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Marc Elsberg

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Bestsellerautor und Wortlautjuror Marc Elsberg empfiehlt Lieblingsbücher

Marc Elsberg ist eher Architekt als Gärtner. Er plant seine literarischen Handlungen genau. Und das mit großem Erfolg: Millionenfach verkauft, in über 20 Sprachen übersetzt, jahrelang in den Bestsellerlisten. Umso mehr freut es uns, dass der Autor heuer auch in der Wortlautjury ist und in der FM4 Bücherei drei seiner Lieblingsbücher empfiehlt.

Von Zita Bereuter

Marcus Rafelsberger folgt seiner Neugier und seinen Interessen: Ein angefangenes Wirtschaftsstudium, ein Studium an der Angewandten, jahrelange Tätigkeit in der Werbung als Grafiker und später Artdirector. Über die Werbung kommt er zum Schreiben. „Weil gute Werbeideen leben von Bild und Text.“ In seinen Werbejahren nimmt er sich immer wieder Auszeiten zum Schreiben. Daraus entstehen eine Kolumne für das Album im Standard oder Bücher: Ein Satireroman und später klassische Krimis, die in Hamburg oder Wien spielen. Es folgt der Wechsel von Verlag, Genre und Namen.
Marc Elsberg schreibt jetzt sogenannte Science Thriller. Und das äußerst erfolgreich.

Buchcover

Blanvalet

Blackout. Morgen ist es zu spät“ erzählt von einem europaweiten Stromausfall. „Zero – sie wissen nicht was sie tun“ widmet sich Hackern, Datenschutz und Big Data. „Helix. Sie werden uns ersetzen“ handelt von Gentechnik und „Gier. Wie weit würdest du gehen?“ erklärt eine gerechte Wohlstandsverteilung - alle Titel sind bei Blanvalet erschienen.

Blackout

In seinen größten Bestseller „stolperte" Marc Elsberg hinein. „Ich wollte einen klassischen Thriller schreiben, wo Kriminelle ein Unternehmen erpressen.“
Dabei fiel ihm auf, wie sich die grundlegenden Organisationsstrukturen unserer Gesellschaft gewandelt haben - nicht nur kommunikativ, sondern auch strukturell. Das wollte er den Lesenden bewusst machen. Aus einer Werbestrategie weiß er: „Lass das weg, was den Leuten bewusst zu machen ist.“ Am schnellsten, einfachsten und effizientesten war das für ihn mit dem Stromnetz darstellbar. „Blackout ist nicht nur die Geschichte eines Stromausfalls, sondern die Geschichte, wie unsere Welt heute funktioniert.“

Zero

Das Thema interessierte ihn schon lange. Aufbauend auf einer Science-Fiction-Kurzgeschichte, die er bereits vor 15 Jahren geschrieben hatte, die aber nie erschienen ist, schrieb er diesen Thriller über Hacker, Datenschutz und Big Data.

Helix

Ausgehend für dieses Werk waren Beobachtungen in seinem Umfeld: Die Art und Weise, wie manche Eltern in den letzten zwanzig Jahren bereits ihre Kleinkinder förderten. „Manche dieser Kinder haben sogar mit drei oder vier Jahren schon einen Chinesischkurs belegt.“ Sehr früh nahm er da schon ein Wettbewerbsklima wahr. Gleichzeitig tat sich in der Gentechnik viel, ein Thema, das ihn auch schon lange interessierte. „Und da hab ich mich gefragt, was würden diese Eltern tun, wenn sie noch ganz andere Möglichkeiten hätten als nur gute Schulen usw. usf.“

Gier

Marc Elsberg stieß zufällig auf einen Artikel der London Mathematical Laboratory (LML), der ihn umgehend faszinierte. Mit einer Formel wollen diese Wissenschaftler Wohlstand für alle möglich machen. Damit unterscheidet sich „Gier“ von den anderen Thrillern. „Weil in Gier stelle ich eine wirkliche wissenschaftliche Neuheit vor. Das macht man in einem Thriller ja üblicherweise nicht."

„Aber dieses Buch musste ich schreiben, weil das, was darin steht, eine neue Welt eröffnet.“

Die wissenschaftlichen Ergebnisse des LML erklärt Marc Elsberg mit einer verständlichen „Bauernfabel“ (die ab Ende April auch animiert zu sehen ist) und bettet das in einen spannenden Thriller: Europa befindet sich in einer großen Wirtschafts– und Finanzkrise. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Politik und Wirtschaft unterstützen das ungerechte System.

Buchcover

Blanvalet

In Berlin treffen sich bei einem Sondergipfel schwerreiche Investoren und Wirtschaftstreibende mit einflussreichen Politikern. Die Eröffnungsrede hält ein Nobelpreisträger, der die sensationelle Formel für Gerechtigkeit auf der Welt erklären will. Die Formel für Wohlstand für alle.

