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Mit Monobrother durchs Wiener Stuwerviertel

Florian Wörgötter

Raportage: Mit Monobrother durch das Stuwerviertel

Der Mundart-Rapper Monobrother überzeugt auch auf seinem dritten Album „Solodarität“ mit zynischer Poesie im Wiener Schmäh. Der „Stuwerboy“ führt uns durch sein Grätzl in Wien Leopoldstadt: das Stuwerviertel. Eine Reportage über einen Stadtteil zwischen urbaner Dorfromantik, Rotlichtmilieu und Gentrifizierung.

Von Florian Wörgötter

Noch leuchten keine roten Lichter im Stuwerviertel. Der Go-Go-Schuppen Xena Bar könnte Freitag Nachmittag auch als Kostümverleih durchgehen, das Cafè Pam Pam tatsächlich als Imbiss-Stube. „Es wird sehr viel Tam Tam um den Strich gemacht. Doch die Bewohner hier empfinden die Rotlicht-Lokale nicht als anrüchig, sondern als Nachbarschaft“, erklärt Monobrother sein Viertel, nachdem wir vom Wiener Wurstelprater in die „Innereien“ des Stuwerviertels vordringen. „Das Aufregendste am Stuwerviertel ist seine Unaufgeregtheit. Und dass hier alle Schichten nebeneinander leben.“

Live-Termine:
Do, 25. April, Wien/Arena, Kleine Halle (Ausverkauft)
Sa, 4. Mai, Linz/Kapu

Sa, 11. Mai, Graz/PPC

Fr, 17. Mai, Weyer Markt/Schlosserei
Sa, 18. Mai, @ 22 Years The Message Magazine, Wien/Fluc

Hoch die Solodarität

Der Wiener Mundart-Rapper hat soeben sein drittes Album „Solodarität“ veröffentlicht. Das auf dem Label Honigdachs erschienene Werk ist eine lyrische wie musikalische Sternstunde des österreichischen HipHops. Monobrothers Feder beißt genussvoll dem postmodernen Individuum ins Wadel. Eine Empfehlung für alle Rapfans, Poeten und Kabarett-Freunde, die den Fleiß zwischen den Zeilen zu schätzen wissen – und für alle Bobos, Hipster und Weltverbesserer, die gerne über Bobos, Hipster und Weltverbesserer lästern. Monobrother hält den Spiegel hoch für euch/uns/die anderen.

Mit Monobrother durchs Wiener Stuwerviertel

Florian Wörgötter

Als Vorboten droppte Monobrother den Song „Stuwerboy“, eine Hommage an sein Grätzl im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in dem der 33-Jährige seine ersten zehn Lebensjahre und die letzten zehn Jahre gelebt hat. Dieser Song ist der Soundtrack dieses Texts. Volle Konzentration macht sich bezahlt, denn wie in jedem Monobrother-Song ist auch hier die Pointendichte kaum in einem einzigem Hördurchgang erfassbar.

Die positivste Seite ist die Negativität

Wenn Monobrother an seine Kindheit im Stuwerviertel zurückdenkt, erinnert er sich an Kindergeschrei, FSK ab 18-Programm und G’schichten von Bauchstichen. Doch er zählt nicht zu jenen Rapfiguren, die ihre Straßentauglichkeit mit solchen Themen auffetten müssen. Wie schon mit den Brüdern im Geiste Kreiml & Samurai eindrucksvoll bewiesen („Wiener“), schießt der Wiener Schmäh, angesoffen voller Zynismus, Ironie und Grant, durch seine Adern wie das violette Blut seiner Austria Wien. Obwohl der hühnenhafte Monobrother die Gene eines korbgefährlichen Basketball-Centers in sich trägt, die er schon mit seinem Kumpadre Skero besungen hat („Kopf im Gnack“).

Dass er als Kind vom Probetraining bei der Austria rausflog, weil er in Badehose und Converse auf den Platz kam, soll später nur als logische Konsequenz seiner Unangepasstheit gedeutet werden, die ihn so angenehm abhebt vom heutigen Rap-Mainstream. Daher verwundert auch kaum sein Urteil, wenn er vom benachbarten Querulanten erzählt, der es mit aller Mühe allen Menschen schwer machen will: „Der Typ will gehasst werden, was ihn auf absurde Art schon wieder sympathisch macht."

