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Mavi Phoenix bei den Amadeus Austrian Music Awards 2019

APA/HERBERT NEUBAUER

„Wir feiern heute die österreichische Musikszene, aber man kann trotzdem noch mehr tun“

Mavi Phoenix und der Satz des Abends. Außerdem: Endlich frischer Wind im Volkstheater. Das waren die Amadeus Austrian Music Awards 2019.

Von Lisa Schneider

Preisverleihungen können furchtbar langweilig sein. Wer sieht sie sich an außer den nominierten Acts und natürlich denen, die die Musikwirtschaft am Leben halten? Gleich vorweg: die gestrige Amadeus Austrian Music Awards Show war sehenswert. Mehr noch, sie war unterhaltsam - und das in großem Gegensatz zum letzten Jahr.

Conchita Wurst als Verkörperung des Abends

Conchita Wurst ist auch heuer wieder als Hostess des Abends aufgetreten, wie erwartet bärtig und in langer Robe, mal schwarz, mal pink. Die Frau, der Mann, die den Satz „Jetzt hat sie uns den Schaß gwonnen“ in den österreichischen Sprachgebrauch eingeführt hat, die die Regierung in kurzen Taumel ob der Finanzierung des hiesigen Songcontests gebracht hat. Die eine fabelhafte Kunstfigur geschaffen hat. Schon letztes Jahr eine gute Moderatorin, traut sie sich heuer was. Erfrischend: „Wir würden uns schon auch das Hauptabendprogramm wünschen...“ sagt sie, augenzwinkernd. Kameraschwenk zu den im Publikum sitzenden Herren Blümel und Wrabetz.

Wurst bei den Amadeus Austrian Music Awards 2019

APA/HERBERT NEUBAUER

Conchita wird sich im Laufe des Abends außerdem selbst ankündigen, Schnitt und Voraufzeichnung machen’s möglich, plötzlich noch am Balkon, dann, ohne Perücke und mit neuem Musikprojekt „Wurst“, härter, elektronischer, nicht weniger dramatisch, selbst als Live-Act auf der Bühne.

Die Verwandlung von Conchita in Wurst ist wie eine kleine Metapher, die sich auf den Amadeus-Abend umlegen lässt: Überleben kann nur, was sich verändert. Keine Sorge, die Prüderie lässt Wurst weiterhin beiseite, nicht aber die Diva. Und auch nicht den fast nackten Hintern.

Gut, neu, jung, frisch, endlich

Schon der Start der Show ist gut überlegt. Er beginnt damit, worum es hier eigentlich geht: Musik. Ein Pop-Medley, mit dabei Thorsteinn Einarsson, unsere heurige ESC-Teilnehmerin Paenda, Cesar Sampson, Erwin und Edwin, Lou Asril. Weil es so gut zusammenpasst, sei hier auch gleich ein zweites, großes Medley erwähnt, es folgt später am Abend, diesmal im Bereich HipHop: Lent tritt gemeinsam mit Kreiml & Samurai und Keke auf.

Lou Asril bei den Amadeus Austrian Music Awards 2019

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Lou Asril

Dass in beide diese Medleys je ein brandneuer Act geschlüpft ist, ist die beste Idee des Abends und entkräftet die Vorwürfe, es kämen eh immer nur dieselben zur Show und es stünden eh immer nur dieselben auf der Bühne. Pop-Soul-Sänger Lou Asril ist noch weit davon entfernt, sich selbst in einer Kategorie nominiert zu sehen, genauso wie Sängerin und Rapperin Keke. Wie auch, Lou Asril hat gerade mal einen Song („Divine Goldmine“) veröffentlicht, Keke derer drei. Das ist frisch, gut, jung. So muss die Repräsentation österreichischer Musik - in diesem Fall eben im Fernsehen - auch aussehen.