Auf dem Weg zu seiner Rede stirbt er allerdings bei einem schweren Autounfall. Beim Unfall gibt es einen Zeugen: Jan, ein junger Krankenpfleger. Jan weiß, dass es kein Unfall war, sondern Mord. Auf gut 400 Seiten flüchtet Jan vor den Mördern und vor der Polizei und sucht gleichzeitig die Formel für Wohlstand für alle.

„Gemeinsamer Wohlstand führt uns zu mehr Wohlstand, wenn wir diesen Wohlstand richtig verteilen. Das ist das Gegenteil von dem, was wir in den letzten Jahrzehnten gelernt haben“, erklärt Marc Elsberg.

Dieser Spagat zwischen einem spannenden Plot und den Erklärungen von wirtschaftlichen Theorien und Begriffen ist nicht immer einfach. Das sprengt den Rahmen und sei auch nicht für jeden gleich nachvollziehbar. Dessen ist er sich wohl bewusst.

Einige Details richten sich an Fachpublikum, wenn man die aber nicht versteht, mache das auch nichts, meint Elsberg. Er sieht in dieser Formel einen Paradigmenwechsel und würde sich freuen, wenn sein Buch Denkanstöße gibt. „Weil es ist ein Prinzip, das bislang in den ökonomischen Lehren so nicht wahrgenommen wurde, das aber immens wichtig ist. Es ist das Grundprinzip wie Gesellschaft funktioniert. Warum Gesellschaft funktioniert.“

Zufall und Erfolg

Das Antriebsthema von Marc Elsberg ist seine persönliche Neugier. „Für mich sind das dann solche Reisen, die immer neue Überraschungen und Wendungen bringen.“ Diese Reisen versucht er dann in seinen Büchern nachzubilden. Dabei spielt auch der Zufall immer eine wichtige Rolle, wobei er gut vorbereitet sein muss. „Denn für den Autor ist der Zufall ein Hund.“ Zu schnell klingt das nach billigem Einfall. „Tatsächlich spielt der Zufall in unserem Leben eine immense Rolle. Er spielt zumindest eine wesentlich größere Rolle als wir gerne zugeben. Vor allem, als erfolgreiche Leute gerne zugeben.“

Er ist das beste Beispiel dafür. Vier Jahre hat er an einem Thriller über einen großen Stromausfall geschrieben. Das Manuskript wurde in dem Moment an die Verlage geschickt, als in Japan ein Atomkraftwerk explodiert, in Deutschland die Energiewende ausgerufen wird, alle großen Energieversorger vor dem Blackout warnen. „Und exakt in der Sekunde liegt ein Manuskript mit dem Titel ‚Blackout‘ und der Beschreibung eines großen Blackouts und den Hintergründen dafür auf den Tischen der Verlage. Das kannst du nicht planen.“

Dennoch hat es Monate gedauert, bis ‚Blackout‘ ein Bestseller wurde. Durch Mundpropaganda wurde das Buch empfohlen, bis es jahrelang in der Spiegel-Bestsellerliste landete. „Die Million war ein, zwei, drei Jahre später da.“ Natürlich sei es immer noch cool, wenn der Verlag eines Tages eine Flasche Schampus schickt „Für die Million“. Inzwischen sind sie auf dem deutschsprachigen Raum auf über 1,6 Millionen und das Buch wurde in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Büchereikarte für die FM4 Bücherei von Marc Elsberg

Radio FM4

Drei Lieblingsbücher von Marc Elsberg:

Jean-Claude Izzo: Die Marseille-Trilogie

Aus dem Französischen übersetzt von Katarina Grän und Ronald Voullié - erschienen im Unionsverlag

verschiedene FM4 Büchereiausweise

Zita Bereuter

Die FM4 Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.

Der oder die BesucherIn der FM4 Bücherei stellt seine oder ihre drei Lieblingsbücher vor bzw. Bücher, die man lesen sollte.

Mit Marc Elsberg am Sonntag, 16. September von 15 bis 16 Uhr in Connected.

Und 7 Tage zum Nachhören im FM4 Player.

"Großartige Geschichten mit einer ganz großartigen Figur in einer fantastischen Sprache.
Er ist ein Ex-Polizist, eine klassische Genrefigur, ein gebrochener Ermittler, der sozial auch ein bisschen seine Probleme hat. Eine ehrliche Haut, der halt mit Teilen der Welt nicht zu Recht kommt, schon gar nicht mit der sich wandelnden Welt. So weit so gehabt für das Genre. Das aber sehr schön gezeichnet in einer, wie ich finde, sehr schönen Sprache. Ich mag auch die Sprache gern bei Izzo.

