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Kritik an Asylplänen des Innenministeriums

Die Bundesregierung will die Rechtsberatung für Menschen auf der Flucht verstaatlichen. NGOs und Institutionen protestieren. Diakonie-Direktorin Moser sagt: „Das schränkt den Zugang zu fairen Asylverfahren ein“.

Von Paul Pant

Mehr Staat, weniger privat ist die Leitlinie der Regierung bei der Betreuung von Flüchtlingen. Geplant ist eine Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (kurz BBU). Diese soll ab 2020 die Bundesbetreuung für Flüchtlinge organisieren - zum Beispiel in Traiskirchen und Thalham – und ab 2021 auch die Rechtsberatung übernehmen, alles unter der Aufsicht des Innenministeriums. Bei dem zweiten Punkt, der rechtlichen Unterstützung im Asylverfahren, schlägt nun eine breite Koalition aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Interessenvertretungen Alarm. Sie sagen: Der Rechtsstaat ist in Gefahr.

Der Gesetzesentwurf des Innenministeriums zur Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (kurz: BBU-Errichtungsgesetz)

Bis 12. April konnten die betroffenen NGOs und Institutionen dazu Stellung nehmen. Die Reaktionen fallen durch die Bank sehr kritisch aus. Die Richtervereinigung äußerte Bedenken, ob eine unabhängige Rechtsberatung unter Einfluss des Innenministeriums überhaupt möglich sei. Zum selben Schluss kommt auch das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR nach der Analyse des Regierungsentwurfs. Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich schreibt in einer Aussendung: „Mit dem geplanten Ausschluss aller zivilgesellschaftlichen Institutionen würde mit der neuen Agentur ein geschlossenes System geschaffen, mit allen potenziellen negativen Konsequenzen derartiger Systeme, wie mangelnder Transparenz, fehlender Kontrolle und höherer Fehleranfälligkeit“.

Der Samariterbund, die Österreichische Bischofskonferenz, die Evangelischen Kirchen und die Caritas äußerten ebenfalls große Bedenken und fordern eine unabhängige und weisungsfreie Rechtsberatung, die außerhalb des Innenministeriums angesiedelt sein müsse.

Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie, sagt zu den Plänen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) entschieden: „Nein, es braucht keine neue Bundesagentur für Asylwesen“. Die Bundesbetreuungsagentur, wie sie hier geplant sei, halten sie für eine Blackbox, die den Rechtsstaat und den freien Zugang zu fairen Asylverfahren gefährde, sagt Moser.

Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich ergänzt, dass der Gesetzesvorlage zufolge „die Rechtsberatung nicht mehr im Erstverfahren stattfinden wird“. Das würde Verfahren ohne Rechtsbeistand ermöglichen. Auch Fenninger sieht damit eine Gefährdung des Rechtsstaates.

Unabhängigkeit durch Bereichsleiter?

Die Argumente aus dem Innenministerium, dass es einen Bereichsleiter aus dem Justizministerium in der neuen BBU geben werde und die Rechtsberaterinnen und -berater weisungsfrei gestellt werden sollen, lassen Moser und Fenninger nicht gelten. „Wir halten das für ein Feigenblatt, weil man auch überhaupt nicht weiß, wie diese Handlungsvollmachten dieses Bereichsleiters aussehen werden“, sagt Moser. Sie kritisiert auch, dass die Geschäftsordnung der BBU erst nach der Errichtung festgelegt werden soll. „Die Geschäftsordnung wird vom Geschäftsführer der gesamten Agentur festgelegt. Der wiederum wird vom Innenminister bestellt und ist dem auch weisungsgebunden, damit ist für uns ganz klar, alles ist im Innenministerium angesiedelt. Das ist europaweit einmalig, das geht nicht“, sagt Moser.

Derzeit wird die Rechtsberatung von Menschen auf der Flucht von zwei Trägervereinen durchgeführt: dem Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) und der Arge Rechtsberatung, die sich aus Diakonie und Volkshilfe Oberösterreich zusammensetzt. Die Rückkehrberatung ist vor allem im VMÖ angesiedelt. Auch Güner Ecker, Geschäftsführer des Vereins zeigt sich nicht erfreut über die Regierungspläne: „Auch wenn wir über diesen Gang der Dinge nicht besonders glücklich sind, haben wir nun großes Interesse daran mitzuwirken, dass die Bundesagentur ihre Tätigkeit von Anfang an entfalten kann, denn es geht ja unabhängig davon, welche Einrichtung diese Leistung erbringt darum, dass Asylwerber und Fremde eine professionelle Rechtsberatung beziehen können“.

