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E-Scooter

APA/AFP/Christophe ARCHAMBAULT

Ich habe versucht, mit E-Scooter-Juicen Geld zu verdienen

Spoiler: Es ist anstrengender, als es aussieht.

Von Felix Diewald

Alles fängt damit an, dass ich betrunken das Café Europa verlasse und über die Wiener Mariahilferstraße nachhause gehe. Da kommt mir einer entgegen, nicht auf einem E-Scooter, er fährt mit drei Stück, übereinandergestapelt, als wäre es das Normalste der Welt. Natürlich konfrontiere ich ihn, was er da, bitteschön, mache. Er lächelt und sagt, ohne stehenzubleiben: „Ich bin Scooter-Juicer.“

Der Job des Scooter-Juicers, so steht es in diversen Blogs im Web: Am Weg nach Hause von der Arbeit oder Uni schnell einen oder zwei Scooter mitnehmen und zuhause aufladen. Den dann am nächsten Tag in der Früh zu einer Sammelstelle bringen und vier Euro pro Scooter verdienen. Ich denke: Gute Idee, gutes, nebenbei verdientes, Geld. (Das mit dem Geld ist so eine Sache, aber dazu später mehr). Und E-Scooter stehen ja sowieso auf jedem Gehsteig herum. Eine Woche später kommt ein Paket mit vier Ladekabeln, die aussehen, als könne man damit einen Laptop anschließen. Wenn ich fleißig juice, bekomme ich mehr Ladekabel zugeschickt. Mein neues Leben als sogenannter E-Scooter-Juicer beginnt.

Beim Aufladen von E-Scootern

Felix Diewald

Der erste Juice

Mein erster Juice war etwas Besonderes. Als ich den ersten Scooter einsammle oder „harveste“, wie es in der Scooter-Sprache heißt, denke ich an meinen Opa Franz. Er hat früher im Weinviertel noch die Erdäpfel geerntet und ich harveste jetzt, ein paar Jahrzehnte später, E-Scooter. Es fühlt sich nach Fortschritt und Zukunft an. Als mein erster aufgeladener E-Scooter nachts selig in der dunklen Wohnung mit blauem Licht blinkt, bin ich zufrieden.

Doch die Tage vergehen und je länger ich juice, desto mehr stellt sich bei mir Ernüchterung ein: Zufällig stolpere ich nicht über Scooter, die gerade Saft brauchen. Ich muss aktiv nach ihnen suchen. Aber wenn ein Scooter, der aufgeladen werden muss, auf der Karte der App erscheint, muss ich schnell sein. Denn reservieren geht nicht. Es passiert mir mehrmals, dass der Scooter schon weg ist, als ich es nach ein paar Minuten zu dem Punkt auf der Stadtkarte schaffe, auf dem er mir gerade noch angezeigt wurde. Und es ist eine physisch anstrengende Arbeit. Ich kann die Scooter zwar stapeln und damit fahren, aber die Dinger wiegen trotzdem einiges. Danke an dieser Stelle an meinen Vermieter, der einen Lift in unser Altbau-Stiegenhaus eingebaut hat.

Wie viel ich verdient habe

Für jeden aufgeladenen Scooter bekomme ich vier Euro. Dazu muss ich ihn aber bereits in der Früh vor sieben Uhr an eine Sammelstelle (meist größere Kreuzungen) bringen. Außerdem muss ich die Scooter ja selber bei mir Zuhause aufladen. Der Strom dafür kostet zwar nur 20 bis 40 Cent pro geladenem Scooter. Aber jetzt, nach eineinhalb Wochen als Scooter-Juicer habe ich insgesamt noch keine 50 Euro verdient. An meinem besten Abend waren es 16 Euro. Und zusätzlich muss ich mich selbst versichern und falls ich die Sache doch größer aufziehen sollte, auch noch Einkommenssteuer zahlen. Angestellt werde ich von den E-Scooter-Firmen nämlich nicht.

Beim Aufladen von E-Scootern

Felix Diewald

Aber ich will es noch einmal wissen und beschließe, mich einen Abend wirklich reinzuhängen oder wie sie an der Wirtschaftsuni sagen: mein Business zu skalieren. Ich borge mir den alten Opel von meinen Papa aus, rase durch die Stadt, stelle mich mit Warnblinker auf Gehsteige und lade Scooter in den Kofferraum. Am Ende bin ich K.O. und auch nicht viel erfolgreicher.

Ich werde wohl auch in Zukunft noch ab und an juicen, wenn gerade ein Scooter in der Nähe ist. Aber in Zukunft schlafe ich doch lieber aus und mache mein Cash auf andere Weise.

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