Man muss vielleicht wissen, dass er die Romane geschrieben hat, als er bereits eine sehr unschöne gesundheitliche Diagnose bekommen hat und in seinen letzten Jahren seinen ursprünglichen Job aufgegeben hat und da offensichtlich mit ganzem Herz und ganzer Seele diese Bücher geschrieben hat.
Es spielt im Marseille des späten 20. Jahrhunderts, einer Stadt im Umbruch, und endet nicht unbedingt erfreulich für alle Beteiligten.

Es sind im Prinzip drei Geschichten, die aber so zusammenhängen, dass sie einen gemeinsamen Bogen haben. In jedem Band wird ein einzelner Subfall gelöst, in dem es meistens darum geht, dass es in Marseille auch diese Vorstädte gibt, in denen es große soziale Spannungen gibt. Das ist wie die meisten guten Krimis einfach auch ein Gesellschaftsbild."

Fernando Pessoa: Ein anarchistischer Bankier

Aus dem Portugiesischen übersetzt und mit einem Nachwort von Reinhold Werner - erschienen im Verlag Wagenbach

„Das ist die sehr lustige Geschichte, letztendliche eine Art Monolog, von einem Bankier, der erzählt, warum er, der eigentlich ursprünglich Anarchist gewesen war, zum Bankier wurde.
Und dass das auch die einzig logische Folgerung ist, die man ziehen kann: Wenn man Anarchist ist, muss man Bankier werden. Das ist ziemlich amüsant gemacht. Noch dazu von einem der großen europäischen Literaten des 20. Jahrhunderts.

Das finde ich eine brillante Miniatur über die menschliche Natur.“

Christophe Blain und Abel Lanzac: Quai D‘Orsay. Hinter den Kulissen der Macht

Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock, Handlettering von Olav Korth - erschienen bei Reprodukt

"Das ist das französische Außenministerium. Diese Graphic Novel erzählt die Geschichte eines Redenschreibers zu Zeiten des aufkommenden Irakkriegs, zu Anfang der 2000er Jahre. Das ist eine mehr oder minder verblümte Schlüssellochgeschichte.

Der Autor hat tatsächlich damals als Redenschreiber und Assistent des damaligen Ministers Dominique de Villepin gearbeitet und gibt einen grandios amüsanten humorvollen, wobei einem das Lachen oft im Hals stecken bleibt, Einblick in die Welt der internationalen Diplomatie, Politik etc.
Fantastisch gezeichnet – in dem Fall dann buchstäblich.
Den ersten Band, der auch der bessere ist, gibt es auch auf Deutsch."

Buchcover

Unionsverlag | Wagenbach | Reprodukt

Wortlaut

Heuer ist Marc Elsberg auch in der Wortlautjury. Eine Kurzgeschichte ist für ihn eine der Königsdisziplinen. „Der Aufwand ist fast so groß wie für einen Roman.“

Wortlaut 19

FM4

Wortlaut, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb

Die Jury privat:

Folglich muss eine Kurzgeschichte auch dasselbe können: „Sie muss eine spannende Geschichte erzählen können.“ Die soll auch eine ‚Moral von der G’schicht‘ haben, ohne dass es jetzt moralisch ist. Auch eine sehr gute Pointe gefällt ihm. „Aber es sollte schon mehr sein als ein guter Witz.“ Außerdem wünscht er sich „Spannende Figuren und eine überzeugende Sprache, die zur Geschichte passt.“

Um ins Schreiben zu kommen, empfiehlt Marc Elsberg gerade jungen AutorInnen einen einfachen aber radikalen Schritt: „Einfach drauflos schreiben und keine Angst davor zu haben, das Geschriebene wegzuwerfen.“ Ein alter kluger Kreativdirektor habe ihm beigebracht „Schmeiß den ersten Absatz immer weg. Das stimmt. Man steigt immer zu früh ein.“ Das Wichtigste sei, keine Angst davor zu haben zu Schreiben. „Weil Schreiben besteht nicht aus der genialen Inspiration, die einen die richtigen Worte sofort aufs Papier oder heute den Bildschirm fließen lässt. Sondern aus: Umschreiben. Umschreiben. Umschreiben. Umschreiben. Wegschmeißen. Wegschmeißen. Wegschmeißen. Wegschmeißen. Wenn man die Angst einmal abgelegt hat, dass das, was man sich so mühsam abgerungen hat, womöglich trotzdem wieder Mist ist und man es wegschmeißen muss, dann, hat man auch keine Angst mehr davor etwas zu schreiben. Weil dann weiß man, ‚ok, dann schmeiße ich es halt weg, wenn es nicht brauchbar war.’“

In diesem Sinn:
Umschreiben. Wegschmeißen und den Rest Einsenden.
An wortlaut.fm4@orf.at.

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