Mit Monobrother durchs Wiener Stuwerviertel

Florian Wörgötter

Das Paradies zum Selberbasteln

Wir spazieren über das Kopfsteinpflaster in Richtung Ilgplatz, wo die breiten, von Bäumen gesäumten Gassen des Stuwerviertels zusammenlaufen. „Der Ilgplatz ist meine Oase. Ein Paradies zum Selberbasteln“, beschreibt Monobrother den steinernen Platz mit grünen Sprenkeln, umzingelt von der Ellipse eines Kreisverkehrs. „Der einzige Kreisverkehr, der mich auf abstrakte Weise anspricht.“ Und Monobrother weiß, wovon er redet, schließlich verbrachte er zehn Jahre dort, wo Kreise zur Kunst erhoben werden: in Niederösterreich („Mostblock“).

Er zeigt uns seine Frisörin Anita, bei der er sich zu Mitternacht zur Musik vom Nino aus Wien die Haare schneiden lässt. Wo heute Buffalo Hot Wings verkauft werden, residierte vor kurzem noch ein Handyshop, der sich auf die vier Grundbedürfnisse der Generation Smartphone konzentrierte: Ankauf, Verkauf, Reparatur, Mehlspeisen.

Mit Monobrother durchs Wiener Stuwerviertel

Florian Wörgötter

Neben dem Zirkus und Clownmuseum Wien erstrahlt das Zentrum des Ilgplatzes: das dezentral. „Stammhitt’n“ nennt Monobrother sein Beisl ums Eck. „Im dezentral habe ich Lebensjahre verloren.“ Da schreit ihm ein Bekannter: „Versteckst di unter der Kapuzen?“. Monobrother: „I war gestern unterwegs“. „Na, so schaut er aus!“.

Zur Krönung jeder Restfetten empfiehlt Monobrother die galligsten Spaghetti Carbonara in der Pizzeria Maradonna, dem Vapiano des Stuwerviertels. Beim Namen der deutschen Gastronomiekette vergeht ihm eher der Appetit.

Feinkost Julia vs. Biokistl

Seitdem 2013 nebenan der Campus der Wirtschaftsuniversität eröffnet und der Straßenstrich hinter verschlossene Türen gesperrt worden ist, haben sich viele Studenten angesiedelt. Monobrother amüsiert sich über „diese Bodymassindex twitternden Wohlfühlbrigaden auf Anti-Debreziner“ und die „High-Potentials“, die vorm Stuwerviertel fremdeln, „weil do menschelt’s“.

Mit Monobrother durchs Wiener Stuwerviertel

Florian Wörgötter

Als wir am Vorgartenmarkt ankommen, verdeutlichen sich die Anzeichen der Gentrifizierung und ihre „soziale Ambivalenz“, wie es Monobrother nennt. Alteingesessene Betriebe wie Feinkost Julia konkurrieren mit Biokistl-Anbietern und einer hippen Ramen-Bar. Ihr Klientel betitelt Monobrother provokant die „öko-djihadistischen Alnatura-Milizen". „Sie glauben an den guten, gesitteten Wettbewerb und denken, sie könnten mit dem richtigen Konsum den Idealzustand der Welt herstellen. Doch sie gehen durch die Welt wie Hans Guck-in-die-Luft und erwarten, dass alle so leben wie sie.“

Nachsatz: „Ich finde das hochgradig zynisch.“ Warum? „Weil wir in einem ökonomischen System leben, das es nicht mit allen gleich gut meint.“ Doch ist nicht der Konsum eine der wenigen Chancen, welche Konzerne wir unterstützen und welche eben nicht? Bedenkzeit. „Kann schon sein. Man muss sich trotzdem solidarisch mit den Menschen zeigen, die von jenen aus dem Viertel gedrängt werden, die sich unter besseren Voraussetzungen hier ansiedeln. Schließlich geht es um Existenzen.“

Mit Monobrother durchs Wiener Stuwerviertel

Florian Wörgötter

Die Grätzltour endet bei einem Wiener Schnitzel im tschechischen Wirtshaus Zum Mährischen Spatzen. Im Kopf bleibt eine Textzeile, die dennoch Hoffnung macht: „Es ist nicht alles Oasch, was glänzt“. Ob es nun die Lackstiefel der Sexarbeiterinnen vom Cafè Pam Pam sind, die Macbooks der zukünftigen Start-up-Gründer oder das in Alufolie verpackte Rindfleisch von Feinkost Julia.

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