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Visualisierung der Murwelle in Graz

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Die versprochene Welle

Surfen kann man auch in heimischen Flüssen. In Graz verlieren die Mursurfer*innen durch den Bau des umstrittenen Wasserkraftwerks in Graz ihre Wellen. Jetzt hat die Stadtregierung den Bau einer Welle versprochen.

Von Maria Motter

„Wir checken dauernd die Wettervorhersagen: Den Regen fürs Riversurfen und die Stürme fürs Meer“, sagt Paul Sorger und er erklärt, dass Surfen zwar ein Sport sei, von dem viele denken, dass man ihn in Österreich nicht ausüben könne. Doch surfen lässt es sich sehr gut auf Flusswellen. In Graz war das bis vor Kurzem mitten in der Stadt möglich. „Ganz lustig ist, dass man doch mitten in der Stadt auf wilde Tiere stößt. Auf Äskolapnattern und andere Schlangen - ja, das war’s dann aber auch schon. Krokodile gibt es keine!“

Für den umstrittenen Bau des Wasserkraftwerks im Stadtgebiet wird der Fluss allerdings gestaut. Bereits als die ersten Pläne zum Kraftwerk vor Jahren publik gemacht wurden, forderten die Surfer*innen in Graz einen Ersatz, da sie „ihre“ Wellen durch die Eingriffe am und im Fluss verlieren. Jetzt hat die schwarz-blaue Stadtregierung angekündigt, eine Surf- und Kajakwelle mit Wildwasserbereich zu bauen.

Steht man heute auf der Murinsel und blickt Richtung Hauptbrücke - auf der einen Seite das Kaufhaus Kastner&Öhler, auf der anderen der Mariahilferplatz und dann das Kunsthaus -, so überblickt man den Bereich dieser Vision. Über eine Betonrampe wird der Fluss in einem Drittel so geführt, dass ein Gefälle entsteht.

Michael Strömer auf einer Brücke über die Mur

Maria Motter

Wellenbauer Michael Strömer auf der Murinsel. Läuft alles glatt, kann in genau diesem Flussabschnitt ab 2021 gesurft werden

„Eineinhalb Meter wird die Welle hoch sein, ein richtig gutes Gerät“, freut sich Michael Strömer. Der Wassersportler ist begeisterter Kajakfahrer, Surfer und er ist: Wellenbauer. Schon 2003 stand er mit einem Bagger an der Mur, als Graz Europäische Kulturhauptstadt war und ein Unwetter die Steine im Wasser verschoben hatte. Damals versuchte er, die Steine in Position zu bringen. Natürliche Wellen können durch das Geröll im Fluss wieder verschwinden. Inzwischen hat Michael Strömer einige Wellen gebaut, etwa jene am Almkanal in Salzburg.

Euphorie und Realität

Die geplante Welle mitten in Graz soll acht Monate des Jahres laufen. Für die Kajakfahrer*innen ist eine Strecke mit Steininseln geplant. Die Surf- und Kajakwelle sei ein Teilprojekt des großen Projekts „Lebensraum Mur“, sagt der Chef der Grünraumabteilung und für das Projekt „Lebensraum Mur“ Gesamtverantwortliche, der Diplomingenieur Robert Wiener. Eine Fertigstellung der Welle ist 2021 realistisch. Auch die Sachverständigenkommission des UNESCO-Weltkulturerbes muss die Pläne absegnen. Die technische Machbarkeit ist abgesichert. Als Nächstes geht es ins Wasserbaulabor: Dort wird ermittelt, wie die Welle bei Hochwasser ausschauen würde.

Riversurfen in Österreich
Die Riversurfszene in Österreich gibt kräftige Lebenszeichen von sich. Besonders stark ist sie etwa im Salzkammergut, so wird Bad Ischl etwa jeden Mai zum Kalifornien Österreichs.

Im Salzkammergut wird im Moment auch an einer künstlichen Flusswelle gebaut. In Ebensee soll die größte künstliche Flusswelle Europas entstehen.

In Wien, bzw. jetzt vor der SCS steht seit 2016 die mit Pumpen betriebene City Wave.

Im Zillertal soll eine touristische Welle errichtet werden.

In Innsbruck und in Villach wünscht man sich ebenfalls künstliche Flusswellen.

