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„Benzin“: Beziehungs-Roadtrip durch Südafrika

Im Roman „Benzin“ von Gunther Geltinger geht es um zwei Männer, die mitten in einer Beziehungskrise einen Roadtrip durch Südafrika machen. Der Roman kommt erst richtig in Fahrt als sie einen jungen Flüchtling aus Simbabwe anfahren.

Von David Riegler

„Wenn man den Weg verliert, lernt man ihn kennen“, lautet ein afrikanisches Sprichwort und genau das erleben die Protagonisten im Roman „Benzin“ von Gunther Geltinger. Vinz und Alexander führen eine offene Langzeitbeziehung, die in einer heftigen Krise steckt und der Roadtrip durch Südafrika soll die Kluft zwischen den beiden wieder kitten. Trauriger Höhepunkt der bisherigen Beziehungskrise ist, dass sich Vinz in einen anderen Mann verliebt hat.

Buchcover "Benzin"

Suhrkamp

Das Buch „Benzin“ ist im Suhrkamp Verlag erschienen.

Die beiden mieten sich also einen Wagen und beginnen eine Reise auf den abgelegenen Straßen Südafrikas, denn sie suchen das Abenteuer und die Abwechslung zu ihrem Alltag.

Angst und Abenteuer

Das ersehnte Abenteuer holt die beiden schneller ein als gedacht. Mitten in der Nacht auf einer kleinen Nebenstraße spüren sie plötzlich einen Aufprall.

Vinz und Alexander bleiben stehen und wissen erst einmal nicht, ob sie ein Tier angefahren haben oder ob sie gleich Opfer eines Überfalls werden. Mehrmals wurden sie vorgewarnt, vor alldem was alles passieren kann. Auf den Straßen steht in regelmäßigen Abständen ein Schild mit der Aufschrift „Crime Alert - Do not stop“.

„Die Baseballkappe liegt einen Meter vom Wagen entfernt auf der Straße. Alexander hebt sie auf; die Hoffnung, vielleicht doch nur ein Tier überfahren zu haben, stirbt. Der Rest kommt in Schüben. Mit dem Herzrasen die Erkenntnis, dass ihnen genau das passiert ist, was Touristen in diesem Land niemals passieren sollte.“

Es stellt sich heraus, die zwei haben einen jungen Flüchtling aus Simbabwe angefahren, der sich als Unami vorstellt. Aus Verantwortungsgefühl und schlechtem Gewissen heraus, verarzten die beiden Unami sofort und engagieren ihn als persönlichen Reiseführer. Er kennt die Gegend und zeigt ihnen sowohl die faszinierendsten als auch die brutalsten Seiten des Landes.

Doch durch den neuen Tour-Guide wird die Beziehung von Vinz und Alexander immer komplizierter. „Unami wird für die beiden so etwas wie ein Katalysator. An ihm wird das verloren gegangene Vertrauen zwischen Alexander und Vinz deutlich sichtbar“, erklärt Autor Gunther Geltinger.

Autor Gunter Geltinger

Jürgen Bauer

Der Autor Gunther Geltinger hat Drehbuch und Dramaturgie studiert. „Benzin“ ist sein dritter Roman.

Paranoia

Gunther Geltinger gelingt es hervorragend seine Protagonisten aus der Komfortzone zu holen. Der Roadtrip entwickelt sich zu einer Abfolge von unsicheren Situationen, die in den beiden Männern jede noch so tiefliegende Angst hervorholt. In jeder Situation malen sie sich aus, was alles passieren könnte und die brutalen Geschichten von Unami verstärken diese Paranoia.

Dabei entwickeln sie ständig Schutzstrategien, zum Beispiel geben sie sich als Brüder aus, um der Homophobie zu entgehen. Als Leser fühlt man sich immer wieder ertappt, denn die Vorurteile und Ängste der Protagonisten sind sehr feinfühlig erzählt und durchaus nachvollziehbar. Südafrika ist bei dem Ganzen nur ein Schauplatz, der am Autofenster vorbeizieht, denn echten Kontakt zu den Menschen haben Vinz und Alexander nur über Unami.

Kritik an den eigenen Figuren

Was die Protagonisten derartig glaubwürdig macht, sind die tiefen Einblicke in ihr Wesen, die Gunther Geltinger beschreibt. Geschickt verwebt er die Geschichte mit Episoden aus der Vergangenheit von Vinz und Alexander. Dabei urteilt er zwar nicht, aber er hat auch keine Angst davor seine Protagonisten zu kritisieren.

„Man ist in Südafrika konfrontiert mit seiner Rolle als Europäer.“

Wie viele Menschen aus der westlichen Welt kämpfen Vinz und Alexander beim Reisen ständig gegen ihr postkoloniales schlechtes Gewissen. Dieses Phänomen war auch der Ausgangspunkt für Geltinger diesen Roman zu schreiben: „Was mich vor allem beschäftigt hat, ist die Art und Weise wie europäische Touristen im südlichen Afrika reisen. Man bedient sich der kolonialen Strukturen, die immer noch da sind. Man ist in Südafrika konfrontiert mit seiner Rolle als Europäer.“

Geltinger wechselt in seinem Schreibstil gekonnt zwischen einer sprachlichen Derbheit und zarten Beschreibungen hin und her. Durch das Wechselspiel bleibt man bis zum Schluss dran und erkennt sich selbst in den Reaktionen der Figuren. Am Ende bleibt das Gefühl, die Erlebnisse und Emotionen mit den Protagonisten geteilt zu haben. Und man ist heilfroh nicht bei dem Roadtrip mit an Bord gewesen zu sein.

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