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Screenshots aus "Avengers: Endgame"

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„Avengers Endgame“: Gigantomanie mit Herz

Auf diesen Moment hat das ganze „Marvel Cinematic Universe“ hingearbeitet. Nach 21 Filmen laufen in „Avengers: Endgame“ nun die zentralen Handlungsfäden der erfolgreichsten Superheldenfilme der Gegenwart zusammen. Und zwar auf ziemlich umwerfende Weise.

Von Christian Fuchs

Eigentlich hätte schon „Avengers: Infinity War“ nicht funktionieren dürfen. Die Regiebrüder Anthony und Joe Russo versuchten darin, 20 Superhelden aus verschiedensten Marvel-Streifen in einen Film zu packen, inklusive ihrer Freunde und Sidekicks. Das dramaturgisch schier unmögliche Unterfangen entpuppte sich aber als mitreißendes Spektakel, in dem unterschiedliche Styles und verschiedenste Handlungsstränge zu einem schlüssigen Gesamtbild verschmolzen.

Dabei konnte das Superhelden-Klassentreffen mit apokalyptischem Einschlag im Vorjahr nicht nur das Massenpublikum begeistern. „Avengers: Infinity War“, mittlerweile die erfolgreichste Comicverfilmung aller Zeiten, faszinierte auch weite Teile der Kritik. Nicht zuletzt wegen einem radikalen Ende, das in der Blockbuster-Historie ziemlich alleine dasteht. Der kosmische Bösewicht Thanos, der das halbe Universum auslöschen will, triumphiert in dem Epos tatsächlich über die versammelten irdischen Heldentruppen. Mit einem Fingerschnippen lässt er, dank der magischen Infinity-Steine, fünfzig Prozent des Lebens im Universum zu Asche zerfallen, darunter auch viele Superhero-Stars.

Dass das Ende nicht ganz so endgültig stehenbleiben würde, war in mehrfacher Hinsicht klar. Nicht nur, weil bereits ein Sequel auf die Zuseher lauerte. Oder weil ein derartiger Downer einfach gar nicht zum gut gelaunten Entertainment-Ethos des Marvel-Imperiums passt. Die betriebsame Produktionsfirma verkündete fast zeitgleich auch neue Filme mit Black Panther und Spider-Man, zwei der beliebtesten kostümierten Helden, die beide in den letzten Minuten des „Infinity War“ das Zeitliche segnen.

Screenshots aus "Avengers: Endgame"

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Pathos, Blödeleien und nostalgische Anspielungen

Macht „Avengers: Endgame“ nun also, mit einigen inhaltlichen Verrenkungen, den düsteren Ausklang des Vorgängerstreifens zunichte? Gelingt es den verbliebenen Superhelden mit kosmischen Kniffen ihre kämpferischen Kolleginnen und Kollegen wieder auferstehen zu lassen? Ganz so einfach ist die Sache glücklicherweise nicht. Wenn nach drei Stunden die überlangen Credits abrollen - auf eine Seqenz danach muss man übrigens erstmals bei Marvel nicht warten - werden schwere Verluste zu beklagen sein. Und sicher auch im Zuschauerraum Tränen fließen.

Dabei ist aber diesmal, mehr denn je, die Reise das Ziel. „Endgame“ arbeitet zwar über weite Strecken mit reduzierterer Besetzung als „Infinity War“, hat sich aber ein nicht minder wahnwitziges Unterfangen vorgenommen: Die Handlungsfäden aus 11 Jahren Marvelkino und 21 dazugehörigen Filme kulminieren zu lassen. Das klingt in der Theorie anstrengend und könnte es für Nichteingeweihte durchaus sein. Lassen die erneut im Regiestuhl sitzenden Russo-Brüder doch tatsächlich immens viele Quer-Referenzen aus dem MCU aufeinanderprallen.

Aber dann treffe ich beim Verlassen der Pressevorführung meine Kollegin Pia Reiser, die nur einen Teil der bisherigen Marvel-Werke gesehen hat. Und auch sie ist, wie der Comic-narrische Schreiber dieser Zeilen, von diesem irrwitzigen Avengers-Schlussakt weitgehend begeistert. Wir sind uns einig, dass der Film auf ziemlich virtuose Weise Pathos, Blödeleien und nostalgische Anspielungen ausbalanciert und alleine schon durch seine Ambition zu den Novitäten im Blockbuster-Bereich zählt.