Die Gestaltung einer Augartenbucht, die den beliebten Augartenpark in seiner bisherigen Form verändern wird, ist auch eines der Projekte des „Lebensraum Mur“, den sich die Stadtregierung vorgenommen hat. Der unabhängige Stadtrechnungshof kritisierte im Jänner die Kostensteigerungen bei der Absenkung des Augartens. Die Stadt Graz hat 1,3 Milliarden Euro Schulden. An und für sich habe die Stadt kein Geld, übersetzt der Stadtrechnungshofdirektor Hans-Georg Windhaber diese Summe. „Was sind die Dinge, die wir wirklich brauchen? Alles andere ist nice-to-have“, sagt Windhaber. Doch wenn man für sein Steuergeld nur das bekäme, was man bräuchte, wäre das nur Wasser und Kanal? Man müsse sich stets die Kosten-Nutzen-Rechnung anschauen: Was haben die BürgerInnen davon. Robert Wiener sagt, ihm ginge es darum, größtmögliche Synergien mit dem Murkraftwerk Puntigam für die BürgerInnen nutzen zu wollen: „Die Begleitprojekte wachsen aus den Ufern und aus dem Wasser heraus und werden sichtbar“.

Für PassantInnen sind die Mursurfer*innen eine Attraktion. Schon auf der Hauptbrücke blieb man in den letzten Jahren gern stehen, um den Surfer*innen zuzuschauen, die sich hier mit einem Seil behalfen, um auf einer kleinen Welle zu surfen. Auf der übernächsten Brücke flussabwärts von der Hauptbrücke, bei der Radetzkybrücke, hat das Surfen mehr Spaß gemacht. Doch ein heftiges Hochwasser hat die Wellen dort zerstört und das Surfvergnügen in Graz eingedämmt.

Riversurfer in der Mur

Murbreak

So fühlt sich das an, auf der Mur zu surfen

„Wenn man nie mit dem Fluss in Berührung gekommen ist, dann hat man echt Angst davor. Das Wasser erscheint dunkel, ich kann das nachvollziehen. Aber diese Angst und Scheu legt man komplett ab“, sagt Paul Sorger, der Kassier des Grazer Vereins Murbreak. Er ist Kaffeeröstmeister und betreibt einen Coffeeshop, ans Meer kommt er nicht so oft und vor allem nicht so oft, wie er surfen möchte. So hat er wie ein paar Dutzend andere Grazer*innen die Mur für sich entdeckt. Fällt er ins Wasser, versucht er, schön flach im Wasser zu bleiben und auf die Seite und wieder rauszuschwimmen. „Ich bin schon Aug in Aug mit einer Kreuzotter im Fluss geschwommen, das kann schon spannend sein! Aber das war nicht in Graz.“

Vorbild München?

Auf der geplanten 1,6 Meter hohen Welle mitten in Graz könnte man dann das Surfen lernen. Schon bisher eignet sich das Riversurfen an heimischen Spots als Einstiegsmöglichkeit für AnfängerInnen. „Wenn man nur auf dem Fluss stehen möchte, ohne sich viel zu bewegen, kannst du das relativ bald, dass du das Gefühl hast, den Punkt zu haben, in der Welle zu stehen“, versichert der Mursurfer Niko Van Hall. Wenn man ein paar Turns fahren möchte, dauere es schon länger.

Surfer auf der Mur

Murbreak

Paul Sorger surft seit Jahren auf der Mur in Graz.

In den Gesprächen mit Grazer Surfern fällt immer wieder München und die dortige stehende Welle am Eisbach im Englischen Garten, die kostenlos zugänglich ist. Auch in Graz soll die Welle kostenlos sein. Manche Mursurfer*innen sind jetzt innerlich zwiegespalten. Sie sagen, sie hätten jahrelang gegen das neue Kraftwerk an der Mur im Stadtgebiet protestiert und nun gebe ihnen die Stadt dieses Zuckerl, das die Murwelle für sie darstelle. Doch der eine oder andere, dem die „vier mal vier Meter“ Surfplatz in Graz mit den Jahren zu langweilig geworden sind, schließt nicht aus, sich dann wieder das Surfbrett zu schnappen und loszuradeln.

Paul Sorger vom Verein Murbreak äußert sich diplomatisch: „Wir vom Verein sind weder für das Kraftwerk noch dagegen. Jeder braucht Strom - jeder will auch eine schöne Natur haben“. Es gibt Argumente für und gegen das Kraftwerk, für den Verein zähle aber einzig und allein der Sport. „Den würden wir weiterhin gern ausüben. Deswegen sind wir happy, wenn diese Lösung jetzt für uns eine gute Welle bringt. Und in weiterer Folge könnte eigentlich bei jedem Kraftwerk eine Welle entstehen, wenn man einen Kanal um das Kraftwerk baut“. Die Surfer*innen vom Verein Murbreak gönnen ihr Vergnügen auch anderen. Selbst, wenn sie in der Zukunft an schönen Sommertagen vielleicht auch so lange in der Warteschlange stehen müssen wie Surfer*innen in München.

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