Aktuelle Organisation

Das Geld für die Rechtsberatung kommt derzeit aus verschiedenen staatliche Quellen. Die rechtliche Hilfe ist den Asylwerbern per Gesetz garantiert. Anspruch darauf haben sie im sogenannten Zulassungsverfahren und später in der zweiten Instanz, bei Einsprüchen gegen negative Bescheide. Diese Verfahren liegen in der Zuständigkeit des Justizressorts und machen derzeit auch den größten Teil der Rechtsberatungen aus (über 90 Prozent der Fälle). Die Arge Rechtsberatung kümmert sich fast ausschließlich um solche Fälle. Laut Diakonie sind rund 30.000 Verfahren anhängig. Mehr als 40 Prozent der erstinstanzlichen Asylentscheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) werden wegen Fehlern aufgehoben. Das BFA ist eine Behörde des Innenministeriums.

Kosten sparen

Die Ziele des Innenministeriums mit der BBU sind aber nicht nur weniger Einsprüche und kürzere Verfahren. Im Begleittext des Ministerialentwurfes wird argumentiert, dass neben der Gewährleistung von „objektiver Rechtsberatung“ und „Forcierung von freiwilliger Rückkehr durch qualitätsvolle Rückkehrberatung“ vor allem viel Geld gespart werden soll. Insgesamt sind jährliche Einsparungen von 15,4 Millionen Euro ab 2023 angepeilt. Bemerkenswert dabei ist, dass allein im Bereich der Rechtsberatung ab 2021 jährlich rund drei Millionen Euro eingespart werden sollen, also eigentlich in der Zuständigkeit des Justizministeriums unter Josef Moser (für die ÖVP). Trotz dem Geldversprechen soll es aber koalitionsintern zwischen Justiz- und Innenministerium gekriselt haben. Auch hier war das Thema Unabhängigkeit der Rechtsberatung der Streitpunkt.

Weniger Personal

Dass drei Millionen Euro weniger in der Rechtsberatung sehr viel Geld sind, belegt eine parlamentarische Anfrage an Justizminister Josef Moser über die derzeitigen Aufwendungen. Diese beliefen sich für das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), das in der zweiten Instanz zuständig ist, im Jahr 2018 auf etwa 13,5 Mio Euro. Das Innenministerium sieht hier also ein Einsparungsvolumen von mehr als 20 Prozent. Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser sieht darin den Beleg, dass das System Rechtsberatung zusätzlich kaputtgespart werden soll. Schon jetzt habe die Diakonie im Jahr 2018 über 20.000 Stunden Rechtsberatung selbst finanziert, aus Spenden und Beiträgen der Kirche, sagt Moser. Und fügt an: „Von daher kann es das Innenministerium selber schon einmal nicht billiger machen“. Eine Kostenreduktion ginge nur über die Qualität und das Personal.

Ihre Befürchtungen sieht Moser darin begründet, dass laut der Vorlage nur mehr 110 Rechtsberaterinnen und Rechtsberater in der BBU arbeiten sollen. So steht es im Plan des Ministeriums. Moser dazu: „110 Personen hatten wir allein als Diakonie und es gab auch noch andere Organisationen, die Rechtsberatung gemacht haben. Das heißt, es wird massiv Personal reduziert, dadurch wird logischerweise die Rechtsberatung billiger, aber um den Preis eines massiven Qualitätsverlustes, bei dem ich sage, das schränkt den Zugang zu einem fairen Asylverfahren ein.“

Teure Bundesbetreuung

Dass bei der Rechtsberatung gespart werden soll, kritisiert auch Erich Fenninger von der Volkshilfe. Dazu ergänzt Fenninger, er sei irritiert über die Kosten, die das Innenministerium für die Betreuung von Flüchtlingen angegeben hat. „Im Begleitwerk dieser Unterlage konnten wir einsehen, dass die Kosten für die Betreuung von Flüchtlingen, die der Bund übernommen und an private Firmen vergeben hat, 183 Euro pro Flüchtling und Tag ausgemacht hat. Während NGOs und gemeinnützige Vereine wie Volkshilfe und Diakonie 21 Euro pro Tag für die Grundversorgung bekommen haben.“

Fenninger kann nicht nachvollziehen, wie das Innenministerium auf Kosten von 183 Euro pro Tag und Flüchtling komme. Sollten diese Zahlen aber stimmen, fragt Fenninger, müsse geklärt werden, wie es zustande kam, dass „eine der Regierung nahestehende Organisation 183 Euro eingestreift hat, während die Volkshilfe 21 Euro pro Tag bekommen hat."

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