Screenshots aus "Avengers: Endgame"

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Superhelden-Ermüdung und magische Momente

Dabei hat es einem Marvel auch als grundsätzlicher Sympathisant in der vergangenen Dekade nicht immer leichtgemacht. Verstrahlten die ersten Filme des Comickino-Studios, von „Iron-Man“ (2008) bis „The Avengers“ (2012), noch einen unverwechselbaren Charme, verließen sich Produzent Kevin Feige und sein Team danach oft auf bewährte Erfolgsformeln. Irgendwann machte sich, inmitten der aufgelegten Oneliner-Schmähs und unvermeidlichen digitalen Mega-Showdowns, eine ziemliche Superhelden-Ermüdung breit.

Vielleicht erwischte der allseits gehypte „Black Panther“ meine Wenigkeit deshalb 2018 nur als bedeutsames (pop-) kulturelles Ereignis, als Zwischensieg der afroamerikanischen Community in Hollywood-Land, statt mich als Film für sich einzunehmen. Jedenfalls beschloss ich damals, eine kleine Marvelpause einzulegen. Was mir natürlich nicht gelungen ist, angesichts der vielen magischen Momente, die „Avengers: Infinity War“ zu bieten hat.

Zuletzt wurde „Captain Marvel“ seinem Titel mehr als gerecht. Der wundersame Film erzählt die Backgroundgeschichte der Titelfigur auf so erfrischend unübliche Weise, dass die Fließband-Mentalität verwandter Streifen verblasst. Unter der Oberfläche eines fetten Sci-Fi-Action-Blockbusters verpacken die Macher einen reichhaltigen emotionalen, feministischen und politischen Subtext. Das hört sich jetzt ein bisschen trocken und bildungsbürgerlich an? Nun, „Captain Marvel“ rockt in jeder Hinsicht, nicht nur mit einem euphorisierenden 90ies-Soundtrack.

Screenshots aus "Avengers: Endgame"

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Achterbahnfahrt durch die Marvel-Vergangenheit

Die Weltenretterin Carol Danvers (Brie Larson) bringt auch am Anfang von „Avengers: Endgame“, der von fundamentaler Tragik gekennzeichnet ist, die Geschehnisse ins Rollen. Was dann folgt ist eine dreistündige Achterbahnfahrt durch die gesamte Marvel-Vergangenheit, die voller Herz, Humor und Hirn inszeniert ist.

Mit dabei: Ein seit langem wieder berührend spielender Robert Downey Jr., der Tony Starks Zerissenheit auf den Punkt bringt, der lustigste Chris Hemsworth ever als versoffener Thor mit Riesenbierbauch, Scarlett Johannsen als eindringlich gebrochene Black Widow, Mark Ruffalos bisher großartigste und schwer in Worte zu fassende Hulk-Interpretation. In der vielleicht schwierigsten, weil grundsätzlich biedersten Rolle brilliert Chris Evans als Hoffnungsfigur Captain Amerika.

Man könnte neben dem Urkern der Avengers noch etliche weitere DarstellerInnen lobend erwähnen, oder auf die Kurzauftritte von Michael Douglas, Michelle Pfeiffer oder Robert Redford hinweisen, was in einem Nachspann resultiert, der punkto Staraufgebot seinesgleichen sucht. Es menschelt jedenfalls an alle Ecken und Enden in diesem Film, ob im Avengers-Hauptquartier, in Asgard oder in den Tiefen des Alls, bis zum erwartungsgemäß gigantomanischen Showdown. Und auch nach der größten Schlacht, die Marvel bisher präsentierte, dominiert das kleinere human drama.

Screenshots aus "Avengers: Endgame"

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„So viel Film, so viele Klöße im Hals“, schrieb ein Freund von mir auf Facebook, „die beste Marvel-Produktion bis dato schafft es obendrein sogar noch, viele der Vorgängerfilme nachträglich aufzuwerten“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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