Die Gewinner*innen der Amadeus Austrian Music Awards 2019:

Alle Gewinner und Gewinnerinnen des Amadeus 2019

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  • Song des Jahres „Cordula Grün“ von Josh
  • Album des Jahres „Klee“ von Ina Regen
  • Liveact des Jahres Pizzera & Jaus
  • Songwriter des Jahres Thomas Spitzer (Musik & Text) und Lemo (Text) für „Gegen den Wind“ (EAV feat. Lemo)
  • Tonstudiopreis „Best Sound“ „Mea Culpa“ von Bilderbuch; Recording: Marco Kleebauer, Mix: Maximilian Walch, Künstlerische Produktion: Marco Kleebauer
  • Lebenswerk EAV
  • FM4-Award Mavi Phoenix
  • Alternative Avec
  • Electronic/Dance Parov Stelar
  • Hard & Heavy Krautschädl
  • Hip-Hop/Urban RAF Camora
  • Jazz/World/Blues Norbert Schneider
  • Pop/Rock Seiler & Speer
  • Schlager/Volksmusik Die Mayerin

Und das wird aber am gestrigen Abend nicht nur live, sondern auch in scheinbar ganz einfachen Schritten, die so viel besser, jünger und ansprechender wirken als letztes Jahr, umgesetzt: Das Layout, mit dem die Genrekategorien angekündigt werden, ist ein Zusammenschnitt verschiedenster österreichischer Musikvideos, eine Frauenstimme führt ins Thema ein, in kluger, aber nicht belehrender und vor allem wirklich an allen Kategorien interessierter und informierter Weise.

Es sind Videos von Bands wie Flut oder Lea Santee zu sehen, die noch nie nominiert waren bzw. noch nicht zu den Preisträger*innen gehören; es ist eine breite Abbildung dessen, was eben passiert in der österreichischen Szene. Dass diese voraufgezeichneten Moderationen dann noch dazu so on point formuliert sind (dass man etwa, wenn eine „Hand“ erwähnt wird, ein Gewirr an Händen sieht, einen Shot aus dem Video „Pink Noise“ von Farewell Dear Ghost, erinnert an Thomas Edlingers knackige Gäste-Vorstellungen der Stermann-und-Grissemann-Sendung „Willkommen Österreich“), macht das alles noch viel besser.

Da geht doch noch ein bisschen mehr

Und ganz in diesem Sinne darf man den Auftritt von Mavi Phoenix verstehen. Sie wird von Yasmo angekündigt, die im Vorjahr mit ihrem Song „Girls just wanna have fundamental rights“, unterstützt von vielen Musikerinnen der Szene, den Vogel abgeschossen hat. Umso schöner, dass sie unsere FM4-Award-Gewinnerin ankündigt, Mavi Phoenix. Superstar. Es geht wieder weiter mit guter Livemusik, sie performt ihre neue Single „Romantic Mode“ zum ersten Mal. Wieder in verstärkter Livebesetzung, die den richtigen Drive mitbringt - mit Bass, Drums, und natürlich Alex The Flipper an den Decks. Stilsicher wie immer (dieser Anzug! Smaragdgrün, oversized, Nadelstreif). Selbstbewusst wie immer.

„Mein Name ist Mavi Phoenix“, stellt sie sich vor - für die, die sie noch nicht kennen. Schaut man raus aus der alternativen Bubble, gibt es davon viel zu viele. „Bevor meine Sprechzeit abläuft, muss ich noch eine Sache sagen: Mir schreiben so viele Leute, junge Leute, die Musik machen, dass ich ihnen Selbstbewusstsein vermittle. Wir feiern heute die österreichische Musikszene, aber man kann trotzdem noch mehr tun, um zu fördern, dass junge Leute weitermachen wollen. Und da muss ich sagen, da macht FM4 was dafür. Und sonst seh ich eigentlich nicht recht viel.“

Wirken lassen.

