ganz neu so einen Passwortmanager, weil ich gar nicht mehr zurechtkomme. Eigentlich ist das erste Passwort meines Lebens immer noch das Hauptpasswort mit Abänderungen.

Wie sicherst du private Daten?
Das ist auch so ein Ding. Ich hab eine Freundin, die für mich das ganze macht, weil ich da echt den Überblick verloren hab. Muss ich ehrlich sagen.

Wie würdest du dich privat beschreiben?
Ich kann auch sehr ruhig sein. Manche Leute, die mich nur von der Bühne kennen, sagen, du bist ja auch ruhig.

Bist du privat anders als in der Öffentlichkeit?
In der Öffentlichkeit nicht, aber auf der Bühne schon. Das ist nochmal was anderes. Das ist eine Form von Rolle. Das gehört für mich total dazu, dass ich mich da speziell schminke, umziehe und dann ist das das ‚Bühnen-Ich‘. Privat bin ich vielleicht nicht so laut, wie ich auf der Bühne bin. Ich hab auch meine ruhigen Seiten.

Was wolltest du als Kind werden?
Hm das habe ich nicht gewusst, ich hab gewusst, dass ich Matura machen will. Das haben meine Lehrerinnen und Lehrer so schräg gefunden, dass ich das immer schon gesagt habe, aber dann hatte ich keinen Plan.

Was wolltest du nie werden?
Ich wollte nie Hausfrau werden. Ich wollte nie auf dem Land bleiben.

Also ich bin ein Landkind, aber eine Stadterwachsene

Hattest du je eine Zahnspange?
Ja, natürlich. Weil mein erster Kuss war auch mit Zahnspange und wir sind hängengeblieben und ich hab seither ein Kusstrauma. Und ich brauch heuer im Sommer wieder eine Zahnspange.

Bist du tätowiert?
Nein.

Was ist deine größte Angst?
Dass ich irgendwann einmal bereue, etwas nicht gemacht zu haben.

Wovon träumst du?
Irgendwann einmal am Meer zu leben.

Wo fängt für dich Privatsphäre an?
Ich halte zu viel Körperkontakt auch nicht aus. Also, wenn mir jemand zu nahe kommt, da krieg ich schon ein richtiges Problem.

Was ist deine guilty pleasure?
Hawai 5O. Eine Fernsehserie (lacht). Jetzt wisst ihr alles über mich.

Um welche Zeit fühlst du dich am wohlsten?
Im Sommer am Steg im Freibad.

Woran zweifelst du?
Momentan sehr an der Regierung.

Zweifelst du gerne?
Ich hinterfrage sehr gern viel, ja.

Wann bist du zuletzt rot geworden?
Das werde ich ständig. Ich hab nämlich Rosacea, das ist eine Hautkrankheit, dass man rot anläuft.

Bist du schüchtern?
Kann ich schon sein, ja.

Was war in deiner Jugend dein größtes Problem?
Dass ich so wenige Gleichgesinnte im Dorf hatte.

Wann hat dein Bauchgefühl nicht recht?
Eigentlich nie, ich kann mich auf mein Bauchgefühl sehr gut verlassen.

Bist du lieber allein oder in Gesellschaft?
Ich bin schon sehr gern selbständig.

Anrufen oder SMS schreiben?
Kommt auf das Thema an. Anrufen geht schneller, aber eigentlich bin ich mittlerweile schon die Schreiberin geworden.

Taxi oder Ubahn?
Fahrrad. Immer.

Hast du einen privaten Tick?
Ja, total. Ich bin eine vollkommen extrem abartige Listenschreiberin. In jeder Hinsicht. Ich hab Listen für die unmöglichsten Dinge. Es lacht schon jeder.

Was würdest du niemandem zeigen?
Also so privat? Ich glaube, ich bin durch den Tagebuchslam ein sehr offenes Buch geworden. Das fällt mir jetzt grad auf, weil alle Fragen hier, die sehr mit „privat“ zu tun haben, das gibt’s eigentlich fast gar nicht mehr. Ich hab da wahrscheinlich sehr viel Hemmungen mittlerweile weggeschmissen durch diesen Tagebuchslam. Ich hab das Gefühl, ich hab so viel schon gehört, das so privat war, dass mir gar nichts mehr peinlich ist. Ich glaub, das hat der Tagebuchslam geändert. Weil ich feststelle, dass ich darauf keine Antwort habe. Also das muss so sein.

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