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Jörg Carstensen / DPA / AFP

„Spotify Teardown“: Beim Streaming geht es nicht um Musik

Schwedische Forscher*innen haben seit 2013 über den Streaming-Anbieter Spotify geforscht und ihre Ergebnisse jetzt in einem Buch veröffentlicht. Für sie steht fest: Spotify sammelt Unmengen an Daten und das könnte die Musikindustrie nachhaltig verändern.

Von Sophie Liebhart

Von der Vorstellung, dass es bei Spotify in erster Linie um Musik geht, muss man sich verabschieden – zumindest wenn es nach den Autoren des Buchs „Spotify Teardown“ geht. Denn mit jedem Song, den man auf Spotify anhört oder weiterklickt, werden im Hintergrund Unmengen an Daten gesammelt und verschickt. Die Forscher*innen beanstanden, dass User und Userinnen sich mittlerweile zwar Sorgen darüber machen, was z.B. auf Facebook mit ihren Daten passiert, Spotify dafür aber noch nie in der Kritik gestanden ist.

Buchcover "Spotify Teardown"

MIT Press

Das Buch „Spotify Teardown“ ist im britischen Universitätsverlag MIT Press erschienen.

Daten im Fokus

Was mit den Unmengen an Daten, die Spotify über seine User*innen sammelt, passiert, ist nach wie vor nicht ganz klar, sagt Pelle Snickars, einer der Autoren: „Von außen können wir nicht sicher sagen, ob die Daten nicht auch verkauft werden. Spotify gibt an, User Generated Content ausschließlich zu verwenden, um das eigene Angebot zu verbessern. Aber wir wissen aus unserer Forschung, dass sie viele ihrer Daten auch an Facebook weitergeben." Pelle Snickars und sein Team fanden unter anderem auch heraus, dass Spotify werberelevante Daten an die Server einer Firma in den USA schickt, deren Dienste auch vom amerikanischen Verteidigungsministerium in Anspruch genommen werden.

Um die Algorithmen von Spotify zu verstehen, hat das Forschungsteam mit Bots gearbeitet und so virtuelle, also Fake User registriert. Einige unterschieden sich beispielsweise in ihrem Geschlecht, so dass die Forscher*innen dann etwa die Unterschiede in den Musik-Empfehlungen anhand des Geschlechts analysieren konnten.

„Wir können den Daten von Streamingplattformen nicht vertrauen."

Dass es so einfach ist, virtuelle User*innen zu registrieren und auch Audiofiles hochzuladen, das hat die Forschenden überrascht. Der Grund ist ihnen jedoch klar. Für Spotify steht im Vordergrund zu wachsen, um so Investoren vom Potenzial des Unternehmens zu überzeugen, erklärt Pelle Snickars. Was sie daraus schließen? „Wir als Forscher oder Journalisten können den Daten von Streamingplattformen nicht vertrauen. Es ist sehr schwer zu sagen, wieviele echte User und wieviel echte Musik auf solchen Plattformen ist, sie können nämlich auch von einer Maschine gemacht sein“, erklärt er.

Spotify kooperierte nicht

Am Anfang war Spotify durchaus an einer Kooperation für das Forschungsprojekt interessiert, wollte dann aber doch mit keinen genaueren Daten herausrücken. Pelle Snickars beschreibt Spotify als ein durchaus Forschungs-interessiertes Unternehmen, bei kritischen wissenschaftlichen oder journalistischen Zugängen scheint hier jedoch Schluss zu sein, sagt er.

Statt zu kooperieren, wollte das Unternehmen die Forschung dann nämlich sogar verhindern. Sowohl Pelle Snickars als auch der Schwedische Forschungsrat, der das Projekt finanziell unterstütz hat, wurden kontaktiert. „Uns wurde damit gedroht, die Finanzierung des Projekts zu verhindern“, sagt Pelle Snickars. „Die Vorsitzende des Schwedischen Foschungsrates hat mir gesagt, dass es das erste Mal passiert ist, dass sich eine Firma so eingemischt hat.“ Wovor Spotify Angst hatte? Das weiß Pelle Snickars auch nicht: „Wir sind eine Gruppe von Forscher*innen, wir wissen einiges über die Algorithmen von Spotify aber wissen bei weitem nicht alles“, sagt er.

„Wir sind eine Gruppe von Forscher*innen, wir wissen einiges über die Algorithmen von Spotify aber wissen bei weitem nicht alles.“

An dieser Stelle sei gesagt: Radio FM4 hat Spotify um ein Statement zu den Forschungsergebnissen gebeten. Das Unternehmen wollte sich dazu jedoch nicht äußern.

Zukunft der Musikindustrie

Die schwedischen Forscher und Forscherinnen haben sich anhand ihrer Ergebnisse auch gefragt, wie die Zukunft der Musikindustrie aussehen könnte. Was Spotify als größter Streaminganbieter weltweit als nächstes plant, das wollte das Unternehmen den Autoren und Autorinnen nicht verraten.

Deshalb haben diese wieder auf eine computerbasierte Methode zurückgriffen: Sie haben alle Stellenangebote von Spotify aus dem Internet zusammengesucht, die sie finden konnten. 563 an der Zahl. Bei der Auswertung stellten sie fest, dass Spotify vor allem Expert*Innen für künstliche Intelligenz gesucht hat. Sie werten das als Hinweis darauf, dass das Unternehmen in Zukunft noch viel stärker Musik-Erfahrungen algorithmisch erzeugen, steuern und vermarkten will.

Alles nur Vermutungen. Für Pelle Snickars steht aber fest, dass sich die Musikbranche immer mehr mit Technologie und Daten auseinandersetzen wird. Er sieht eine " merkwürdige Vermischung von Content, Technologie und Finanzierung".

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