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Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Der erste Tag am Donaufestival 2019

In Krems begeben wir uns auf die Suche nach Antworten auf die Frage was eine neue Gesellschaft ausmacht und wir hören ihren Soundtrack: von abstrakt bis tanzbar, melancholisch, rockigst, technoid, voller Pathos, oben Ohne. Augen zu und durch: das Donaufestival ist eröffnet.

Von Susi Ondrušová und David Pfister

Ohne Kommunikation sei die Musik wie ein Furz in die Leere, meinen Giant Swan. Die beiden Musiker Robin Stewart und Harry Wright kennen sich seit Kindheitstagen, das blinde Vertrauen, ihre Liebe zur Improvisation (auch: Jam) macht sie zu einem der zu Zeit spannendsten Techno-Duos. Brutal laut und unvorhersehbar. Erlösung gar auch. Die beiden Mitglieder von Giant Swan stehen sich auf der Bühne gegenüber und sind Ton und Bildmaschine in einem: „We are our own visual!“ sagen sie im FM4-Interview. Die erste Nacht des Donaufestivals ist also eine kathartische Reinigung.

Giant Swan

David Visnjic

Giant Swan

Der Club als Eskapismus-Zentrale, in der man seine Sorgen vergessen kann, weil sie vom Tanz-Schweiß überflutet und weggespült werden. Ja, das funktioniert. Giant Swan sehen sich dabei nicht als „die zwei da oben“ und sprechen über Improvisation als ein Bindeglied zwischen ihnen und dem Publikum. Alle werden mit unerwarteten Elementen konfrontiert und können diese Soundwände gemeinsam erklimmen. „We are trying to step ourselves down a level as well as elevating other people in the audience so we can all be having the same conversations at the same volume. But the volume is just loud.”

Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Giant Swan

Der Wille zur Entdeckung

Das diesjährige Motto des Donaufestivals lautet „New Society“: Die Gesellschaft ist gespalten und zerrissen, in zwei oder zweitausend Lager. Was eint uns? Wohin bewegen wir uns und welche Zukunft erwartet uns? Ein Festival steht im besten Falle für das Gemeinsame. Die Besucher*innen haben einen gemeinsamen Nenner, eine Einigung, hier am Donaufestival ist das Gemeinsame der Wille zur Entdeckung. Allein die wechselnden Orte mit Programmpunkten zwischen Musik, Kunst und Performance fordern vom Publikum eine Offenheit.

Donaufestival 2019

David Višnjić

Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Welche Zukunft erwartet uns?

Auf die Frage, welche Zukunft sich die Bristoler Musiker von Giant Swan vorstellen, antworten sie „Legalize Marihuana“, bevor sie erzählen, wie unglaublich peinlich ihnen der Brexit ist und wie unangenehm, dass sich scheinbar ein Großteil der Bevölkerung Großbritanniens in einer machtvollen Position sieht, während sie ein Zerbrechen und Auseinanderdriften in eine politisch ungewisse Zukunft beobachten.

Welche Verantwortung haben also Musiker*innen und Künstler*innen in so einer Zeit? Die Wiener Schlagzeugerin Katharina Ernst, die am Donaufestival in der nicht nur schön klingenden, sondern auch mit eindrucksvollem Lichtspiel ausgestatteten Minoritenkirche auftritt, weiß, dass ihre Lebensrealität für andere noch eine Utopie sein mag. Sie erzählt die Geschichte vom Besuch im Ort ihrer Urgroßmutter, wo ihre Mitmenschen erstmals hören und sehen, dass man(n) von der Musik leben kann und das recht erfolgreich, wie sie mit ihrem Album „Extrametric“ beweist.

Katharina Ernst am Schlagzeug

David Visnjic

Katharina Ernst

Mit ihrer Arbeit könnte man sie am anderen Spektrum von Giant Swan sehen: „Es ist sehr genau getaktet, sehr klar geschrieben und auskomponiert. Es ist wenig Improvisation dabei. Das Output klingt vielleicht manchmal nach Techno und vielleicht nicht unbedingt nach neuer Musik oder nach einer Vorstellung die man davon hat, aber vom Prozess her würde ich es eher in neue Musik einordnen.“

Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Karin Pauer

„This is where we draw the line” von Karin Pauer/Aldo Giannotti kann man am 27.April und 28.April ab 16 Uhr im Forum Frohner besuchen.

Wer seine Augen vom einsetzenden Strobo-Effekt in der Minoritenkirche erholen wollte, konnte im Forum Frohner an der „Seil-Performance“ von Karin Pauer und Aldo Giannotti teilnehmen: bei der Performance „this is where I draw the line“ sieht man die beiden Künstler den weißen Raum abwandern und abtanzen, sie nähern sich dem Publikum und geben ihnen schwarze Seile in die Hand mit denen Sie Verknüpfungen zwischen Besucher*innen herstellen und eine „choreographische Gemeinschaft“ entstehen lassen. „This person is your family“ sagt Karin Pauer zu einem Gast und am anderen Seil-Ende flüstert sie: „This person knows all your secrets“.

Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Arabrot

Auch andere Genres haben Platz

Außer Performance, Club-Avantgarde und Electro-Nischen bemüht sich das Donaufestival auch seit jeher, ruppigen Genres wie Noise, Industrial und Wave eine Plattformen zu ermöglichen. Davon haben am ersten Tag auch die Todes-Blues-Rocker Arabrot aus Norwegen profitiert. Die bemühen sich, harsch und aufgekratzt wie frühe Bad Seeds zu benehmen und auch in textlicher Hinsicht eifern sie einem frühen Nick Cave zwischen Nihilismus und Transzedenz nach. Transzendenz soll dann auch das Stichwort für die Schwedin Anna Von Hausswolff sein.

Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Anna Von Hausswolff

Neben Anna Von Hausswolff´s vom Publikum umjubelten, recht düsteren Konzert, bei dem man sich als Mogwai- oder Zola Jesus-Fan nicht schwer getan hat, sich fallenzulassen, bot der erste Donaufestival-Tag auch: Blasmusik. Die Alien Disko Parade bestehend aus den beiden Notwist-Brüdern Markus und Micha Acher, die „Hochzeitskapelle“, die „Landlergeschwister“ und Andreas G.Rag Staebler vom Gutfeeling-Label. Die Blasinstrumenten-Kolonne marschierte mit den Besucher*innen von der Minoritenkirche Richtung Messehalle.

Eine choreographierte Wanderung also. „Es geht nicht um das konservative, um etwas „zu bewahren“, sondern eher darum, etwas aufzubrechen und einfach das zu machen, was einem gefällt“, erzählt Markus Acher im Interview. In der Parade erklingt zum Beispiel Hank Williams als Blasmusik-Neubearbeitung.

Den öffentlichen Raum mit Blasmusik erobern

Die Alien Disco arbeitet mit akustischen Instrumenten und ist laut ohne Verstärkung. Es geht ihnen darum, ohne großen Aufwand etwas Einfaches zu machen. Damit erobern sie auch den öffentlichen Raum, was letztendlich auch ein politischer Akt ist. Angesprochen auf das Festivalmotto und der Frage, wie für Acher die Zukunft der neuen Gesellschaft ausschaut, erzählt er, dass er grundsätzlich „seit jeher negativ in die Zukunft blickt“. Die Arbeit mit der Alien Disco und dem dazugehörigen Festival in München lässt ihn aber mit Mut und Zuversicht daran glauben, dass man „mit kleinen Mitteln etwas ganz Großes schon im direkten Umfeld oder in der Stadt in der man wohnt bewirken kann und auch verändern kann. Dieses zusammen etwas machen, Grenzen aufbrechen, sich Räume erobern. In München ist es halt extrem: immer mehr Reichtum, immer mehr reiche Leute, alles wird immer teurer, konservativer, abgeschlossener, so eine einzig große ‚gated community‘. Das aufzubrechen, das kann man schaffen. Das find ich immer, was mir Spaß macht. Deswegen blicke ich aus der Sicht eigentlich sehr positiv in die Zukunft.“

Die Blasmusik ist in seinen Augen auch ansteckend. Und so erzählt er von einer befreundeten japanischen Band, die nach einem Besuch beim Alien Disko Festival in Tokyo ihre eigene Blasmusikkapelle gegründet hat. Das erinnere ihn an den Punk-Ethos: einfach machen. Egal wie gut man´s kann. „Es können alle mitmachen und das ist eine sehr offene, verbindende Art.“

Ein Musiker, der ebenfalls an den DIY-Ethos glaubt, aber einen wichtigen Zusatz noch fordert ist Tyondai Braxton, der das Donaufestival in den vergangenen Jahren schon mit seiner Band Battles besucht hat und nun als Solo-Performer eingeladen war: „I appreciate the fight for an idea and not feel like you have to ask for permission to do something. But I also feel like that it can meander off to a situation where you feel like you don’t need to learn anything, you don’t need to understand the craft, you just gonna do something. I don’t mean to ascribe it to punk only, I’ll take it a broader step back: the idea of freedom in art, the idea of being liberated from the historical oppressive part of art is fine but it´s not licensed to be ignorant to the very thing that you´re a part of.”

Bilder vom Donaufestival 2019

David Višnjić

Tyondai Braxton

Ty Braxton widmet sich den abstrakten Formen der elektronischen Musik: „It´s a living breathing organism“, meint er über seine Solo-Performance, die diesmal allerdings ohne Stimme, ohne seine Gitarre, also alleine am Laptop und seinen Synths passiert. Die orchestrale Wärme, die seine Platten sehr wohl besitzen, fehlt beim Konzert vollends. So ist der Auftritt wie ein Spaziergang durch den Geräuschegarten: inklusive synthhaftem Vogelgezwitscher, „Zaun-öffne-Dich“-Tönen, Pingpong-Bällen, die am Asphalt dribbeln bis auf eben diesem ein Riss entsteht und die Soundkulisse verschlingt und ein verfremdetes Trommeln übrigbleibt. Aus diesem Loch holen einen erst Giant Swan wieder herauf.

Am zweiten Festivaltag erwarten uns am Samstag: Lafawndah, Holly Herndon, Lonnie Holley u.a. Das gesamte Festivalprogramm findet sich hier.

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