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Ein Einhorn im Garten

CC0 - Public Domain

Die „Instagram Poetin“ Yrsa Daley-Ward schreibt auch Prosa

Die Britin Yrsa Dailey-Ward wurde im englischsprachigen Raum als „Instagram poet“ bekannt. Sie kann aber auch Prosa: „Alles, was passiert ist“ ist eine berührende Erzählung aus ihrem Leben.

Von Eva Umbauer

Yrsa Daley-Ward wuchs im Norwesten von England auf, in der Nähe von Manchester. Ihre karibischstämmige Mutter arbeitete als Krankenschwester, mit vielen Nachtschichten. Ihren aus Nigeria stammenden Vater lernte Yrsa nie kennen. Die jamaikanischen Großeltern waren da und versuchten so gut es ging alles zusammenzuhalten. Der ältere Bruder ging zur Armee und kämpfte in Afghanistan und Roo, der kleine Bruder, malte sich in den Sternen am Himmel die ganze Welt aus.

Ich denke an den englischen Musiker Richard Ashcroft, als ich Yrsa Daley-Wards „Alles, was passiert ist“ lese und wie er einmal in einem Interview sagte, dass ihn sein nordenglischer Großvater immer wieder auf nächtliche Spaziergänge am Land mitnahm: Opa und Enkel zählten die Sterne und staunten über die gewaltige Schönheit des Himmels.

So gut verlief die Kindheit von Yrsa Daley-Ward nicht, aber weil sie nur diese eine hatte, musste sie etwas daraus machen: Gedichte schreiben.

Ihr von viel Leid geprägtes Aufwachsen hat sie veranlasst, die zu werden, die sie heute ist, eine Lyrikerin und Autorin.

Viel Furchtbares ist passiert

„Alles, was passiert ist“ heißt in der englischsprachigen Originalausgabe „The Terrible“, also das Furchtbare. Viel Schlimmes ist passiert, als Yrsa Daley-Ward Kind und Jugendliche war, etwa der so frühe Tod ihrer wunderschönen, aber mit dem Leben nicht zurechtkommenden Mutter.

Buchcover

Blumenbar Verlag

„Alles, was passiert ist“ ist in deutscher Übersetzung von Gregor Runge im Blumenbar Verlag erschienen.

Weiters gibt es englischsprachige Kurzgeschichten („On Snakes & Other Stories“) und einen Lyrikband („Bone“)von Yrsa Daley-Ward.

„Manchmal, wenn die Welt undurchschaubar und ungewiss wurde, wenn es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, bis etwas Schreckliches passieren würde, bekamen wir Einblick in die Vierte Dimension.“

Es war Ende der 90er, als Yrsa und Roo im kleinen Garten ihres Hauses ein Einhorn sahen. „Ungelogen“, schreibt Yrsa Daley-Ward. „Wir haben uns das nicht eingebildet, das Einhorn war da, keine Frage.“

Später in „Alles, was passiert ist“ erzählt Yrsa, dass der Garten meist komplett vermüllt war und dass ihre Mutter alles aufhob - Stifte, die nicht mehr schrieben, Schlüssel zu kleinen Kästchen, die es nicht mehr gab, am Strand von Blackpool gesammelte Muscheln, ein Tischtuch mit Teeflecken, rostige Keksdosen, und und und.

Berührende Prosa

Yrsa Daley-Ward zieht einen mit ihrer Prosa direkt hinein in ihre Vergangenheit, man lebt richtig mit beim Lesen, ist dabei, als sie Schmerzen hat, weil ihre Knochen so schnell wachsen, oder als sie sich die Haare abschneidet - eine Rotweinidee, wie Yrsa im Buch schreibt. Und man weint mit ihr, als ihre Mutter stirbt.

„Wie erschöpft Mum aussah. Sie hatte zweieinhalb Wochen Nachtschicht hinter sich. Wochentags arbeitete sie im Krankenhaus von Chorley und am Wochenende in Manchester. Sie konnte nicht wissen, dass ich sah, wie sie über den Rasen langsam zu ihrem Auto zurückging. Sie hatte ihren rosa Trainingsanzug falsch herum an. Ich betete zu Gott, damit es niemandem auffiel.“

Yrsa Daley-Ward mixt bei „Alles, was passiert ist“ Lyrik in ihre Prosa und sie gibt Kapiteln Überschriften wie „Das Mädchen und der Fensterputzer“, „Liebe/Geld“, „Himmel 1“ oder „Der ganze Rest“.

„Alle außer mir sind in Nordengland geblieben und werden älter. Ich bin weit genug weg, alles zu vergessen, außer im Schlaf. Ich wohne in London, wo die Stunden kürzer sind, die Monate weniger Tage haben...“

Das Unausgesprochene: Love, Sex, Race, Identity

Liebe, Sexualität, Familie, Rasse, Identität, Sucht, Mental Health, Glaube, der Tod und noch vieles mehr, über das meist nicht gesprochen wird, kommt in „Alles, was passiert ist“ von Yrsa Daley-Ward vor. Jeder Mensch hat sein ganz eigenes Furchtbares, das er oder sie verkraften muss. Vielleicht findet dieses Buch gerade deshalb so Anklang.

„Alles, was passiert ist“ atmet und schwitzt, weint und lacht, ist heavy und dann wieder leichtfüßig. Und voller Hoffnung. Florence Welch von Florence And The Machine zählt zu den Fans dieses Buches und seiner Autorin, und es werden immer mehr. Manchmal zeigt die Welt also doch noch einen Hauch von Gerechtigkeit.

„Es donnert. Auf einmal scheint Roo durch das Seitenfenster etwas zu sehen. Er zuckt zusammen und lässt seine Zigarette versehentlich aus dem Fenster fallen.“

Ein Einhorn? Roo muss wieder ein Einhorn gesehen haben, nach all den Jahren. Oder doch etwas Anderes?

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