Was sonst noch skurril, lustig, erwähnenswert war

  • Dideldum, dideldei - ist da noch ein Plätzchen frei? EAV nehmen nach 40 Jahren Bandgeschichte den Amadeus fürs Lebenswerk entgegen. Bevor sie live auf der Bühne stehen (ohne Klaus Eberhartinger, aber mit Lemo), gibt’s den schönsten Archivfund-Videobeitrag des Abends.
  • Manchmal muss man aufhören, damit es richtig losgeht: Krautschädl, die seit 16 Jahren mit Mundart-Haudrauf-Rock durch die Zeltfeste des Landes touren, haben ihr Ende angekündigt. Jetzt füllen sie die Arena Wien - und holen sich den „Hard’n’Heavy“-Amadeus.
  • Norbert Schneider ist der sympathischste Mensch des Abends. Nicht nur wegen guter Zauselfrisur, auch wegen der charmanten Ehrlichkeit im Interview mit Conchita Wurst, als er den Amadeus für „Jazz World Blues“ entgegennimmt: „Ich hab wirklich geglaubt, dass ich großartig bin, mit 15 und Gitarre. Ich hab gedacht, in Österreich kann mich keiner schlagen. Dann hab ich ein Blueskonzert gesehen, zwei Gitarristen, es hat mich gebrochen. Im guten Sinn. Es ist egal, was du als Musiker kannst, es ist nur wichtig, dass du weißt, WAS du kannst.“

Außerdem hält er eine gute Rede, als er die Kategorie „Album des Jahres“ präsentiert. Anna Plaschg hat ihre Nominierung in besagter Kategorie ja abgelehnt, was von einigem Wirbel in den Sozialen Medien begleitet wurde: „Mich in derselben Kategorie sowie in derselben Veranstaltung mit einem Möchtegern-Magnaten zu wissen, der sein reaktionäres, nationalistisches, chauvinistisches und sexistisches Lebenskonzept zu kommerzialisieren weiß und hier Anklang findet, entsetzt mich derart, dass ich an der Veranstaltung nicht teilnehmen werde.“

Norbert Schneider sieht das ein bisschen anders. „Ich muss mich selbst an der Nase nehmen“, sagt er, „aber ich will’s versuchen“. Versuchen, auf die Leute im eigenen Umfeld zuzugehen, die anderer (politischer) Meinung sind - und mit ihnen zu reden. Nicht sich selbst abzuriegeln in der eigenen Blase. Demokratie lebt auch von Diskussion.

  • Die zwei DJ-Großmagnaten Darius & Finlay schenken DJ Ötzi nach gemeinsamem Medley einen „Stern“. Eine Trophäe für ihre gemeinsame Zeit. Die Geste rettet den Moment und lässt einen kurz den Ballermann im Volkstheater zwei Minuten zuvor verdrängen.
  • Raf Camora ist da. Wer hätte das gedacht. Knappe Rede, schnelle, aneinandergereihte „Danke, danke, danke“, Grüße an die Homies am Balkon, servas Svaba Ortak. Er gewinnt in der Kategorie „Rap/Hiphop“. Es kann sein, dass das, ähem, auch mit dem Ö3-Charts-Fiasko zusammenhängt, das er heuer ausgelöst hat.
  • Viel hat sich verändert, aber ein paar gute Dinge sind gleich geblieben bei den AMAs 19: Marco Kleebauer - seines Zeichens eine Hälfte des Duos Leyya, aber genauso wichtig als Produzent mittlerweile vieler österreichischer Acts - darf sich auch heuer wieder über einen Amadeus Award freuen. Letztes Jahr noch mit Leyya hier, diesmal mit Mixing-Partner Maximilian Walch: Es gibt den „Best Sound“ Amadeus für das Bilderbuch-Album „mea culpa“.

Fazit Amadeus 2019: Wo man letztes Jahr noch gesagt hätte, „Die Gewinner*innen kannst du dann eh online nachlesen“, war die Show heuer tatsächlich empfehlenswert unterhaltsam. Für alle, die sie jetzt sehen wollen: Die ORF TVthek stellt die Sendung bereit.

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